Der Damm bricht

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Allana

,,Du begreifst schnell, das muss ich dir lassen", meinte Voldemort. Seine roten Augen funkelten zufrieden.
,,Und was ist mit Jaime?", fragte ich ihn nach Sekunden des Überlegens bedächtig. ,,Wie sieht dort dein Plan aus?"
Was konnte Voldemort gegen meinen Bruder in der Hand haben? Wie wollte er ihn unter Kontrolle bringen? Oder hatte er womöglich eine ganz andere Intention? Möglich wäre es auch, dass er Jaime weitgehend in Ruhe lassen würde, schließlich galt Jaime in einigen Kreisen bereits als Voldemorts Sohn und sicher wollte Voldemort selbst durch weiteres Vorgehen diese Verdächtigungen nicht noch bestärken. Schließlich hatte er bisher noch deutlich gemacht, unser Geheimnis schützen zu wollen. Doch war das wirklich so? Für Voldemort waren wir nichts mehr als bloße Spielfiguren, die er nach Belieben bewegen konnte. Und bei Bedarf auch opfern konnte. Oder? Würde Voldemort wirklich so weit gehen?
Ich biss mir überlegend auf die Lippe.
,,Keine Bange", meinte Voldemort zischend, der meine Gedanken gelesen zu haben schien. Ich schauderte unwillkürlich. Vielleicht hatte er das wirklich ...
,,Ihm wird nichts geschehen ... Vorerst."
Ich blickte Voldemort starr an. Hoffte in seinen Augen ein verräterisches Flackern zu sehen. Ein Zeichen, dass er log, dass er nur eine leere Drohung von sich gab. Aber Voldemort war keineswegs diese Art von Mensch. Er war jemand, der seine Worte ganz genau abwog, der sein Vorgehen mit vollkommener Präzision plante, der uns scheinbar immer einen Schritt voraus war und uns somit kontrollierte. Es war keine Lüge und auch keine leere Drohung. Es war eine Tatsache. Ein Versprechen.
Ein Blick in seine kalten Augen bestätigte mir das. Ich musste schlucken.
Jaime und ich waren Voldemort bisher immer unterlegen gewesen, sowohl in unseren Fähigkeiten, als auch in unseren taktischen Fertigkeiten. Ich bezweifelte, dass Jaime und ich mit unserer Magie Voldemort besiegen konnten, dafür war er viel zu mächtig. Allerdings konnten wir womöglich seine Pläne vereiteln. Womöglich könnten wir so verhindern, dass Voldemort uns weiter kontrollierte, wir würden vielleicht sogar ihm irgendwann einen Schritt voraus sein! Doch dafür mussten wir wissen, was Voldemort vorhatte. Insbesondere seine Pläne für mich und Jaime. Und wir mussten unbedingt in Erfahrung bringen, wie Dracos Auftrag in dieses Netz verwickelt war. Nur so konnten wir ihm helfen.
,,Und jetzt?", fragte ich barsch und verschränkte trotzig die Arme. ,,Werde ich für den Rest des Jahres hier eingesperrt sein?"
,,Treib es nicht zu weit ... nur weil du meine Tochter bist, hast du nicht so zu mir zu sprechen."
Vielleicht war diese Leichtigkeit, mit der er diese Worte sprach, dafür verantwortlich, dass eine ungeheure Wut in mir hochkochte. Vielleicht war es aber auch der Umstand, dass er wirklich zum ersten Mal von mir als seiner Tochter sprach.
Jedenfalls war nun alle Vorsicht vergessen und ich baute mich vor ihm auf. ,,Ich bin nicht deine Tochter! Uns verbindet nichts, außer unser Blut und das ist schon Folter genug! Du hast unsere gesamte Familie ermordet! Du hast unsere Mutter getötet, du hast befohlen Cedric umzubringen, du hast den Tod unseres Onkels bereitwillig zugelassen! Du hast hunderte Leute auf dem Gewissen und ich wünsche mir so sehr, dass du sterben wirst!"
Ich schnappte schwer atmend nach Luft und blickte Voldemort an. Ein Teil von mir erwartete, dass er mich für mein respektloses Verhalten bestrafen würde, mich schlagen würde, mich verfluchen würde, mich foltern würde. Doch er stand noch in der gleichen Haltung da, seine roten Augen bohrten sich in meine grauen. Er neigte leicht den Kopf zur Seite. ,,Ich denke, du bist noch nicht fertig mit deiner kleinen Rede", zischte Voldemort. Er breitete die Arme aus. ,,Nur zu. Fahre fort."
Ich holte tief Luft und auf einmal war es, als würden die Worte förmlich aus mir heraussprudeln. ,,Du bist kein Teil unserer Familie! Du wirst es nie sein! Du magst uns vielleicht erzeugt haben, um deinen perfiden Plänen von Nutzen zu sein, aber egal wie viele Menschen du von unserer richtigen Familie tötest, du wirst niemals ihren Platz einnehmen. Nie! Ich bin nicht deine Tochter und du bist nicht mein Va-" Ich stockte und schluckte mühsam. Ich konnte dieses Wort nicht aussprechen. Es stellte unsere Verbindung zu Voldemort dar. Es auszusprechen bedeutete es zu akzeptieren, es anzuerkennen. Und das würde ich nie tun.
Ich ließ mich ermattet auf das Bett fallen und stierte an die Decke. ,,Warum?", fragte ich leise und drehte den Kopf in Voldemorts Richtung. ,,Warum tust du uns das an? W-Was haben wir dir jemals getan, dass du alle tötest, die uns etwas bedeuten?" Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und ich schluckte. Meine Wut war wie weggeblasen. Zurück blieb nur eine dumpfe, trostlose Leere.
Voldemort bedachte mich mit einem fast schon nachdenklichen Blick, bevor er sich umdrehte. Er öffnete mit einer kurzen Beschwörung die Tür. ,,Zu deiner vorherigen Frage ... ich bin mit der Absicht gekommen, dich heute wieder nach Hause zu bringen ... Ich bezweifle, dass du mir in deiner jetzigen Verfassung von Nutzen sein wirst." Er bedachte mich mit einem abschätzigen Blick aus seinen roten Schlitzen. ,,Und solltest du wiederholt gegen mich agieren ... der junge Mister Malfoy wird die Konsequenzen für dein Handeln tragen."
Mir lief ein Schauer über den Rücken.
Voldemort bedachte dies mit einem schmalen Lächeln. ,,Du solltest dich glücklich schätzen, dass ich den jungen Malfoy nicht für deine kleine Respektlosigkeit von vorhin bestrafe ... obwohl ... vielleicht tue ich es."
Ich erbleichte schlagartig. Würde es mir anders gehen, hätte ich mir vielleicht ein passendes Kommentar überlegt. Aber jede meiner Reaktionen konnte ein Vorgehen von Voldemort gegen Draco provozieren. Das könnte ich mir nie verzeihen ...
Und so nickte ich nur leicht und erhob mich langsam vom Bett. Ich fühlte mich plötzlich seltsam ausgelaugt und erschöpft. So schwach und verletzlich.
Währenddessen hatte Voldemort bereits mit einem Schlenker seines Zauberstabs meinen schweren Koffer in die Luft erhoben. ,,Komm jetzt", befahl er kalt.
Er betrat vor mir den verlassenen Flur. ,,Wir werden außerhalb des Manors disapperieren", zischelte er.
Ich stolperte hinter ihm her.

Seine Erben (2)Where stories live. Discover now