46

1.3K 62 2
                                    

Meril:
Von innen wirkte das Zelt irgendwie ein bisschen größer wie von außen. In der Mitte des Zelts war eine dünne Stütze, die das Dach hielt. Um diese Stütze herum war ein kleiner Tisch, auf dem sich ein Krug und ein paar Gläser befanden. Und direkt neben diesem Tisch stand er. Thranduil, der Waldelbenkönig. In ein schwarz-silbernes Gewand und einen purpurnen und silbernen Mantel gehüllt stand er da und starrte mich mit seinem eiskalten Blick an. Auf seinem Kopf hatte er einen kunstvoll gefertigten Kranz, in dessen Spitze vorne ein kleiner, weißer Edelstein gesetzt war. Keine Gefühlsregung war in seinem Gesicht zu sehen, doch in seiner Seele sah das ganz anders aus. Die Trauer und der Schmerz, die vorher überwogen, waren der Angst gewichen. Hatte ich ihn mit meinem Ausraster etwa so eingeschüchtert, dass er jetzt schon fast panische Angst vor mir hatte? Ich neigte mit, meiner Meinung nach, respektvollem Gesichtsausdruck den Kopf, um zu zeigen, dass ich ihn immer noch als König, also sozusagen als ranhöher, ansah. Thranduil starrte mich allerdings immer noch an, ohne ein Wort zu sagen. Entweder wusste er nicht, was er sagen sollte oder er hatte Angst etwas zu sagen. Ich tippte eher auf letzteres. ,,Ich weiß, dass Ihr Angst vor mir habt", sagte ich ruhig, denn meine Nervosität war längst verflogen. ,,Aber das müsst Ihr nicht", redete ich weiter und machte aus unerklärlichem Grund einen kleinen, zögerlichen Schritt nach vorne. Ich sah, dass Thranduil ein bisschen zurückzuckte, als wollte er zurückweichen, sich aber zwang, stehen zu bleiben und keine Schwäche oder Angst zu zeigen. Ehrlich gesagt tat er mir richtig leid. Ein großer König hatte Angst vor einer einfachen Bürgerlichen. Das passte einfach nicht. ,,Man sagte mir nicht, warum ihr mit mir sprechen wollt. Allerdings erwähnte Bard etwas von einer Entschuldigung", sagte Thranduil, der anscheinend zeigen wollte, dass er immer noch der Gleiche war. Das gelang ihm auch sehr gut. Nichts in seinem Erscheinungsbild ließ auch nur erahnen, dass er Angst hatte und auch seine Stimme klang so wie immer. Thranduil war ein sehr guter Schauspieler, das musste man ihm lassen. Doch ich besaß die Fähigkeit, auch hinter seine Maske aus Härte und Kälte zu blicken. ,,Das trifft zu", entgegnete ich, ,,Ich bin wirklich hier um mich zu entschuldigen. Und zwar für meinen Ausraster neulich nach dem Orkverhör. Ich....ich wollte wirklich niemanden verletzten. Ehrlich gesagt wollte ich noch nicht einmal meine Gabe einsetzten. Aber....ich hatte einfach Angst. Angst um mein Leben. Und wenn ich Angst habe, habe ich diese Gabe nicht mehr richtig unter Kontrolle. Es tut mir wirklich leid, dass Ihr nur wegen meiner Angst Schmerzen erleiden musstet." Thranduil sah mich wieder eine ganze Weile schweigend an. ,,Bard erzählte mir, dass Ihr geholfen habt, den Drache zu töten", sagte er schließlich und goss etwas Wein in eines der Gläser auf dem Tisch. ,,Ist das wahr?" Er hob das Glas, betrachtete den Wein kurz und trank einen Schluck davon. ,,Ja, ich habe geholfen", antwortete ich. Thranduil sah mich wieder an. Langsam wurde dieses Gestarre unheimlich. Dann setzte er das Glas wieder an die Lippen und trank den kompletten restlichen Inhalt in einem Zug aus. Zum Glück hat Alkohol keine Wirkung auf Elben, sonst wäre der König sicher jeden Tag sturzbetrunken. ,,Ich weiß nicht recht, ob ich Euch vertrauen kann oder nicht", sagte der blonde Elb, während er das Glas wieder auf den Tisch stellte. ,,Ich