Macht und Kontrolle

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Allana

Ich wagte es kaum zu atmen. Voldemort stand im Türrahmen. Eine Figur, die einem Albtraum entsprungen sein konnte. Um ihn herum brodelte Magie. Kleine Funken tanzten in der Luft, die auf einmal elektrisch aufgeladen zu sein schien. Voldemort wirkte furchteinflößender als ich ihn jemals erlebt hatte. Absolut Beängstigend.
Greyback hatte sich am Boden zusammengekauert, die Schultern hochzezogen, den Kopf als stummes Zeichen von Unterwerfung gesenkt. Er war nicht mehr ein gefährlicher Werwolf, sondern nur noch ein vor Angst zitternder Hund, der seinen Herren um Vergebung anbettellt. Doch diese Gnade gewährte Voldemort ihm nicht.
Voldemort zerrte Greyback grob auf die Beine und wirkte dann einen Schwebezauber, sodass dieser aus meiner Zelle befördert wurde. Voldemort warf mir einen letzten ausdruckslosen Blick zu, als er aprupt die Tür hinter sich schloss. Und von draußen hörte ich nun die Schreie des Werwolfs.
Fast glaubte ich tatsächlich zu sehen, wie Greyback wimmernd auf dem Boden lag, während Voldemort ihn unerbittlich mit dem Cruciatus-Fluch folterte. Ich presste mir die Hände auf die Ohren, trotzdem konnte ich die Schreie keineswegs ausblenden.
Das Geschrei von Greyback schien weitere Todesser angelockt zu haben, denn ich vernahm schlürfende Schritte und das leichte Knarzen von Holz.
,,Sogar ein Halbblut sollte eigentlich wissen, dass man meinen Anweisungen Folge leisten sollte ... beim nächsten Mal wirst du dich nach meinen Befehlen richten, ist das verstanden, Hund?", fragte Voldemort eigentümlich ruhig. Auch seine Stimme war leiser als gewöhnlich und ich drückte mein Ohr an die hölzerne Tür, um seine Worte besser zu verstehen.
Greyback würgte ein schwaches ,,Ja, Herr", hervor.
Ein höhnisches Lachen ertönte unweit von mir entfernt und für einen Augenblick glaubte ich wieder im Ministerium zu sein ... in dem Moment, wo sie Sirius umgebracht hatte. Bellatrix Lestrange. Ich ballte die Hand zur Faust und schlug voller Wut gegen das robuste Holz der Tür. Natürlich passierte nichts, außer dass ein scharfer Schmerz meine Hand durchzuckte.
,,Ah", meinte Voldemort dann nach einigen Sekunden, offensichtlich an einen der Todesser gewandt. ,,Sieh mal einer an, wer sich zu uns gesellt ... Ich hoffe, dein Arm schmerzt nach der gestrigen Zeremonie nicht allzu sehr."
Diesmal lachte nicht nur Bellatrix, sondern auch mehrere weitere Todesser. Bestimmt Fünf oder Sechs von ihnen.
,,Du solltest dich geehrt fühlen", zischelte Bellatrix halblaut. ,,Zu meiner Zeit, da-"
,,Es reicht, Bellatrix", meinte Voldemort schneidend.
,,Ja, Herr", hörte ich Bellatrix' gedämpfte Antwort.
,,Nun ... fühlst du dich geehrt?", hakte Voldemort nach und ich konnte den Hohn in seiner Stimme wahrnehmen. Allein schon diese grausige Genugtuung, die er offensichtlich verspürte, verschaffte mir Übelkeit.
Eine hastig gemurmelte Antwort war zu hören.
,,Daran werden wir noch arbeiten müssen."
Erneutes, verhaltenes Gelächter.
,,Geht jetzt", zischelte Voldemort plötzlich und seine Stimme klang nun viel bedrohlicher als noch zuvor.
Mehrere Schuhe klapperten eilig über den Boden.
,,Nein - nicht du", befahl Voldemort auf einmal und ich hörte das erleichterte Aufatmen eines anderen Todessers, dicht neben der Tür. Auch er entschwand jedoch nun eilig.
Nun waren nur noch zwei Personen in dem Gang: Voldemort und der Todesser. Ich presste das Ohr an die Tür und versuchte angestrengt zu lauschen.
,,Es geht um deinen Auftrag ... mir scheint, du bist in dieser Hinsicht noch nicht ... zielgerichtet genug."
Ich hörte Schritte, die immer näher kamen und zwar genau auf mich zu! Ich riss die Augen auf und brachte rasch den größtmöglichen Abstand zwischen mir und der Tür.
Und die Tür schwang auf. Zuerst erkannte ich nur die Gestalt von Lord Voldemort, der nun spöttisch seinen Begleiter bedeutete, die Zelle zu betreten. Ich holte zischend Luft, als ich den Todesser erkannte: Dracos Gesicht wirkte im fahlen Licht bereits unnatürlich bleich, doch als er mich erkannte, wurde er weiß wie ein Gespenst. Seine Gesichtszüge drohten zu entgleisen, seine Augen waren aufgerissen. Er öffnete den Mund, wie um etwas zu sagen, doch kein Laut entwich seinen Lippen.
Voldemort betrachtete die Szenerie voll boshaften Vergnügen.
,,Al-", brachte Draco schließlich hervor und streckte eine bebende Hand in meine Richtung aus, nur um sie dann schnellstmöglich zurückzuziehen. Als wollte er nicht, dass Voldemort diese vertraute Geste bemerkte.
Ich schenkte Draco ein zittriges Lächeln. Reiß dich zusammen!, ermahnte ich mich. Du darfst vor Voldemort keine Schwäche zeigen! Und auch nicht vor Draco, denn Voldemort würde dessen Angst um mich garantiert für seinen Vorteil ausnutzen! Ich durfte Voldemort keine Kontrolle über Draco geben! Denn ich wusste im Gegensatz zu Draco, dass Voldemort mir nichts antun konnte, schließlich waren Jaime und ich für sein Überleben mitverantwortlich!
Ich nickte Draco fest zu.
Gleichzeitig beschlichen mich jedoch augenblicklich erste Zweifel an meiner eben aufgestellten Theorie. Würde Voldemort mich tatsächlich verletzen oder sogar töten, wenn Draco diesen "Auftrag" nicht zuende brachte? Würde er so weit gehen? War dieser "Auftrag" tatsächlich so wichtig? Schließlich hatte Voldemort einige Mühen auf sich genommen, um mich zu ihm zu holen. Wenn ich sterben sollte, hatte er außerdem immer noch Jaime ...
Was genau war Voldemorts Plan? Und was hatte das alles mit Dracos "Auftrag" zu tun?
,,Hallo, Draco", nuschelte ich, den Blick starr nach vorne gerichtet.
Draco presste ebenfalls ein schwaches ,,Hi" hervor. Sein Blick wanderte sichtbar ängstlich zu Voldemort, dessen rote Augen jedoch geradewegs auf mich gerichtet waren. Ich gab mein Bestes, diesen stechenden Blick zu ignorieren, trotzdem konnte ich das rote Blitzen, das ich aus den Augenwinkeln wahrnahm, nicht ausblenden. Ein Schauer rieselte über meinen Rücken.
Mehrere Sekunden sagte niemand von uns ein Wort. Dracos furchtsamer Blick lag mal auf mir, mal auf Voldemort. Einen Moment lang schien er etwas sagen zu wollen, doch in Anwesenheit von Voldemort hatte ihn jeder Mut verlassen Ich bemühte mich weder Draco noch Voldemort anzublicken und konzentrierte mich stattdessen angestrengt auf einen kleinen Schmutzfleck an der Wand hinter Draco. Doch trotzdem bewirkte eine unsichtbare Kraft, dass meine Augen immer wieder zu meinen Gegenüber wanderten.
Die Spannung im Raum war förmlich mit Händen zu greifen.
Ich nahm all meinen Mut zusammen. ,,Darf ich fragen, was es mit diesem Teffen auf sich hat?", fragte ich Voldemort mit bemüht fester Stimme. Trotzdem konnte ich ein Zittern nicht verhindern.
Draco schnappte nach Luft, geschockt, dass ich Voldemort so offen ansprach.
Auf dessen Gesicht bildete sich ein kaltes, berechnendes Lächeln. ,,Es sei dir erlaubt. Malfoy." Er blickte ihn nur einen Sekundenbruchteil an. ,,Raus."
Doch Draco rührte sich nicht. Er starrte mich noch immer an. In seinen Augen lag Angst. Angst um mich.
Ich machte einen winzigen Schritt auf ihn zu. ,,Draco", flüsterte ich so leise ich konnte. ,,Bitte geh. Alles ist gut."
Das war die Untertreibung des Jahrtausends.
Draco blinzelte.
,,Draco ...", zischelte Voldemort und seine Stimme hatte einen bedrohlichen Klang angenommen. ,,RAUS!"
Ich nickte meinem Freund zu und versuchte ein beruhigendes Lächeln.
Endlich drehte er sich um und verließ eilig das Zimmer. Bevor er die Tür hinter sich schloss, warf er mir einen entschuldigenden Blick zu.
,,Ich muss zugeben, es kam ... unerwartet, als du mich gerufen hast", meinte Voldemort schließlich und seine Augen bohrten sich wie glühende Kohlen in die meinen. ,,Ich hatte dich nicht so eingeschätzt ... einfach Lord Voldemort um Hilfe zu bitten." Er unterzog mich einer genauen Musterung.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Unter seinem Blick war mir mehr als nur unwohl zumute. ,,Ich hatte nicht wirklich eine Wahl. Ich versichere dir, es wird kein zweites Mal geschehen."
Seine Augen lag noch immer auf mir und ich kam mir so schutzlos vor ... Im Ministerium hatte ich wenigstens noch meinen Zauberstab gehabt, doch hier ...
,,Wie dem auch sei ... der Grund deines Aufenthalts hier im Manor ist ein anderer."
Ich sah, wie sehr er es genoss. Das Wissen, die Kontrolle zu haben. Die Fäden in der Hand zu halten und die Spielfiguren tanzen zu sehen, die doch alle so naiv, so unwissend, so gewöhnlich waren.
,,Hat es etwas mit Dracos Auftrag zu tun?", platzte es aus mir heraus.
Voldemort begann kalt zu lächeln. ,,Dies mag auf den ersten Blick den Anschein erwecken ... und ich gebe zu, es ist ein nützlicher Nebeneffekt, dass sich der Malfoy-Junge so um dich sorgt ... aber dies war nicht meine alleinige Intention ..."
Er begann um mich herumzugehen und ließ mich dabei nicht aus den Augen. Ich starrte stur auf die unbearbeitete Wand vor mir.
,,In erster Linie ging es bei diesem Vorgehen um dich", zischte er und stand nun direkt vor mir.
Ich blickte auf. ,,Um mich?" Mein Mund war auf einmal ganz trocken.
,,Mir ist bereits aufgefallen, dass du außergewöhnlich eigensinnig bist ... schwer einzuschätzen ... schwer unter Kontrolle zu bringen ... keinesfalls so besonnen wie dein Bruder es zu sein scheint", erklärte er zischelnd. Seine Augen ruhten weiterhin auf mir. ,,Irgendwann wird die Zeit kommen, wo wir Zauberer uns erheben ... es wird Krieg geben. Und solltest du bereits jetzt versuchen dich mir in den Weg zu stellen ..." Sein Blick wurde merklich dunkler. ,,Der Malfoy-Junge ist einer meiner Todesser. Er ist an mich gebunden, ich verfüge über ihn ... natürlich denkt er, naiv wie er ist, dass ich dich benutze, um ihn zu kontrollieren ... aber dem ist nicht so."
Er blickte mich an und ein schmales Lächeln zog seinen farblosen Mund in die Breite.
,,Du benutzt ihn, um mich zu kontrollieren", murmelte ich ausdruckslos.

Seine Erben (2)Where stories live. Discover now