Familientreffen

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Jaime

Sag einfach nichts mehr, sag einfach nichts mehr, flehte ich inständig.
Sirius' Miene wechselte von grimmig zu verwirrt, dann zu argwöhnisch.
Ich sah seinen angespannten Gesichtszügen an, dass er das Wort "Familientreffen" im Geiste wiederholte. Seine Brauen zogen sich zusammen.
Allana und ich wechselten einen panischen Blick. Würde Voldemort noch mehr offenbaren? Würde er Sirius unser schlimnstes Geheimnis verraten?
Ich schluckte mühsam und spürte, dass mein Atem schneller ging. Wie würde Sirius reagieren? Würde er wüten und toben? Würde er bleich wie ein Gespenst werden? Würden ihm die Worte für diese Ungeheuerlichkeit fehlen? Würde er Voldemort rasend vor Zorn angreifen, würde er anfangen zu schreien, würde er sich von uns abwenden, würde er uns verabscheuen, würde es ihm innerlich das Herz brechen?
Die letzte Frage, war die einzige, die ich eindeutig beantworten konnte: Ja. Ja, es wird ihm das Herz brechen.
Selbst wenn Sirius äußerlich mit der Wahrheit über uns klarkommen würde, wäre er innerlich zerbrochen.
Als würde er durch unsere perfekt aufgesetzten Masken blicken. Nur ein Scherbenhaufen.

