Kapitel 3

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Justins Sicht:

„Bist du komplett durchgeknallt, Justin?!", brüllte Mikey aufgebracht, als er von seiner kurzen Spritztour wiederkam. Ich hatte nur halb mitbekommen, wie er das Mädel – ihr Name war Grace, soweit ich mich erinnern konnte – ins Auto geschleppt hatte, um sie ins Krankenhaus zu fahren. Währenddessen hatte ich es mir auf der Couch bequem gemacht und starrte auf den laufenden Fernseher. Um mich herum drehte sich alles, aufgrund des Alkohol. Das Schwindelgefühl hatte aber irgendetwas Vertrautes und Erholendes an sich.

„Alter, schrei nicht so", ermahnte ich meinen Bodyguard. Er schmiss den Autoschlüssel auf den Wohnzimmertisch und stampfte auf mich zu. Plötzlich packte Mikey mich am Kragen und drückte mich gegen die nächstgelegene Wand.

„Du hast dieses Mädchen bewusstlos geschlagen, Justin!"

Seine Stimme war laut und von Wut erfüllt, dabei verstand ich überhaupt nicht, was sein Problem war. Ich konnte mich jetzt schon kaum noch an diese Nacht erinnern, also brauchte er mich nicht anzuschreien. Morgen früh war sowieso die gesamte Erinnerung weg.

„Sie hat mich halt wütend gemacht", raunte ich genervt. Mikey drückte meinen Kragen fester gegen die Wand und ich bekam schwer Luft. Wehren tat ich mich trotzdem nicht.

„Sie ist ein unschuldiges Mädchen, Justin! So schlimm wie heute bist du noch nie ausgerastet", schrie Mikey wütend.

Er ließ mich los und scheuerte mir eine. Meine Wange brannte, aber ich wehrte mich immer noch nicht. Dieses Gespräch mit Mikey war nichts Neues für mich.

„Sie ist eine Schlampe aus einem Stripclub, also entspann dich mal. Die paar blauen Flecken", murmelte ich leise und ging in Richtung Küche.

Doch Mikey zog mich plötzlich zurück und schubste mich auf die Couch.

„Du hast es schon wieder getan oder?!", brüllte er mich an.

„Was getan?", fragte ich verwirrt. Mikey umfasste mein Kinn und drehte mein Gesicht zu sich, sodass er mir tief in die Augen schaute. Er schüttelte den Kopf und ließ von mir ab.

„Ich sehe es doch an deinen Pupillen! Du bist high!"

Ich lachte und zuckte mit den Schultern.

„Die Wirkung lässt langsam nach. Nerv mich einfach nicht, Mikey!", brüllte ich wütend. Dann stand ich von der Couch auf und rannte in mein Schlafzimmer. Dort schloss ich die Tür ab und fiel müde ins Bett. Es dauerte auch keine Minute da schlief ich tief und fest.

Am nächsten Morgen hörte ich Stimmen aus dem Flur, die mich hochschrecken ließen. Mein Kopf dröhnte so sehr, dass ich mir erstmal eine Kopfschmerztablette aus der Schublade meines Nachttisches holte. Ich war es schon gewöhnt morgens mit Kopfschmerzen aufzuwachen, deswegen hatte ich mir irgendwann die Tabletten direkt in meinen Nachttisch gelegt, um nicht aufstehen zu müssen. Die letzten Tage waren eine einzige Routine gewesen.

Ich arbeitete, entweder im Studio oder zuhause, indem ich neue Texte schrieb. Danach traf ich mich mit Freunden im Park oder – wer hätte es gedacht – zuhause. Und der Tag endete in irgendeinem Club, wo ich mir eine Frau aufriss. Nicht immer hatte ich Sex, manchmal reichte es mir auch schon nur im Club ein bisschen mit einer Frau zu tanzen, aber doch... es endete relativ oft mit Sex. Und jeden Morgen wachte ich mit einem dröhnenden Schädel auf. Aber dieses Leben machte mich glücklich. Der Rausch jeder Nacht machte mich glücklich.

„Es kann so nicht weitergehen", hörte ich jemanden leise sagen. Eindeutig mein Manager. Scooter schnaufte lautstark. „Er hat sie wirklich zusammengeschlagen?"

Ich erinnerte mich nicht mehr daran irgendwen zusammengeschlagen zu haben. Die ganze Nacht war wie ausgelöscht in meinem Kopf. Es war nicht das erste Mal, dass ich einen totalen Filmriss hatte. Ich hatte mir schon oft solche Komplettabstürze geleistet, aber es war noch nie so schlimm wie heute. Normalerweise wusste ich noch grob in welchem Club ich gefeiert hatte und mit welchem Mädchen ich rumgemacht hatte, aber in meinem Kopf war nichts als Leere.

Lifeline - j.b.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt