Kapitel 89

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Grace' Sicht:

Als der Arzt diese Worte ausgesprochen hatte, ballte sich die gesamte Wut in mir und ich wollte Justin meine Faust am liebsten sofort in sein schönes Gesicht schlagen.
Alkohol. War das sein Ernst?
Seit Wochen war er clean, nahm keine Drogen mehr und trank keinen Tropfen Alkohol und jetzt, so kurz vor der Spende, musste er dieses Zeug wieder bechern?
Meine Wut, und die damit verbundene Enttäuschung, stieg ins Unendliche. Für einen kurzen Moment war es vergessen, dass Justin mich verlassen und mir das Herz gebrochen hatte. Jetzt ging es nur noch darum, dass meine Tochter immer schwächer wurde und jeden Moment sterben könnte.

Ich biss mir auf die Unterlippe, um mir den Schrei nach Justin zu unterdrücken. Josi sollte nicht mitbekommen, was hier gerade passierte und welche Worte ich ihm an den Kopf knallen würde.
Stattdessen beobachtete ich die Beiden weiter und lächelte kurz, als Josi tief und fest schlief und Justin endlich aufstand und zur Tür kam.
„Justin", murmelte ich leise, denn er wollte abbiegen und mich ignorieren.
Abrupt blieb er stehen, weil er die Tür von Josis Zimmer hörte, die ich gerade schloss.

„Was willst du?", fragte Justin mich genervt. Seine kalte, belanglose Stimme verletzte mich, denn vor ein paar Tagen hätte er nicht so mit mir gesprochen. Aber unser Stress interessierte gerade nicht. Alles was zwischen uns stand war unwichtig. Darum konnten wir uns kümmern, sobald es unserer Tochter wieder gut ging.
„Du hast gesoffen, Justin!", sagte ich etwas lauter als sonst. Justin lachte nur und fuhr sich durch die Haare, die in allen Richtungen abstanden.
„Und? Was interessiert's dich was ich tue?"
Wütend ging ich einen Schritt auf ihn zu und zeigte auf die geschlossene Tür von Josi.
„In diesem Zimmer liegt deine Tochter! Deine sterbende Tochter! Und ich frage mich gerade, wieso Josi es verdient hat wegen deiner gottverdammten Dummheit noch länger leiden zu müssen!", brüllte ich aufgebracht.

„Meiner Dummheit?!", schrie Justin erbost. „Josi liegt hier überhaupt erst, weil DU die Dumme von uns bist! Du hast dich geweigert ihr zu helfen, indem du jahrelang deine Klappe nicht aufgerissen hast! Wenn du die Wahrheit gesagt hättest, dann würde Josi hier vielleicht nicht liegen und wäre schon gesund!"
Ich hatte Tränen in den Augen und schüttelte fassungslos den Kopf. Wie konnte er mich nur so anschreien?

„Sei eingeschnappt, weil ich dir die Wahrheit nicht gesagt habe. Okay. Aber das hat überhaupt nichts damit zutun, dass du gesoffen hast und das Leben von Josi gefährdest! Sie könnte jeden Moment sterben, Justin! Weil dir die Spende scheiß egal ist und du lieber deinen scheiß Alkohol trinkst! Was..."
Justin unterbrach mich mit einem lauten Schnaufen und ich zuckte zusammen, als er auf mich zukam und dicht gegenüber stand.
„Du denkst mir ist die Spende egal?! Ich habe meine Tour abgebrochen und bin nach LA gekommen, weil ich Josi das Leben retten will! Ich will mit meiner Kleinen noch bis an mein Lebensende Zeit verbringen und will ihr beim Erwachsenwerden zusehen! Ich will die Zeit mit ihr aufholen, die DU. MIR. GESTOHLEN. HAST!"
Justin hatte einen Hass in seinen Augen, der mir wirklich Angst machte. Er stieß gegen meine Schultern, um mich aus dem Weg zu schubsen, aber stattdessen knallte ich gegen die Wand und stöhne schmerzerfüllt auf. Sein Stoß erinnerte mich an die Nacht im Club, in der er gewalttätig geworden war.
Tränen schossen in meine Augen und Justin starrte mich geschockt an, aber er entschuldigte sich nicht. Stattdessen stampfte er weg und ich musste mich zusammenreißen, nicht loszuheulen.

„MOMMY!", brüllte Josi auf einmal. Auf einmal waren meine Gedanken nur noch bei meiner Tochter. Josi lag kreischend im Bett und klammerte ihre Arme um den Körper.
„Schätzchen... mein Schatz... hey, alles ist gut" hauchte ich leise, aber das Kreischen meiner Tochter wurde lauter und qualvoller. Tränen liefen über meine Wangen, denn sie ließ sich nicht beruhigen.
„Es tut weh! Mommy!"
Sie schrie und schluchzte und ich konnte nichts dagegen tun. Das Blut rauschte durch meine Adern, mir wurde heiß und schwindelig.
Josi kochte. Ihr Körper glühte und Schweißperlen standen ihr auf der Stirn. Trotzdem zitterte sie am ganzen Körper.

Lifeline - j.b.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt