Kapitel 15

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Grace' Sicht:

Seine Worte trafen mich wie ein Faustschlag ins Gesicht. Dass ich ihm nichts bedeutete – okay. Damit konnte ich leben. Aber, dass er das so einfach über Josi sagte, verletzte mich zutiefst. Als ich bei ihm war, dachte ich er würde sich auch Sorgen um Josi machen und es läge ihm viel daran, ihr Leben zu retten. Auch beim Meet & Greet dachte ich, dass er meine Prinzessin ins Herz geschlossen hatte, so wie er mit ihr umgegangen war. Und jetzt sagte er mir, dass sie ihm überhaupt nichts bedeutete? Ich wollte es nicht glauben. Wenn Josi das hören würde, dann würde ihre Welt zusammenbrechen.

„Achso, okay", murmelte ich traurig.

Das waren die einzigen Worte, die ich noch zu ihm sagte. Mit gesenktem Kopf ging ich zurück zum Tanzstudio und Nick hatte schon den Song angeschaltet. Die Tänzer trainierten schon wieder fleißig, nur Aubree hatte sich an den Rand gesetzt und schaute zu. Kurz überlegte ich, meine Tasche zu nehmen und einfach alles hinzuschmeißen, aber dann würde ich Josi enttäuschen. Wenn ich jetzt aufhörte, bedeutete es ihren Tod. Denn 6000$ reichten zwar, um die Therapie zu beginnen, aber es würden noch weitaus mehr Kosten in Zukunft auf uns zukommen. Deswegen blieb ich und reihte mich wieder in der ersten Reihe ein, um Nick perfekt zusehen zu können.

Justin betrat das Tanzstudio eine gute halbe Stunde nach mir. Er setzte sich an den Rand – mit extra viel Abstand zu Aubree – und starrte uns mit leerem Blick an. Seine Augen waren noch immer glasig und gerötet. Ich versuchte mir keinen Kopf darüber zu machen, sondern ging immer wieder mit den Tänzern die Choreografie durch. Morgen stand schon eine neue Choreografie auf dem Plan, weshalb die Schritte jetzt einwandfrei sitzen mussten.

Erst um halb neun abends machten wir Feierabend. Justin hatte das Training beendet und verschwand aus dem Studio, ohne noch etwas zu sagen. Ich verabschiedete mich freundlich von allen Tänzern und bedankte mich noch einmal dafür, dass wir die Choreo immer und immer wieder durchgegangen waren. Für Justins Crew war es bestimmt sterbenslangweilig gewesen, immer wieder das Gleiche zu tanzen, nur weil ich alles erstmal lernen musste.

Schon, als ich zwanzig Minuten später die Haustür öffnete, wusste ich, dass meine Tochter schon tief und fest schlief. Ich hatte ihr versprochen eine Geschichte vorzulesen, aber um diese Uhrzeit war sie nicht mehr wach. Und wenn sie noch wach sein sollte, dann musste ich ein ernstes Wort mit meiner Mutter sprechen, weil sie genau wusste, dass Josi spätestens um 20 Uhr schlafen sollte. Das schlechte Gewissen machte sich in mir breit, weil ich mein Versprechen gebrochen hatte und Josi bestimmt traurig eingeschlafen war. Es tat mir unendlich leid, aber ich hätte das Training nicht vorzeitig beenden können. Hoffentlich verstand sie wie wichtig es war, dass ich bis zum Schluss beim Training blieb. Hoffentlich wusste sie, dass ich das alles für sie machte.

Ich betrat das Wohnzimmer und stellte meine Sporttasche ab. Meine Mutter lächelte mich glücklich an und schaute kurz auf die Uhr.

„Das Training ging aber lange", stellte sie erschrocken fest. Wir hatten zehn Stunden trainiert und theoretisch musste man die halbe Stunde Pause noch mit dazurechnen. Ich war fix und fertig und meine Muskeln taten weh.

„Es ist nicht leicht die Choreos in der Kürze zu lernen. Aber es hat Spaß gemacht und ich bin froh, diese Chance bekommen zu haben", erzählte ich leise. „Josi schläft schon?"

Meine Mutter nickte.
„Sie hat geweint, weil du ihr nicht gute Nacht gesagt hast, aber ich konnte sie beruhigen."

Ich seufzte und wünschte meiner Mutter eine gute Nacht. Dann schleppte ich meine Sporttasche mit nach oben in mein Zimmer und stellte sie vor meinen Kleiderschrank. Ich packte die durchgeschwitzten Sachen aus, warf sie in den Wäschekorb und schmiss direkt Klamotten für den nächsten Tag hinein. Dann machte ich mich schon einmal bettfertig, duschte ausgiebig und kämmte meine Haare. Als ich meine Zähne fertig geputzt hatte, schlich ich mich noch einmal zu Josis Zimmer. Leise öffnete ich die angelehnte Tür und hockte mich neben ihr Bett.

Lifeline - j.b.Où les histoires vivent. Découvrez maintenant