Komplikationen

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Jaime

,,Wir haben mehrere Möglichkeiten."
Allana blickte müde auf und bedeutete mir schweigend fortzufahren.
Im Moment befanden wir uns am Boden sitzend in einem leeren Klassenzimmer. Draco hatte uns zwar betroffen angeblickt, als Allana und ich aufgestanden waren und den Gemeintschaftsraum verlassen wollten, doch ich hatte ihm mehr als nur bestimmt gesagt, dass wir etwas Zeit brauchten, um mit dieser neuen Situation umzugehen. Denn soeben hatte sich unsere Lage komplett verändert. Obwohl ... "verändert" war der falsche Begriff dafür. "Verkompliziert". Das passte besser.
Wir waren eilig in einen unbenutzten Klassenraum gegangen und ich hatte mich gesetzt und an die Wand gelehnt, während Allana rastlos durch den Raum geschritten war. Erst nach mehreren Minuten hatte sie sich neben mir auf dem Boden niedergelassen. Und so hatten wir beide in vollkommener Stille gesessen, die Knie angewinkelt und den Blick auf die Wand vor uns gerichtet.
Doch nun musste eine Entscheidung getroffen werden. Wir wussten, was Dracos Auftrag war. Dies konnten wir keineswegs ignorieren oder uns so verhalten, als hätte das Gespräch nie stattgefunden. Wir waren jetzt direkt betroffen und würden aktiv handekn müssen. Nur wie?

Ich räusperte mich unbehaglich.,,Die erste Möglichkeit wäre, dass wir Dumbledore erzählen, dass Draco ihn umbringen will."
,,Daraufhin wird Draco für Jahre nach Askaban gebracht werden", meinte Allana dumpf. Sie hatte über diese Möglichkeit also bereits nachgedacht.
,,Korrekt. Die zweite Möglichkeit wäre, dass wir verhindern, dass Draco Dumbledore tötet."
,,Dumbledore bleibt Schulleiter. Und Voldemort ... er wird Draco für sein Versagen umbringen." Ihre Stimme klang hoffnungslos, als sie dies sagte. Denn nun blieb uns nur noch eine Alternative.
Allana und ich wussten beide, dass Draco keineswegs die notwendigen magischen Fähigkeiten besaß, um Dumbledore Schaden zuzufügen - erst recht nicht, wenn er zusätzlich noch gegen uns ankommen musste. Draco würde keinen Erfolg haben. Zumindest nicht ohne weitere Hilfe. Er brauchte uns an seiner Seite.
,,Korrekt. Die dritte Möglichkeit wäre ..." Ich stockte und schluckte mühsam, denn meine Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. Ich wollte die nächsten Worte nicht über die Lippen bringen. Aber ich musste. Ich holte tief Luft. ,, ... wir unterstützen Draco dabei, Dumbledore zu töten."
Mehrere Sekunden vergingen, in denen Allana schwieg. Dabei schweifte ihr Blick ins Leere und sie zwirbelte eine dunkle Haarsträhne um ihren Finger. Endlich ergriff sie ungewohnt sachlich das Wort: ,,Voldemort würde die Macht in ganz Großbritannien an sich reißen. Er wäre ohne Dumbledore als Gegner unbesiegbar."
,,Korrekt." Ich blickte meine Schwester an. ,,Aber Draco würde leben."
Daraufhin brach Allanas starr nach vorne gerichteter Blick und durch die Risse sah ich ihre zarte, verletzliche Hoffnung und ihre Sehnsucht, dass Draco tatsächlich unbeschadet bleiben würde. Gleichzeitig war da eine Welle aus Scham und Verachtung für sich selbst. ,,Glaubst du, es gibt bei dieser Wahl richtig oder falsch?", fragte sie leise. ,,Gut oder böse? Ich meine ... Wie können wir nur gute Menschen sein, wenn wir das Wohl einer einzelnen Person über das von tausenden stellen?! Das- allein schon, dass ich so über diese Möglichkeit nachdenke, sollte mich zutiefst anwiedern."
Und ich hatte keinen Zweifel, dass es sie tatsächlich anwiederte. Aber nicht so sehr, wie es sollte. Genau wie auch mich der bloße, zutiefst egoistische Gedanke erschrecken und anekeln sollte. Das tat er auch. Viel zu sehr. Aber diese Emotionen mussten beiseite geschoben werden. Allein Dracos Rettung zählte.
,,Wir sind weder gut noch böse!", erklärte ich ihr eindringlich. ,,Das Universum lässt sich nicht in schwarz und weiß einteilen, sondern besteht aus Millionen von Facetten. Letztendlich ... letztendlich handeln wir weder gut noch böse ... sondern einfach nur menschlich."

Und damit war unsere Entscheidung gefallen. Wir waren keine Helden. Wir handelten nicht für das größere Wohl oder irgendwelche hohen Ideale. Wir waren egoistisch, beeinflusst von unseren Emotionen, menschlich.

,,Wir helfen dir", meinte Allana später mit fester Stimme zu Draco.
,, ... aber unter einer Bedingung", fügte ich hinzu. Allana nickte entschlossen. ,,Genau. Du wirst uns alles über deine Pläne erzählen. Jede noch so kleine Kleinigkeit."
,,Wenn nicht ... nun, dann ist diese Hilfe pasé." Ich schnippte zur Verdeutlichung meiner Worte einmal mit den Fingern.
Draco blickte zwischen uns hin und her. Er schien nun wesentlich gefasster zu sein als zuvor, trotzdem trübten dunkle Wolken seinen Blick. ,,Seid- seid ihr euch da wirklich sicher?"
,,Ja", antwortete Allana für uns beide.
Nun sind wir seine Komplizen.

Seine Erben (2)Where stories live. Discover now