Das Waisenhaus

2.7K 215 60
                                    

In den Büchern befindet sich der Horkrux im Anwesen der Gaunts und nicht wie bei mir im Waisenhaus. Das ist also eine Änderung zu den Büchern, die für mich einfach besser gepasst hat. (Und ganz ehrlich, war ich - verpeilt wie ich bin - zu Anfang davon überzeugt, dass der Horkrux tatsächlich im Waisenhaus war. Jaaaa ... jedenfalls ...) Viel Spaß beim Kapitel!

Allana

Sorgfältig befestigte ich den Zauberstab an einer speziellen Halterung an meiner Hose und prüfte kurz, ob ich ihn im Ernstfall schnell erreichen konnte. Die braunen Haare hatte ich mir zu einem Pferdeschwanz gebunden und den magischen Kompass an meinem Gürtel geschnallt.
,,Glaubst du, dass Todesser den Horkrux bewachen könnten?", rief ich Jaime durch die Badezimmertür zu.
,,Keine Ahnung, aber vermutlich nicht!", kam seine prompte Antwort aus dem Bad geschallt. Kurz darauf öffnete sich die Tür.
Jaime trug ein dunkles T-Shirt, Jeans und hatte sich eine Sonnenbrille aufgesetzt. Seine immer länger werdenden schwarzen Haare waren im Nacken zusammengebunden, damit sie ihm nicht dauernd in die Augen fielen. Wie auch ich hatte er den gestrig erworbenen Zauberstab am Oberschenkel befestigt.
,,Ich glaub, die Sonnenbrille brauchst du heute nicht", meinte ich trocken und deutete nach draußen. Dort waren dunkle Gewitterwolken am Himmel, die bereits bedrohlich tief über London hingen. Jaime zog einen Schmollmund. ,,Aber sie sieht cool aus!" Er seufzte theatralisch und legte die Sonnenbrille auf dem Esstisch ab.
Eine fehlende "coole" Sonnenbrille wird heute unser geringstes Problem sein.
Ich rollte die Augen, konnte mir jedoch ein kleines Grinsen nicht verkneifen. ,,Komm schon, du Drama-Queen, wir haben einiges vor."

Umso näher wir der Gegend kamen, wo wir den Horkrux vermuteten, desto nervöser wurde ich. Ein Teil von mir wollte wieder umkehren, mich nicht in diese drohende Gefahr begeben. Aber hier und jetzt bot sich zum ersten Mal die Chance, Voldemort womöglich entscheidend zu schwächen. Wir konnten dies bewerkstelligen. Allein wir! Ein seltsames Hochgefühl ergriff von mir Besitz, als ich darüber nachdachte, dass Jaime und ich das seltene, nein, einmalige Privileg besaßen, Voldemort Schaden zuzufügen. Wir könnten für seinen erneuten Fall verantwortlich sein!
Wir würden unseren eigenen Vater umbringen.
Ich stockte mitten in der Bewegung. Aus dieser Perspektive hatte ich es noch nie wirklich betrachtet. Nicht nur wollten wir Jemanden töten, nein, wir planten unseren letzten noch lebenden Verwandten umzubringen!
Zu was machte uns das?
Jaime hatte mir erzählt, dass Voldemort seinen eigenen Vater getötet hatte. Nun verfolgten wir die gleiche Absicht. Würde dieser Mord ebenfalls Monster aus uns machen?
Aber Voldemort hatte seinen Vater aus purer Gier nach Macht, aus einem reinen Gefühl der Überlegenheit getötet. Dies unterschied uns vom ihm.
Wir hingegen ... Ich biss mir auf die Lippe. Argumente wie "es ist das einzig Richtige", "für den Frieden in der Welt der Zauberer", "für das größere Wohl" kreisten leicht wie ein Windhauch in meinem Kopf. Beschönigende, heroische, tugendhafte, leere Worte, denn das waren sie: nur bewegte Luft.
Und ich musste auch einsehen, dass ich Voldemorts Absichten zu unreflektiert dargestellt hatte.
Es war ihm nicht darum gegangen, dass er seine Macht gezeigt hatte, dass er den Muggeln überlegen gewesen war - zumindest nicht nur. Nein, konnte es sein, dass ein anderes, so viel mächtigeres Motiv eine alles entscheidende Rolle gespielt hatte? Und wenn ja, was konnte das für ein Motiv gewesen sein? Die vermeintliche Antwort darauf fiel mir erstaunlich leicht: Konnte es ... Hass gewesen sein? Hass, weil sein muggelgeborener Vater ihn nach der Geburt zurückgelassen hatte? Hass, weil er deswegen im Muggelheim aufgewachsen war? Hass, weil er nie eine Familie gehabt hatte?
Und nun wusste ich auch, warum wir Voldemort umbringen wollten: Er hatte Cedric, Sirius und Selena getötet, unsere gesamte Familie. Er versuchte uns zu manipulieren, bedrohte Personen, die uns etwas bedeuteten und übte mit grausamer Geschicklichkeit Macht über uns aus.
Letztendlich erkannte ich auch, dass uns alle das gleiche Motiv zum Vatermord antrieb. Denn genauso sehr Voldemort seinen Vater gehasst hatte, genauso sehr hassten wir auch ihn.

Seine Erben (2)Where stories live. Discover now