Wahrheit und Lügen

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Jaime

Auf einmal war das Atrium voller Stimmen. ,,Herr Minister, haben Sie das gesehen?! Sie-wissen-schon-wer ...  Er ist wieder da!"
,,Ja, ich- Bei Merlins Bart, ich-", stammelte Cornelius Fugde, der gerade vollkommen blass in den Saal hereingewuselt kam. Er kratzte sich hilflos am Kopf. ,,Unmöglich ... absolut unmöglich." Er schien noch etwas sagen zu wollen, aber nur ein heiseres Krächzen entwich aus seinem Mund. Dann weiteten sich seine Augen, als er Dumbledore erblickte. ,,Das ist doch- Dumbledore ... wie- wie?" Seine Blick fuhr weiter und landete auf Harry Potter. Sein Mund klappte auf und wieder zu, dann lehnte er sich sichtlich ermattet gegen eine halbwegs unbeschädigte Säule.
Ich beschloss, dass es jetzt ratsam war, möglichst unauffällig das Weite zu suchen. Je mehr Zeit ich hier verbrachte, desto schneller bemerkte Harry vielleicht, dass ich vor ihm hier gewesen war ... dass ich außerdem gewusst hatte, dass Voldemort sich in diesem Bereich verborgen hatte ... dass ich als mögliche Schlussfolgerung seinerseits Voldemort gegenübergetreten war und überlebt hatte. Und das war eigentlich unmöglich.
Ich wendete mich von dem Gewusel um Dumbledore und Potter herum ab.
Da waren Beamte, die noch immer mit aufgerissenen Augen auf die Trümmer des Duells starrten, andere flüsterten hektisch mit ihren Kollegen. Ich wusste, sie gaben Voldemorts Rückkehr so schnell wie möglich weiter. Auch ohne den Tagespropheten würde es morgen die gesamte magische Welt wissen.
Ein helles Blitzlicht erhellte meine Sicht. Kurz darauf watschelte auch schon ein dickliches Männchen mit einer Kamera eifrig zu dem Zaubereiminister. ,,Mr Fugde, was können Sie uns über das heutige Geschehen berichten? Ist es wirklich wahr, dass Sie-wissen-schon-wer zurück-"
,,Ich werde nachher eine offizielle Pressekonferenz abhalten", unterbrach ihn Fugde, der jetzt einfach nur noch alt und müde wirkte.
Reporter. Auch das noch! Ich sollte wirklich gehen.
Der Reporter ließ sich jedoch nicht davon abhalten. Mittlerweile waren auch andere Presseleute da, die ganz besonders Dumbledore und Harry filmten. Ja, das würde sich bestimmt gut in der morgigen Ausgabe machen, dachte ich bitter. Harry Potter, der tragische Held, der die Welt vor Bösem beschützt, der ein ganzes Jahr lang die Wahrheit gesagt-
Ich erstarrte und schlagartig wurde mir eiskalt. Wenn das Ministerium erkannte, dass Harry in Bezug auf Voldemorts Wiederkehr nicht gelogen hatte, dann würde dies gleichzeitig bedeuten, dass er auch nicht über den "Sohn" gelogen hatte. Und ich würde in größter Gefahr sein.
Ich verkrampfte mich leicht ... aber jetzt musste ich ganz normal wirken ... nur ein Junge, der zufällig hier herumlief ...
Ich blickte an mir hinunter. Meine Kleidung war verdreckt und teilweise zerrissen. Blut tröpfelte aus mehreren kleinen Wunden. Unauffällig fuhr ich mir durch die unordentliche Frisur.
Ein weitere Blitzlicht flammte auf und ich war für einen Moment geblendet. Ich blinzelte mehrmals um die hellen Punkte vor meinen Augen zu verdrängen. ,,Kein Kommentar", presste ich blind hervor und schob mich durch die Masse an Kameraleuten und neugierigen Reportern.
Ein paar Meter vor mir ging Dumbledore neben Harry entlang, den Arm in väterlicher Manier an seinem Rücken ...
Um sie herum tobte ein wahres Blitzgewitter, das nur von einem Wirrwarr aus Stimmen übertönt wurde.
,,Mr Dumbledore, werden Sie Ihr Amt als Schulleiter in Hogwarts wieder aufnehmen?"
,,Haben Sie sich wirklich mit Sie-wissen-schon-wen duelliert?"
,,Was glauben Sie, plant er als-?"
,,Wir haben von einem Mord gehört, wer-?"
,,Dort draußen stehen einige Schüler, wie-?"
,, ... haben Strategie im Kampf gegen-"
,, ... Trimagische Turnier, alles wahr-"
,, ... gefangene Todesser-"
,,Mr Dumbledore, ist es wirklich wahr, dass Voldemort einen Sohn hat?" Diese Stimme hörte ich unnatürlich klar und deutlich aus der Masse heraus. Dumbledore blickte auf.
Mein Blut gefror zu Eis.
Der Schulleiter sah den Reporter über seine Halbmondbrille hinweg an. Sein Gesichtsausdruck war vollkommen ernst. ,,Es gibt Indizien, die dafür sprechen, ja."
Einen winzigen Moment lang herrschte Stille, dann folgten die Fragen wie Pistolenkugeln. Dumbledore führte Harry weiter.
Ich folgte ihnen in einigen Abstand, mein Herz schlug noch immer wie verrückt.
Dumbledore tippte eine der Statuen an. Dann fiel sein Blick auf mich und er bedeutete mir näherzutreten.
Mit weichen Knien ging ich zu ihm.
,,Das ist ein Portschlüssel", meinte er in einem ruhigen Tonfall, als hätte er eben nicht versucht mein Geheimnis zu entlarven, versucht mich zu töten!
Ich versuchte mir meine Wut nicht anmerken zu lassen, aber ich wusste, dass meine Augen kalt blitzten. Ich nickte starr.
Da war wieder das gewohnte, sanfte Lächeln auf Dumbledores Gesicht, als er sich Harry zuwandte. ,,Er wird euch nach Hogwarts bringen."
Harry und ich blickten uns kurz an, dann berührten wir gleichzeitig den Portschlüssel und die Welt löste sich in bunte Farben auf.

Seine Erben (2)Where stories live. Discover now