Carcan - Die Winterkriege

By LePing

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In dem Binnenland Carcan herrscht der härteste Winter seit über fünfzig Jahren, da sind sich alle einig. Zud... More

Elli
Qen
Aaros
In Verdun
Knast oder Krieg
Der Sohn des Stabsfeldwebels
Das Provinzmädchen und die Alchemie
Carcanische Tugenden
Abschiede
Hügel der Schmach
Eilmarsch
Willkommen beim 11. Alchemiebataillon
Freunde und Kameraden
Gruppe 1
Eine undankbare Aufgabe
Unteroffizier Hauser und die illustre Truppe
Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen
Dienst an der Waffe
Grauenvolle Kriegsbestie
Wer wir sind
Aaros' Entscheidung
Zurück zur Normalität
Der Geschmack der Heimat
Panorama
Der Traum
Naturgewalt
Niederlage auf ganzer Linie
In einer lauen Winternacht
Der Berglöwe
Mein Name ist Eleonore
Nur Soldaten
Stumme Worte
Abschied und Wiederkehr
Familie Stark
Ein hungriger Geist
Die Spielhölle
Mütter
Chimären und Homunkuli
Gehängter Esel
Friedrich Desmond von Lilienthal
Das Spiel der Offiziere
Ein kurzer Sonntag
Ein denkwürdiger Tag zweier Nationen
Die 3. Kompanie
Der Ausbildungszug
Instinktive Abneigung
Ein Spinnhund namens Krocket
Jungs
Die Zwillinge Hauser
Die Katakomben
Der verrückte Professor
Vorprogrammierter Ärger
Das Genie des Sergej Asmov
Ein Haufen Mist
Ehre dem großen Löwen
Schüler und Meister

Ein schöner Mann

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By LePing

Elli - Letzten Endes hatte alles schneller geklappt als ich es mir erhofft hatte. Kaum hatte ich die Unterschrift gesetzt, hatte Unteroffizier Jertz das 11. Alchemiebataillon angerufen, mich dort als neuen Rekruten gemeldet und mir dann eine Fahrkarte nach Werrich in die Hand gedrückt. Die zweistündige Fahrt nach Ketho, wo ich umsteigen musste, führte mich ins stellenweise vom Winter noch unberührte Tal der Thaale.  Die Thaale war der größte Strom unseres Landes, der im Hestermassiv entsprang, die Grenze in unseren Nachbarstaat Inotia überquerte und dort ins Meer floss. Begeistert folgten meine Augen der Strömung, die selbst einem erfahrenen Schwimmer Schwierigkeiten bereitet hätte.

„Kommst wohl aus den Bergen, was?", fragte mich ein Mädchen in meinem Alter, die auf der anderen Seite des Ganges saß. „Niemand sonst wäre so begeistert von ein bisschen Wasser."

Ich setzte ein Lächeln auf. „Schuldig in allen Punkten."

Sie kicherte mädchenhaft. „Wie heißt du?"

„Ich bin Elmar", ich hielt ihr die Hand hin. „Wie heißt du?"

„Katharina", sie lief rot an und erst in diesem Moment wurde mir klar, dass sie mit mir flirtete. Mir wurde ein wenig flau im Magen. Mit Romanzen hatte ich keinerlei Erfahrung und schon gar nicht mit anderen Mädchen. Komm schon, Elli! Das ist deine Möglichkeit, dich in Männlichkeit zu üben!

„Katharina", wiederholte ich ihren Namen. „Das ist wirklich ein schöner Name."

„Danke", sagte sie ohne mich anzusehen.

„Fast so schön wie deine Augen", mir kräuselten sich die Fingernägel als ich diesen Satz sagte. Wie schaffen Jungs das, solchen Quark ständig vom Stapel zu lassen?

Doch Katharina schien mein Spruch zu gefallen. Lächelnd blickte sie auf. „Findest du?"

Um ehrlich zu sein, waren ihre Augen nicht besonders spektakulär. Sie waren braun und leicht fleckig und auch ihre Wimpern waren ziemlich kurz und hatten die gleiche Farbe wie ihr mausbraunes Haar. Eine Schönheit war sie wahrlich nicht.

Elli, was denkst du da?, ertappte ich mich. Sie ist nur ein nettes Mädchen, sei nicht so gemein!

„Aber klar", log ich also. „Du bekommst doch bestimmt dauernd Komplimente dafür."

„Eigentlich... Eigentlich bist du der erste Junge, der das sagt. Die aus meiner Schule haben kein Interesse an so was und spielen lieber Krieg."

„Dann muss ich mich wohl für mein Geschlecht entschuldigen", ich machte eine dramatische Verbeugung. „Wohin fährst du, wenn ich fragen darf?"

Ich durfte fragen. Katharinas Reise ging nach Darnisch im südlichen Teil von Carcan. Ihre Eltern hatten sie zu entfernten Verwandten geschickt, da sie nach den vielen Scharmützeln mit den Staaten im Norden einen baldigen Kriegsausbruch entlang der dortigen Grenzen befürchteten. Aus Angst hatten sie also ihre einzige Tochter in den Zug gesetzt, damit sie sie so weit wie möglich von dort in Sicherheit wussten. Als ich ihr erzählte, dass ich der Armee beitreten wollte, sah sie mich besorgt an.

„Aber ist das nicht gefährlich?"

„Erstmal stecken die mich in die Grundausbildung, da muss ich nicht kämpfen. Und mit ein bisschen Glück bricht der Krieg erst gar nicht aus. Ich hab gehört, die Lage hat sich in den letzten Wochen wieder etwas stabilisiert. Der Risische Kanzler selbst plant sogar einen Besuch in Ketho", informierte ich sie.

„Trotzdem...", sie fummelte nervös an ihrem Rock herum. „Es wäre schade, wenn dir etwas passiert."

Ich war mir fast sicher, dass sie kurz davor war, mich zu ihren Verwandten einzuladen, um mit ihr dort den Rest meines Lebens zu verbringen. Irgendwie war ihre Schwärmerei ja süß und ich fühlte mich auch geschmeichelt, aber auf der anderen Seite war es auf die Dauer ziemlich nervig. Als Junge hätte ich für diese Art von Mädchen wohl nichts übrig gehabt. Ich lachte unwillkürlich auf bei diesem Gedanken und Katharina sah mich verwirrt an. Immerhin weiß ich jetzt etwas über Elmar.

Meine neue Bekanntschaft wollte mich gar nicht gehen lassen als wir schließlich in Ketho einrollten und ich konnte nur mit dem Versprechen, ihr aus Werrich Briefe zu schreiben, von ihr loskommen. Schluchzend brachte ich sie also zum Zug gen Süden und begab mich dann zu Gleis Vier, wo ich in einer halben Stunde meinen Anschluss erwartete. Ich grübelte, ob es wohl für Mädchen normal war, sich so schnell zu verlieben. Ich hatte schon mein Leben lang geschuftet und nicht selten genauso harte Arbeiten verrichtet wie die Jungen bei uns im Dorf und mich nie in einen von ihnen verguckt. Das mochte auch daran liegen, dass sie sich selten wuschen und auch sonst nicht sehr ansehnlich waren, trotzdem schien es mir übertrieben, sofort einem Wildfremden zu verfallen.

Ich quetschte mich zu einigen anderen Leuten auf eine Bank am Bahnsteig. Sie musterten mich mit großen Augen und ich fragte mich langsam ernsthaft, ob ich etwas an mir hatte, denn ich wurde schon den ganzen Tag angestarrt. An meiner Verkleidung konnte es nicht liegen, die hatte sich bereits als wasserdicht herausgestellt. „Ist was?", fragte ich also einfach mal.

Die meisten schüttelten den Kopf und sahen woanders hin, nur ein langer schmaler Typ mit fuchsfarbenem Haar und Seesack starrte weiter. Ich legte die Stirn in Falten und den Kopf schief. Wenn er was zu sagen hatte, sollte er das gefälligst tun.

Nach ein paar Sekunden schaffte er es dann auch, seinen Mund zu öffnen. „Tut mir Leid, ich wollte nicht glotzen."

„Dann lass es", antwortete ich barsch, bereute es jedoch sofort. Ich wollte Elmar nicht zu einem unsympathischen Kerl verkommen lassen. Ich legte eine entschuldigende Miene auf. „Tschuldigung... Ich bin nur ein wenig nervös."

„Ja, ich auch", lachte er.

„Wohin geht's?", wollte ich wissen. Elmar sollte ein guter und offener junger Mann sein.

„Nach Werrich", er hielt die Zugfahrkarte hoch. „Ich hab mich verpflichtet."

Ich sprang auf. „Zu den Alchemisten?"

„Ja...", er stockte. „Du auch?"

Ich nickte und zeigte ihm auch meine Fahrkarte. „Ich bin schon den ganzen Tag unterwegs, endlich treffe ich mal jemanden, der das gleiche Ziel hat."