könnte Euch zwar sagen, dass Ihr mir vertrauen könnt, aber ich bezweifle, dass Euch das bei Eurer Entscheidung helfen würde", sagte ich. Thranduil nickte nur. Plötzlich wurde der Vorhang des Zelteingangs zurückgeschlagen und Gandalf kam herein. ,,Wie könnt Ihr es wagen.....!", fuhr Thranduil den Zauberer wütend an. ,,Es ist sehr wichtig, Thranduil", sagte Gandalf, ohne mich zu beachten. ,,Betrifft es nur mich, oder alle, die sich auf diesem verfluchten Land befinden?", fragte der Elbenkönig. ,,Alle", sagte Gandalf nur. Thranduil wandte sich an die beiden Wachen, die hinter Gandalf ins Zelt gestürmt waren. ,,Holt Bard", befahl er. ,,Das ist nicht mehr nötig, mein Herr", erklang jetzt Bards Stimme, ,,Meril hatte mir bereits gegeben." ,,Wie...?", setzte Thranduil an. ,,Telepathie", sagte ich und Thranduil nickte. Die Anwesenheit von Bard und Gandalf schien ihn zu entspannen und zu beruhigen, denn jetzt war er nicht mehr allein mit mir, der 'gemeingefährlichen' Hexe. Gandalf erklärte, warum er hier war. Er hatte herausgefunden, dass Azog ein riesiges Orkheer zusammengestellt hatte. ,,Diese Orks von denen Ihr sprecht, Mithrandir. Wo sind sie?", fragte Thranduil, der sich auf seinem 'Reisethron' niedergelassen hatte. Der hatte sich wirklich schnell beruhigt. So war zumindest der Anschein. Doch ich konnte immer noch Angst in seiner Seele sehen, wenn auch nicht mehr so viel. Gandalf antwortete. Ich hörte aber nicht zu, denn ich hatte ein Geräusch gehört. Auch Thranduil schien es gehört zu haben, denn er ignorierte Gandalf ebenfalls und sah stattdessen zum mittlerweile geöffneten Zelteingang. Ich drehte mich um. ,,Bilbo", rief ich erfreut und erstaunt zugleich. Dadurch wurden auch Bard und Gandalf auf den Hobbit aufmerksam. Bilbo sah jeden von uns an, bis sein Blick an Thranduil hängen blieb. Ich wusste, wie der Elbenkönig auf Personen wirkte, die ihn zum ersten Mal sahen. Groß, stark, majestätisch und kalt. Und noch dazu sah er wirklich nicht schlecht aus. Eigentlich war das ja bei allen Elben so, doch kombiniert mit seiner Ausstrahlung war der Anblick des Elbenkönigs wirklich fesselnd. Nicht, dass ich jetzt falsch verstanden werde. Kili ist immer noch mein melethron*. ,,Ich nehme mal an, dass das der Hobbit ist, der die Kerkerschlüssel vor den Nasen meiner Wachen gestohlen hat", sagte Thranduil. ,,Ja, äh.....was das betrifft......", stotterte Bilbo, ,,Bitte um Entschuldigung." Bei dieser Antwort konnte ich mir ein Lachen nur knapp verkneifen. Ich glaube nämlich nicht, dass irgendjemand anderes so mit Thranduil reden würde. Wenn ich ehrlich bin, glaube ich, dass Bilbo dem König bewiesen wollte, dass er nicht nur Schlüssel stehlen, sondern auch sehr gut eine Diskussion führen konnte. Thranduil nahm Bilbos Antwort mit hochgezogenen Augenbrauen zur Kenntnis. ,,Was machst du hier, Bilbo?", fragte ich. ,,Ich will einen Krieg verhindern", sagte dieser entschlossen. Bard und Thranduil wechselten einen belustigten Blick. ,,Ich habe bereits versucht mit Thorin Eichenschild zu verhandeln", sagte Bard, ,,Es ist unmöglich. Und womit wollt Ihr einen Krieg verhindern?" Bilbo lief zu dem Tisch, holte etwas aus seiner Jacke und legte es darauf. Thranduil stand auf und stellte sich an den kleinen Tisch, ebenso wie Gandalf, Bard und ich. Das Etwas von Bilbo war in ein Tuch gewickelt, welches der Hobbit nun von dem Etwas herunternahm. Es kam ein großer Edelstein zum Vorschein, der wie tausend Sterne funkelte. Ein wunderschönes Juwel. ,,Das Königsjuwel", sagten Thranduil und ich