Someday we'll see each other...

By freezing_storm

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✹☾NEW ADULT☽✹ »Weißt du, ein Mensch darf nie alles für dich sein. Denn wenn er geht, hast du nichts, was dir... More

Vorwort
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Epilog
Schlusswort und Danksagung

Kapitel 20

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By freezing_storm

"You never realize the holes a person leaves behind until you fall into them."

— Neal Shusterman, The Dark Side of Nowhere


Ich rannte. Mein Herz klopfte wild gegen meine Brust und mein Atem ging stoßweise. Schwungvoll stieß ich die Türen der Eingangshalle auf. Der Bahnhof war zum Glück nicht allzu groß, weshalb ich mich schnell zurechtfand. Erschrocken starrte ich auf die große Uhr und mir wurde schlagartig schlecht.

Verdammt! Nur noch drei Minuten.

Wie vom Teufel getrieben, spurtete ich zum Bahngleis 3. Dabei rempelte ich mehrmals andere Fahrgäste an, doch darauf konnte ich im Moment keine Rücksicht nehmen. Nach einer hektischen Entschuldigung lief ich weiter und erwischte gerade noch rechtzeitig meinen Zug.

Erschöpft ließ ich mich auf einen freien Platz fallen und lehnte meine Stirn gegen das kalte Fensterglas. Für einen Moment schloss ich die Augen und atmete tief durch.

Zum Glück hatte ich es doch noch rechtzeitig geschafft. Als ich heute früh von Alice geweckt worden war und ich gesehen hatte, wie spät es schon war, hatte ich nur die nötigsten Sachen zusammengepackt und war aus dem Zimmer gestürmt. Mit großen und schnellen Schritten hatte ich meinen persönlichen Schutzort hinter mir gelassen.

Der Zug setzte sich in Bewegung und ich sah dabei zu, wie der Bahnsteig sich immer mehr entfernte. Nach kurzer Zeit ließen wir den Ort hinter uns und tuckerten durch die karge Landschaft von Nebraska. Der Himmel war heute von einer dicken Wolkenschicht bedeckt und es sah nach Regen aus. Alles war grau und dunkel, genau wie meine Stimmung.

Das kurze Vibrieren meines Handys riss mich aus meiner Starre. Drei neue Nachrichten von Alice leuchteten auf dem Display auf. Ich schmunzelte, als ich mir ihre Nachrichten durchlas und sah, dass sie immer noch tippte.

Hast du es geschafft?

OMG, du schreibst nicht.

Zur Not fahre ich dich mit dem Auto.

Ach ne, du fährst ja nicht.

Hey!

Antworte doch, wenn du online bist.

Halloooooo??? Ich sterbe hier vor Neugierde.

Aza!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Bevor sie mich noch weiter zuspammen konnte, antwortete ich ihr schnell.

Alles gut...bin gerade noch rechtzeitig angekommen. Sitze jetzt in der Bahn. Ich schreibe dir, wenn ich zu Hause angekommen bin. Bis später.

Damit legte ich das Handy beiseite und schaltete es stumm.

Es war nichts gegen Alice, aber ich brauchte für ein paar Stunden meine Ruhe. Ich war sehr dankbar, dass ich Alice als Freundin hatte, aber ich konnte ihr nicht alles anvertrauen. Da war dieser Knoten in mir, den ich nicht lösen konnte und solange ich dazu nicht in der Lage war, würde ich ihr nicht von meinen inneren Dämonen erzählen. Dafür war ich im Moment nicht bereit. Auch wenn meine Psychologin mir immer wieder geraten hatte, mich gegenüber anderen Menschen zu öffnen, um meinen Schmerz zu teilen, konnte ich es nicht. Es fühlte sich einfach nicht richtig an. Viel zu lange war ich allein mit mir und meinen Gedanken gewesen. Ich wollte nicht raus aus meinem Alaskaversteck, denn dort war ich in Sicherheit. Ich war nicht bereit dazu, jemanden in meinen Schutzraum eindringen zu lassen, egal, wie einsam ich auch war.

Gedankenverloren ließ ich den Blick nach draußen schweifen. Die Landschaft zog so schnell an mir vorbei, sodass ich mich fragte, was ich alles verpasste da draußen.

Nach etwa einer Stunde Fahrt verdunkelte sich der Himmel und schon nach wenigen Minuten klebten dicke Regentropfen am Fensterglas. Fasziniert beobachtete ich, wie die Regentropfen an der Scheibe entlangliefen.

Der Himmel und der Regen erinnerten mich an den wohl schwersten Tag meines Lebens. An dem Tag, als meine Eltern beerdigt wurden, hatte der Himmel genauso ausgesehen. Die gleichen dicken Regentropfen prasselten damals auf meinen schwarzen Parka, während ich alles daran gesetzt hatte, nicht zusammenzubrechen.

Die kleine Kapelle war vollgestopft mit fremden Menschen, die Abschied von meinen Eltern nahmen. Ich saß ganz vorn in der ersten Reihe und starrte ununterbrochen auf die zwei schwarzen Urnen, die auf einem kleinen Tisch sorgsam aufbereitet waren. Ein Meer aus Blumen schmückte den Platz neben dem Rednerpult.

Obwohl meine Großeltern rechts und links von mir saßen, um mich vor den neugierigen und mitleidigen Augen der Umstehenden zu schützen, fühlte ich mich allein und schutzlos. An diesem Tag spürte ich das erste Mal, wie die Leere meine Venen entlangkroch und sich in meinem Inneren einnistete. Wie ein Parasit.

