Kapitel 27

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Justins Sicht:

Grace sah mich mit großen Augen an, als ihr Mund sich leicht öffnete und sie meine Frage noch einmal wiederholte.

„Warum ich keinen Freund habe? Wieso interessiert dich das?", fragte sie argwöhnisch.

Ehrlich gesagt liebte ich es, wie sie manchmal ein bisschen frech und ausfallend wurde. Es gefiel mir irgendwie, dass sie nicht zu der Sorte Frauen gehörte, die mir sofort verfallen war.

„Na ja... es wundert mich, dass so eine wunderschöne Frau wie du keinen Freund hat", erklärte ich ihr mit ehrlichen Worten und ich bereute es sofort, denn mein Gesicht lief knallrot an und auch Grace schien mit meiner Antwort überfordert zu sein.

Aber wenigstens hatte ich es geschafft, sie von ihrem schrecklichen Albtraum abzulenken.

„Ähm... danke", murmelte sie unsicher. „Ich habe keinen Freund, weil es nicht leicht ist einen Mann zu finden, der es akzeptiert, dass ich eine Tochter habe. Viele Männer mit denen ich ein Date hatte, haben sich nie wieder gemeldet, sobald ich ihnen von Josi erzählt habe."

Ich schüttelte fassungslos den Kopf, denn was ging nur in den Köpfen der Männer vor? Grace war eine großartige Mutter. Männer, die ihr Kind nicht akzeptierten, verdienten sie nicht.

„Ich kann nicht verstehen, wie man so ein süßes, liebes Mädchen nicht akzeptieren kann", murmelte ich leise.

Grace lächelte ein wenig und ihr Lächeln machte mich automatisch glücklich. Ihre Nähe reichte schon aus, damit es mir besser ging und die letzten schlaflosen Stunden kamen mir nicht mehr so schlimm vor.

Kein Auge hatte ich zugemacht, während Grace über drei Stunden lang seelenruhig geschlafen hatte - bis zu dem Albtraum.

„Ich beneide dich dafür, dass du eine kleine Tochter hast. Ich kann es ehrlich gesagt gar nicht erwarten selbst ein Kind zu haben. Es muss ein wunderschönes Gefühl sein, wenn das eigene Kind "Daddy" sagt. Manchmal wünsche ich mir das."

Grace kuschelte sich noch mehr unter die Decke, als würde sie stark frieren. Für einen kurzen Moment überlegte ich, ob ich meine Arme um sie legen sollte, um ihr Wärme zu schenken, aber ich ließ es bleiben. Nicht, dass sie sich bedrängt fühlte.

„Ein eigenes Kind zu haben bedeutet auch viel Verantwortung zu übernehmen. Manchmal ist es echt hart alleinerziehende Mutter zu sein", gestand Grace schüchtern.

Sie gähnte lautstark und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. So langsam war mir auch nach Schlafen zumute, aber sobald ich meine Augen schloss, sah ich Aubree vor mir. Und nach diesem Gespräch mit Grace konnte ich nur noch daran denken, dass sie ein Kind erwartete - von meinem verräterischen besten Freund. Und das hatte zur Folge, dass ich wieder koksen wollte.

Ich war wirklich ein Wrack.

„Du hast mir erzählt, dass Josi durch einen One Night Stand entstanden ist... hast du nie darüber nachgedacht ihren Vater zu finden?", wollte ich schließlich wissen. Ich wusste, dass es ein heikles und sehr privates Thema war, aber ich wollte einfach alles über Grace erfahren und über ihre Tochter.

Grace schaute kurz weg und spielte mit ihrer trockenen Nagelhaut. Dann wandte sie ihren Blick wieder zu mir.

„Ich habe darüber nachgedacht, aber dann habe ich gedacht, dass Josi und ich gut ohne ihn klarkommen werden. Und so ist es auch, wir sind ein gutes Team. Ich will inzwischen gar nicht mehr wissen, wer Josis Vater ist. Aber wenn Josi irgendwann ihren Papa suchen will, werde ich sie dabei unterstützen."

Ich ließ meine Hand auf meinem Oberschenkel ruhen, auch wenn ich kurz überlegte, ob ich Grace berühren sollte. Mein Blick glitt wie von alleine zu ihren Lippen. Aber ich durfte es mir mit ihr nicht verscherzen.

Lifeline - j.b.Where stories live. Discover now