Voldemort beobachtete Sirius' verwunderte Reaktion ebenso genau wie wir. Sein Blick war gierig. ,,Sie haben es dir nicht gesagt", stellte er höhnisch fest. Seine lauernden Augen fielen nun wieder auf uns. ,,So voller Geheimnisse ..." Er lachte kalt auf und mich überlief ein Schauder. ,,Und vielleicht doch mehr Slytherin als ich angenommen habe", fügte er mit einem abschätzenden Blick auf Allana hinzu. Diese schlug die Augen nieder.
Sirius runzelte die Stirn. Seine Zauberstabhand war bereits deutlich gesenkt und bebte kaum merklich. Seine Wachsamkeit konzentrierte sich nicht mehr auf Voldemort, sondern nur auf dessen Worte.
,,Hör nicht auf ihn, Sirius!", platzte es aus mir heraus, ,,er versucht dich zu manipulieren!"
Ein kurzer Wink von Voldemorts Zauberstab und plötzlich war meine Atmung angeschränkt, als würde eine Hand meine Luftröhre zusammendrücken. Ich begann panisch zu röcheln.
,,Du solltest wirklich lernen, wann du zu reden hast und wann nicht, James", meinte Voldemort. Ich umfasste mit beiden Händen meinen Hals und versuchte verzweifelt zu atmen, aber da war keine Luft mehr! Weiße Punkte tanzten vor meinen Augen und ich fiel auf die Knie. Neben mir hörte ich, dass Allana ihren Zauberstab blindlungs neben mir fallen gelassen hatte und mich nun verzweifelt schüttelte. ,,Atmen, Jaime, du musst atmen!", weinte sie und umfasste mit beiden Händen mein Gesicht.
Endlich verschwand der Druck an meiner Kehle. Ich sank hustend und nach Luft schnappend zu Boden und sog den Sauerstoff gierig ein. Allana hielt mich fest.
Voldemort musterte mich nur unberührt.
Irgendwie schaffte ich es mich aufzurappeln. Allana hielt mir ihre Hand hin und ich drückte sie. Ihre Finger waren warm und weich und sie schickte einen kurzen Energiestoß an positiven Gefühlen durch unsere telepathische Verbindung. Für einen kurzen Moment kam mir unsere Situation nicht mehr ganz so hoffnungslos vor.
Trotzdem wusste ich, dass sie genauso verzweifelt war wie ich. Dafür zitterten ihre Hände viel zu sehr.
Voldemort feixte bösartig. ,,Wie rührend ist doch die Liebe von Zwillingen!", meinte er höhnisch mit einem abschätzenden Blick auf unsere verschränkten Finger. ,,Aber davon konntest du nur träumen, nicht wahr, Black?", zischte er kalt.
Mein Mund wurde staubtrocken, was nichts mit dem Umstand zu tun hatte, dass mir bis eben noch die Luftröhre zugeschnürt worden war. Selbst das Schlucken fiel mir schwer.
Unser Untergang beginnt jetzt.
Sirius' Kopf ruckte in Voldemorts Richtung. ,,Woher weißt du das?!", verlangte er barsch zu wissen. Und dann noch lauter: ,,Woher weißt du, dass sie Zwillinge sind?!"
Bitte, sprich einfach nicht weiter, bitte, sprich einfach nicht weiter, bitte-
,,Oh, ich weiß alles über die kleinen Kinder deiner Schwester. Wirklich ein Jammer, dass Selena sterben musste."
Sirius heulte auf und ein dunkler, bestialischer Ausdruck legte sich in seine braunen Augen. Wie ein Hund, der zum Angriff ansetzt, alle Sinne geschärft, die Muskeln zum Zerreißen gespannt. Instinktgesteuert.
Sein Zauberstab peitschte durch die Luft und eine Reihe von machtvollen Zaubern tobten auf Voldemort zu. Doch dieser wehrte sie mit vollendeter Präzision ab. Dann antwortete Voldemort mit einem wahren Donnerwetter an Flüchen, einer bösartiger und kraftvoller als der vorherige.
Bereits nach dem zweitem Zauber brach Sirius' hastig aufgesteller Protego in sich zusammen. Unser Onkel sank, von einem anderen Zauber getroffen, keuchend auf die Knie. Er hielt sich mit schmerzverzerrten Gesicht den Bauch.
Voldemort schnippte einmal mit den Fingern und die übrigen Zauber lösten sich augenblicklich auf.
Allana löste sich von mir und wollte zu Sirius laufen, doch Voldemort hob nur in einer fließenden Bewegung den Zauberstab und sie prallte gegen eine unsichtbare Wand. Meine Schwester schrie vor Wut und Schmerz auf und hämmerte gegen die Barriere. Voldemort blickte sie amüsiert an. ,,Es ist nur für euer Wohl", sagte er kalt. ,,Wer weiß schon zu was so ein tollwütiger Köter fähig ist." Dann bewegte er sich auf den knienden Sirius zu. Etwa vier Meter vor ihm stoppte er seine Schritte. Sirius funkelte ihn hasserfüllt an, bevor er sich fluchend krümmte und die Hände auf seinen Bauch legte. ,,Na los, bring's zuende!", fauchte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Dann drehte er den Kopf zu uns und sein Blick wurde weicher. Er schluckte merklich und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. ,,Ich ... ich habe euch lieb, wisst ihr das? Es tut mir leid, dass ich nie für euch da war, dass wir nie eine richtige Familie sein konnten, dass ich erst so spät wieder bei euch war, dass ich euch nicht habe aufwachsen sehen, dass-"
,,Sei still!", kreischte Voldemort plötzlich und schwenkte den Zauberstab. ,,Crucio!"
Sirius krümmte sich auf dem Boden, von unaussprechlichen Schmerzen geschüttelt. Ein Schrei löste sich von seinen Lippen.
Ich biss mir auf die Wange, um nicht ebenfalls laut aufzuschreien. Mir wurde schwindelig. Ich wollte wegsehen, nur weg von dieser neuen grauenhaften Erinnerung! Aber ich war wie erstarrt.  Wir mussten doch irgendetwas tun können!
Allana neben mir war totenbleich, selbst ihre Augen schienen stumpf. Sie trat erneut gegen die Barriere, aber alle Kraft schien sie verlassen zu haben. ,,Bitte, hör auf!", flehte sie. Sie konnte ihm nicht helfen ... wir beide konnten ihm nicht helfen, sondern nur hilflos zusehen. Und Voldemort schien es zu genießen Sirius zu quälen.
Sirius krümmte sich erneut und seine Schreie hallten tausendmal verstärkt in meinem Kopf wieder. Wie Trommelschläge.
Nach einer gefühlten Stunde senkte Voldemort endlich den Zauberstab. Sirius lag scheinbar tot auf dem Boden, nur seine Brust hob und senkte sich noch leicht.
Nach einer endlos langen Zeit rappelte er sich langsam hoch. Er sah aus wie ein alter Mann. Trotzdem bemühte er sich gerade zu stehen. Er hob leicht den Kopf, eine stumme Geste, dass zumindest noch etwas Kampfgeist in ihm steckte. ,,Dafür wirst du bezahlen", meinte er mit erschöpfter, jedoch immer noch entschlossener Stimme.
Voldemort bleckte seinen Mund zu einem lippenlosen Lächeln, als er unseren Onkel anblickte. ,,Oh, Black, den besten Teil über die Kinder deiner entzückenden Schwester kennst du noch gar nicht."
Mein Herz schlug so schnell wie es noch nie geschlagen hatte. Ich zitterte am ganzen Körper.
,,Ach, nein? Dann sag schon", presste Sirius hervor.
Ich wollte schreien, mir gleichzeitig die Ohren zuhalten, mich zu einem Ball zusammenrollen, alles vergessen, nicht mehr denken ... - aber mir gelang nichts davon.
Voldemort beugte sich näher an Sirius heran, seine Stimme quasi nur noch ein zischelndes Flüstern, jedoch immer noch klar und deutlich -
,,Ich bin der Vater."

Seine Erben (2)Where stories live. Discover now