„Geht mir genauso. Ich bin Aaros", stellte er sich vor.

„Elmar", sagte ich. Jetzt wo ich direkt vor ihm stand, sah ich erst, wie groß und dürr er wirklich war. Er überragte mich bestimmt um fünfzehn Zentimeter und ich musste mich ganz schön strecken, um mit ihm auf einer Augenhöhe zu sein. Wie Katharina auch hatte er braune Augen, doch seine strahlten irgendwie. Seine Nase war lang und schmal und passte zu seinem restlichen langen und schmalen Körper. Sein Haar war kurz und elegant nach hinten gegelt. In seinen recht vornehmen Kleidern sah er aus wie ein Spross aus einer Stadtfamilie.

„Freut mich, dich kennenzulernen, Kamerad."

„Mich auch."

Er erzählte mir, dass er aus Ehresberg kam, ein wenig südlich von hier und sein Vater, selbst ein ehemaliger Soldat, ihn für den Dienst gemeldet hatte.

„Echt?", harkte ich nach. „Und du bist gegangen?"

Aaros zuckte mit den Schultern. „Mein Vater hat schon immer davon geträumt, dass ich mal Offizier werde. Und er war so stolz... Die zwei Jahre überlebe ich schon."

„Na, hoffentlich", sagte ich.

„Was ist mit dir? Warum hast du dich verpflichtet?"

Ich erklärte, dass ich Geld für meine Familie verdienen wollte. „Sie haben mich nach dem Tod meiner Eltern aufgenommen als ich noch ganz klein war. Jetzt, wo ich alt genug bin, will ich sie unterstützen."

„Das ist nobel", stellte er fest.

„Findest du? Ich finde es selbstverständlich."

„Auch das Selbstverständliche sollte man würdigen. Eine gute Tat bleibt eine gute Tat, oder nicht?", er setzte ein Lächeln auf, das ihn viel älter wirken ließ als seine siebzehn Jahre.

„Wahrscheinlich", gestand ich ein. „Hab ich noch nie drüber nachgedacht."

„Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken. Wenn man sein Leben lang die Schulbank drückt, geht einem so einiges durch den Kopf."

Schule und Lernen waren noch nie was für mich gewesen. Ich war ein Praktiker und packte schon immer lieber an als Theorien zu büffeln. Bis jetzt hatte mir das nie was ausgemacht, doch in Gegenwart dieses belesenen Denkers kam ich mir ziemlich dumm vor.

Ich wollte etwas erwidern als eine Gruppe von Mädchen in buschigen Kleidern und auf hohen Schuhen kichernd an uns vorbei stöckelte und uns unter vorgehaltener Hand bedeutungsvolle Blicke zuwarfen. Als sie vorbeigegangen waren, sah ich Aaros grinsend an. „Die Mädchen stehen auf dich."

Er wirkte ehrlich überrascht. „Auf mich?"

„Hast du nicht gesehen, wie sie dich angeguckt haben?"

„Elmar, die haben ganz sicher nicht mich angeguckt."

„Aber..."

„Die haben dir zugezwinkert", stellte er fest.

„Was?", ich war ehrlich verwirrt.

„Hat dir das bis jetzt keiner gesagt?", er fuhr sich durchs Haar als würde er nach den richtigen Worten suchen. „Du bist, nun ja, ein wirklich hübscher Mann. Wenn nicht sogar der hübscheste Mann, der mir je unter die Augen gekommen ist."

„Häh?", ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Als Mädchen hatte mich nie auch nur ein Junge eines Blickes gewürdigt und auf einmal sollte ich der hübscheste Mann der Welt sein? Das war doch wohl ein schlechter Scherz. Andererseits würde das die ganzen Blicke und Katharinas plötzliche Liebe erklären. Da ich noch immer keine Worte fand, lachte ich einfach laut los.

„Elmar?", fragte Aaros besorgt. „Alles gut? Ich wollte dir nicht zu nahe treten oder so..."

„Schon in Ordnung", brachte ich hervor als ich mich wieder ein bisschen beruhigt hatte. „Das hat mir nur noch nie jemand so gesagt. Muss wohl an dem ganzen Ruß in den Minen gelegen haben oder so."

„Macht ja nichts", stellte mein Kamerad fest. „Guck, da kommt unser Zug."

Der Zug fuhr unter lautem Hupen ein und ich warf mir meine Tasche um.

Ich hatte einen Freund gefunden und ich war der hübscheste Mann der Welt. Wie konnte mein Tag da noch besser werden?


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