gleichzeitig. ,,Thorin würde alles dafür tun, um es zu bekommen", sagte Bilbo. Ihm war aber anzusehen, dass er Thorin das Juwel nicht gerne stahl. Wieder wechselten Bard und Thranduil einen Blick und Bard steckte den Arkenstein ein. Dann wurde Bard wieder nach draußen gerufen und Bilbo wollte den Berg im Auge behalten, also waren jetzt nur noch Gandalf und ich bei Thranduil. ,,Und nun wieder zu Euren Orks, Mithrandir", sagte Thranduil eher gelangweilt, ,,Ich denke nicht, dass sie eine so große Gefahr darstellen, dass ich mein Heer vor einem Haufen Zwerge zurückhalte." ,,Aber was glaubt Ihr, bezwecke ich dann mit dieser Warnung?", fragte Gandalf. ,,Ich glaube, Ihr wollt dieses Zwergenpack im Erebor schützen", antwortete der Elbenkönig, ,,Aber das bringt mich nicht ab von meinem Kurs. Ihr habt es begonnen, Mithrandir. Verzeiht mir, wenn ich es beende." Gandalf schüttelte den Kopf und verließ das Zelt, während Thranduil sich an Elduin wandte, der neben dem Zelteingang stand. ,,Sind die Bogenschützen in Stellung, Elduin?", fragte er. Dieser drehte sich zu seinem König um, verbeugte sie kurz und antwortete: ,,Ja, mein König, alle Bogenschützen befinden sich in Position." ,,Gut so", sagte Thranduil, ,,Überbringe den Befehl: Sollte sich irgendetwas auf oder in diesem Berg rühren, erschießt es." Entsetzt starrte ich den König von hinten an. Elduin nickte, verbeugte sich und wollte gehen. ,,Elduin, wartet!", rief ich und stand mit drei schnellen Schritten neben Thranduil im Zelteingang. Tatsächlich war Elduin stehengeblieben und sah zu mir, doch als er Thranduil kurz ansah, wurde ihm sein Fehler bewusst. ,,Verzeiht, mein König", sagte er leise und wollte weitergehen. ,,Nein, lass sie erst erklären, warum sie dich aufhielt", meinte Thranduil, was mich ein bisschen erstaunte, und sah mich dann erwartungsvoll an. ,,Bitte zieht Euren Befehl zurück", sagte ich schon halb flehend. ,,Warum sollte ich?", entgegnete Thranduil. ,,Bitte, tut es, die Zwerge sind meine Freunde", flehte ich, ,,Und zudem haben sie Euch doch nichts getan." ,,Nichts getan?", fuhr Thranduil mich an und vergaß anscheinend, was bei seinem letzten Wutausbruch mir gegenüber passiert war, ,,Sie haben die Erbstücke meines Volkes genommen. Weiße Edelsteine aus reinem Sternenlicht." Ich konnte etwas in seinen Augen aufblitzen sehen, was mich ein kleines bisschen an Thorin erinnerte. Es war Gier, aber gemischt mit Trauer. Diese Edelsteine schienen nicht nur materiellen Wert für ihn zu haben. ,,Und zudem bräuchte ich eine angemessene Gegenleistung, wenn ich meinem Befehl zurückziehe", ergänzte er noch. Was würde er als angemessene Gegenleistung annehmen? Die Edelsteine konnte ich ihm nicht geben und Legolas konnte ich nicht herzaubern. ,,Wenn Ihr Euren Befehl zurückzieht...", begann ich, ,, ...werde ich jeglichen Kontakt zu ihnen abbrechen, bis ich sie wiedersehe, denn momentan kann ich nicht in den Berg zurück." Thranduil schien zu überlegen. Er musterte mich kurz und entdeckte das Herzamulett von Kili an meiner Kette. Ich hoffte, dass er es mir nicht wegnehmen würde. ,,Ich ziehe meinen Befehl zurück, wenn Ihr jeglichen Kontakt zu den Zwergen im Berg abbrecht und morgen, wenn ich ihnen mit meinem Heer...einen Besuch abstatte, nicht von meiner Seite weicht und nicht erklärt warum", sagte der blonde Elb. Natürlich, das hatte er vor. Er wusste, dass einer der Zwerge und ich ein Paar waren, da ich das Herzamulett im Waldlandreich noch nicht getragen hatte. Und jetzt wollte er diesen Zwerg, also Kili, wütend auf mich machen, da