Kapitel 97

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Grace' Sicht:

Shawn legte seine Hände an meine Hüfte und zog mich enger an sich, denn ich brachte es nicht über das Herz ihn direkt wegzustoßen. Irgendetwas hielt mich davon ab den Kuss sofort zu beenden. Vielleicht waren es meine Gefühle, die gerade verrücktspielten. Ich spürte ein wohliges Kribbeln im Bauch, aber es fühlte sich nicht an wie bei Justin. Nichts an diesem Kuss fühlte sich an wie bei Justin. Shawn war nicht Justin, er war nicht der Mann, den ich bedingungslos liebte.

Aus diesem Grund drückte ich ihn von mir weg und ging zwei große Schritte nach hinten, bis ich mit den Füßen im Wasser stand. Die Abkühlung tat mir gut.

„Shawn", flüsterte ich leise.
Er stand wie erstarrt im Sand und starrte mich verletzt an. Man sah die Reue in seinen Augen, als würde er den Kuss gerne rückgängig machen. Ich konnte nicht richtig atmen, weil ich diese Situation erstmal verarbeiten musste. Shawn hatte mich geküsst und ich hatte tatsächlich etwas gefühlt. Etwas, dass man bei einem besten Freund nicht fühlen sollte.

„Grace, ich... es tut mir leid."

„Bitte lass uns diesen Kuss einfach vergessen. Wir sind nur Freunde, Shawn. Ich liebe Justin", murmelte ich unsicher. Shawn fuhr sich durch die Haare und eine kleine Strähne fiel ihm über die Stirn.

„Ich weiß, du wirst ihn immer lieben. Ich hätte dich nicht küssen dürfen, aber... Grace, ich mag dich, ich empfinde etwas für dich und ich werde auf dich warten, bis du bereit bist mir eine Chance zu geben."

Er sah so hilflos aus, so verletzt. Als würde ich ihm gerade das Herz aus der Brust reißen. Ich schaffte es nicht, ihm in die Augen zu sehen. Ich musste verschwinden, brauchte Zeit für mich alleine um mir über einige Sachen klar zu werden.

„Grace", flüsterte Shawn leise, aber ich schüttelte nur den Kopf, drehte mich um und rannte davon. Es brach mir das Herz ihn einfach stehen zu lassen, doch die Situation war zu kompliziert. Er hatte mich geküsst und es hatte sich gut angefühlt. Gleichzeitig hatte ich aber unglaubliche Schuldgefühle Justin gegenüber, weil ich ihn immer noch liebte und immer noch an unsere Beziehung glaubte.

Als ich ein ruhiges Plätzchen gefunden hatte und weit genug von Shawn entfernt war, setzte ich mich in den Sand und starrte hinaus in die Ferne. Es wurde langsam dunkel, die Sonne war beinahe komplett verschwunden und der Wellengang beruhigte sich. Das leise Rauschen vom Wasser beruhigte mich ungemein. Der Horizont schien unendlich zu sein. Man sah nichts als Wasser und es war wirklich ein beeindruckender Anblick.

Wie gerne hätte ich diesen Sonnenuntergang mit Justin und unserer Tochter genossen. Er fehlte mir. Er fehlte mir so unglaublich, dass es in meiner Brust schmerzte. Auch, wenn ich weinen wollte, es klappte nicht. Tränen brachten nichts, sie halfen mir nicht weiter. Ich hatte es selbst vermasselt. Und wenn Justin erfuhr, dass Shawn und ich uns geküsst hatten, und dass es mir gefallen hatte, dann würde er mich nur noch mehr von sich wegstoßen.

Stundenlang saß ich im Sand und hörte dem Meeresrauschen zu. Es war ein wenig gruselig komplett alleine am Strand zu sitzen, wenn die Dunkelheit einen umhüllte, aber ich ertrug es nicht auf Shawn zu treffen. Ich wollte nicht, dass unsere Freundschaft zerstört wurde, weil er etwas für mich fühlte, was ich nicht erwidern konnte. Zumindest nicht in dieser Intensität.

Somit verbrachte ich die gesamte Nacht am Strand und schlief keine einzige Sekunde. Erst, als die Sonne aufging, machte ich mich auf den Rückweg zu unserem kleinen Häuschen. Ich schlenderte mit gesenktem Kopf hinein, lief durch die Küche und traf dort auch sofort auf Shawn und Andrew.

„Oh Gottseidank, da bist du ja! Wir haben uns Sorgen gemacht, Grace!", sagte Andrew erleichtert. Ich entschuldigte mich leise, ohne dabei Shawn anzusehen und holte mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank.

Lifeline - j.b.Where stories live. Discover now