Ich hatte an diesem Tag sehr viel Stärke bewiesen, von der ich nicht wusste, dass ich sie besaß. Schon als ich die Kapelle als erste betreten hatte, war mir speiübel geworden und ich wollte am liebsten davonlaufen. Trotzdem setzte ich einen Schritt nach dem anderen, obwohl meine Beine unkontrolliert zitterten und mich mein Verstand anschrie, umzukehren.

Das Bild, das sich vor mir ergab, hatte sich für immer in mein Gedächtnis eingebrannt. Es war einfach nur makaber. Die Gesichter meiner Eltern strahlten mir durch den großen Bilderrahmen entgegen, während daneben ihre Überreste in zwei Gefäßen verrotteten.

Doch am schlimmsten war nicht das, was ich sah, sondern das, was ich hörte. Die ganze Zeit, während ich dort saß und die Urnen anstarrte, spielte die Trauerkapelle. Jedes Mal, wenn sie ein neues Lied anstimmten, zuckte ich zusammen und mir liefen neue Tränen über die Wangen. Alles in mir schmerzte. Der Druck, der auf mir lastete, drohte mich mit jedem neuen Lied zu erdrücken.

Nachdem der Trauerredner geendet hatte, verließen wir zusammen die Kapelle. Es regnete in Strömen und ich dachte, der Himmel wollte mir damit zeigen, dass ich nicht allein war.

Als ich an das Grab trat und mit leeren Augen beobachtete, wie die Urnen in die Erde hinuntergelassen wurden, brach für mich endgültig eine Welt zusammen. Das war er also, der Moment des Abschieds.

Kurz nachdem ich erfahren hatte, dass Evan für eine längere Zeit nicht mehr aufwachen würde und ich alleine die Beerdigung überstehen musste, war für mich klar, dass ich eine Abschiedsrede halten wollte.

Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass jemand, der meine Eltern nicht einmal gekannt hatte, die letzten Worte über sie sprach und sie somit verabschiedete von dieser Welt, in der ich noch lebte. Sie hatten es verdient, dass ich die letzten Worte an sie richtete.

Und so stand ich vor dem offenen Grab und hielt mit zittrigen Händen das kleine Stück Papier fest umklammert. Mein Großvater hatte seine Hand beruhigend auf meine Schulter gelegt, während es um mich herum still wurde.

Mein Herz schlug wie wild. Der Schmerz, der mich zu Boden drückte, blockierte meine Stimme. Mehrmals setzte ich zum Sprechen an, doch meine Stimme versagte immer wieder. Unkontrolliert flossen mir Tränen übers Gesicht.

,,Es ist okay, Aza. Du musst das hier nicht tun'', flüsterte mir mein Opa beruhigend zu.

,,Schon okay'', erwiderte ich mit zittriger Stimme.

Ich faltete den kleinen Zettel auseinander, obwohl ich wusste, dass ich ihn nicht brauchen würde. Es war mein Halt. Ich brauchte etwas, an das ich mich klammern konnte, wenn ich die nächsten Minuten überstehen wollte.

Ich hielt meinen Blick Richtung Himmel gerichtet, als ich anfing, leise Abschied zu nehmen.

,,Oft haben wir gemeinsam den Himmel betrachtet. Wir lagen auf unserer Terrasse nebeneinander oder in meinem Bett Kopf an Kopf, wo man so schön in den Himmel schauen konnte. Mom hat es geliebt, wenn er sich orange-rot verfärbt hat und Dad liebte den Übergang von Lila zu Blau. Dad hat es geliebt, Bilder davon zu machen. Überall hingen seine Fotografien im Haus, die er stolz präsentierte. Mom hat dabei immer gelächelt und mich geküsst, weil sie mich von ganzen Herzen geliebt hat. Doch jetzt lieben die beiden nur noch den Himmel. Du hast den Himmel so geliebt, Mom, dass du immer in seiner Nähe sein wolltest. Du bist einfach gegangen und hast Dad mitgenommen, ohne mir noch ein letztes Lächeln zu schenken oder mir einen Kuss zu geben. Vielleicht verfärbst du jetzt den Himmel rosa-rot, weil du weißt, wie sehr es mich an dich erinnert. Vielleicht sitzt Dad jetzt da oben und wünscht sich, er könnte ein Bild davon machen. Wie soll ich es ertragen, wenn der Himmel sich lila färbt oder in einem Meer von Rottönen versinkt? Wer soll jetzt ein Foto davon machen und es aufhängen? Wer lächelt mich an und gibt mir einen Kuss? Ihr könnt das nicht, sonst wärt ihr jetzt nicht dort oben. Ihr wärt jetzt sonst noch bei mir und Evan, wenn ihr den Himmel nicht mehr geliebt hättet als uns...''


Ich öffnete meine Augen. Meine Wangen waren feucht und ich wischte mir schnell die Tränen aus dem Gesicht. Auch drei Jahre später tat es noch weh, mich an diesen Tag zu erinnern. Man konnte niemals jemandem erklären, wie schmerzvoll es war, sich von den Menschen zu verabschieden, die man liebte. Deswegen versuchte ich es erst gar nicht.

Mein Blick glitt zu dem Monitor, der die Ankunft in meiner alten Heimatstadt ankündigte. Der Zug wurde immer langsamer, bis er nach wenigen Minuten zum Stehen kam. Ich schulterte meinen Rucksack und verließ mit langsamen Schritten das Zugabteil Richtung Ausgang. Unruhe breitete sich lawinenartig in mir aus, als ich den Bahnsteig vor mir sah.

So schnell war ich wieder hier, in meiner persönlichen Hölle.

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