Kapitel 9

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Justins Sicht:

Ich dachte noch den restlichen Tag über das Treffen mit Grace nach. Vor einer Woche war sie mit ihrer schwerkranken Tochter beim Meet & Greet gewesen und heute hatte ich sie beinahe angefahren. Wollte das Schicksal uns irgendetwas sagen? Gab es so etwas wie Schicksal überhaupt? Aber es konnte wirklich kein Zufall sein, dass Grace mitten auf der Straße saß, als ich angefahren kam.

Das Skateboardfahren mit Florido fand heute jedenfalls nicht mehr statt, dazu stand ich immer noch zu sehr unter Schock und war in Gedanken versunken.
Es tat in meinem Herzen weh, dass Grace so einen Schicksalsschlag erleiden musste. Sie war so jung und schon so eine tolle Mutter. Ich hatte ihr sofort angesehen, dass Josi der wichtigste Mensch in ihrem Leben war. Sie würde ihr Leben für ihre Tochter geben, da war ich mir absolut sicher. Doch leider war Josi diejenige, die ihr Leben geben würde. Und zwar an Gott. Und das viel zu früh.
So eine Krankheit war immer schrecklich und unfair, klar. Aber in einem Alter von vier Jahren war es noch viel unverschämter.
Ich musste Grace irgendwie unter die Arme greifen, ihr irgendwie helfen, damit ihre kleine Tochter eine Chance hatte.

Plötzlich klingelte mein Handy und ich nahm den Anruf entgegen, als ich sah, dass es Aubree war. Meine bezaubernde Tänzerin.
„Hey du, was gibt's?", fragte ich neugierig.
„Justin, bist du zuhause? Kann ich zu dir kommen?"
Ich tigerte durch das Wohnzimmer und der Gedanke an Grace war beinahe komplett verflogen. Die süße Stimme von Aubree zu hören, ließ mein Herz ein kleines bisschen höher schlagen.
„Ich bin zuhause. Ist irgendwas passiert?"
„Ich muss mit dir reden. Bin in dreißig Minuten bei dir", murmelte Aubree traurig.
Ich runzelte verwirrt die Stirn und steckte das Handy wieder in meine Hosentasche. Dann wartete ich eine halbe Stunde, bis ich Aubree die Auffahrt langgehen sah. Ich öffnete ihr breit grinsend die Tür und begrüßte sie mit einer Umarmung.

„Was ist los, Süße?", fragte ich Aubree, nachdem ich die Tür geschlossen hatte. Sie zog sich ihre Schuhe und Jacke aus und ging in mein Wohnzimmer. Ich folgte ihr schnell, weil ich wirklich neugierig war, was sie mir zu sagen hatte.
„Es gibt ein Problem und ich wollte dir davon persönlich erzählen, weil es die Stadion Tour betrifft und du mein Boss bist", sagte Aubree mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen.
„Ich bin nicht nur dein Boss, Aubree. Du weißt, dass du mit mir als Freund reden kannst. Jederzeit", versicherte ich ihr lächelnd.
„Ich werde nicht tanzen können", murmelte sie schließlich. Geschockt nahm ich ihre Hände in meine und schaute ihr tief in die Augen. Sie beobachtete mich unsicher, als würde sie erstmal meine Reaktion abwarten. „Ich bin schwanger."
Meine Kinnlade klappte runter. Aubree war schwanger? Das bedeutete, dass sie gar nicht tanzen konnte. Die komplette Tour über nicht. Meine wichtigste Tänzerin fehlte. Und noch etwas bereitete mir Sorge.
„Du bekommst ein Baby? Aber... das ist nicht von mir, oder?"
Ja, Aubree und ich hatten mal etwas am Laufen. Ich sah Aubree tief in die Augen und legte meine rechte Hand an ihre Wange. Sie zögerte mit ihrer Antwort, das war kein gutes Zeichen. „Aubree?"
Dann fing sie plötzlich an zu lachen und ich zog meine Hand von ihrem Gesicht weg.
„Justin, das mit uns ist fast ein Jahr her. Überleg doch mal."
Ich klatschte mir mit der flachen Hand an die Stirn und schüttelte den Kopf.
„Ich bin so dumm. Ich hab vergessen, dass du ja einen Freund hast. Süße, in welchem Monat bist du?"
„Im Dritten. Wenn die Tour weitergeht, bin ich im sechsten Monat schwanger. Ich werde nicht tanzen können. Es tut mir so leid, Justin", flüsterte Aubree leise. Sie schaute auf den Boden und verkniff sich die Tränen. Liebevoll legte ich zwei Finger an ihr Kinn und drückte es hoch, bis Sie mir in die Augen sah.
„Es muss dir nicht leidtun. Mir fehlt zwar jetzt die beste und süßeste Tänzerin, aber ich finde schon jemanden, der für dich einspringt", hauchte ich leise.
Aubree nickte lächelnd und fasste sich an den Bauch.
„Ich werde bei den Trainings noch dabei sein und die Neue, sofern du jemanden findest, beim Erlernen meiner Choreos unterstützen."
Lächelnd strich ich ihr eine Haarsträhne hinter das Ohr und legte meine Hand ebenfalls auf ihren Bauch.
„Du weißt, wie wichtig du mir bist, Aubree. Wenn du irgendwas für das Baby brauchst, dann sag mir Bescheid." Ich küsste ihre Wange und seufzte. „Du wirst eine großartige Mutter werden."
Aubree bedankte sich bei mir und verabschiedete sich dann leider schon. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht beobachtete ich sie aus dem Fenster, bis sie in ihren Wagen gestiegen war und losfuhr.

Lifeline - j.b.Where stories live. Discover now