es, wenn ich nicht von Thranduils Seite weichen würde, wahrscheinlich so aussehen würde, als hätte ich für ihn spioniert und Kili nur benutzt. Das war fies, aber sonst würde er seinen Befehl nicht zurückziehen. ,,In Ordnung", sagte ich. Thranduil lächelt kurz arrogant und triumphierend und wandte sich dann an Elduin: ,,Vergiss meine Worte von vorhin und sag den Bogenschützen, sie sollen auf meinen Befehl warten." Elduin nickte. Sein Blick schweifte kurz zu mir und er sah mich mitleidig an, da er anscheinend bemerkt hatte, dass mir diese Entscheidung nicht leicht gefallen war. Dann ging er davon und Thranduil schloss den Zelteingang wieder. Ich wusste nicht recht, ob ich bleiben oder gehen sollte. ,,Bard, Mithrandir und der Halbling scheinen euch zu vertrauen", sagte Thranduil, ,,Und auch die Zwerge scheinen das zu tun." Die Zwerge. Kili. Was würde er wohl denken, wenn er mich an der Seite Thranduils sah? Ich griff nach dem Herzamulett an der Kette. Thranduil beobachtete dies zunächst schweigend. Ich seufzte traurig. ,,Euer melethron* gehört zu Eichenschilds Gemeinschaft, nehme ich an", sagte der Elbenkönig und riss mich somit aus meinen Gedanken. Als ob er das noch nicht wüsste...! Ich wusste nicht warum, aber ich nickte. ,,Liege ich auch richtig in der Annahme, dass der Ork, der in meinen Hallen verhörte wurde, die Wahrheit sagte?", fragte Thranduil. ,,Ich denke nicht, dass Euch das etwas angeht", gab ich als Antwort. ,,Natürlich", sagte Thranduil nur. Spielte er jetzt den Verständnisvollen oder wie? Wieder goss er Wein in sein Glas, nahm aber diesmal noch ein zweites Glas hinzu und füllte es mit Wein. Er nahm sein Glas in die rechte Hand. Mit der anderen reichte er mir das zweite Glas. ,,Was soll das werden? ", fragte ich verwirrt. Thranduil war im Moment wirklich etwas merkwürdig. ,,Zur Versöhnung", entgegnete er. Ich nahm das Glas, war aber weiterhin verwirrt. ,,Wieso habt Ihr Euch so schnell umstimmen lassen?", fragte ich. ,,Ich habe mir alles noch einmal durch den Kopf gehen lassen", erklärte er, ,,Und eigentlich.....bin ich daran Schuld, dass Ihr Angst bekommen habt und so weiter." Damit hatte er zwar recht, aber trotzdem war sein plötzlicher Stimmungswechsel merkwürdig. Irgendetwas führte er im Schilde, das war klar. ,,Falls Ihr glaubt, ich würde mich auf Eure Seite stellen, nur weil Ihr mir verzeiht, habt Ihr Euch getäuscht", sagte ich. ,,Ich weiß, dass ich es nicht schaffen werde, Euch auf meine Seite zu ziehen, auch wenn Ihr morgen nicht von meiner Seite weichen dürft, solange ich nichts anderes sage", entgegnete der Elb, ,,Aber ich fände es trotzdem besser, wenn wir unseren Streit vergessen. Und nur damit Ihr es wisst: damit tue ich nicht nur Euch und mir etwas Gutes, sondern auch.......Anderen." Trauer breitete sich etwas weiter in seiner Seele aus. ,,Mit 'Anderen' meint Ihr wohl Legolas", sagte ich vorsichtig. Und zu meiner Überraschung nickte der König leicht. Dann nahm er einen großen Schluck Wein und sah dann mich an. ,,Kostet ruhig von dem Wein", sagte er. Noch etwas zögernd führte ich das Glas zu meinen Lippen. Der Wein roch süß und nach Alkohol. Vorsichtig nahm ich einen kleinen Schluck. Es schmeckte besser als erwartet. Fruchtig und süß. Aber nicht zu süß. Ich hatte zuvor noch nie Wein getrunken, sodass ich nicht sagen konnte, ob dieser Wein besser oder schlechter schmeckte wie andere Weine. ,,Ausgezeichneter Geschmack", sagte ich und stellte das Glas zurück auf den Tisch. ,,Es ist ja auch der beste Wein im ganzen Waldlandreich", sagte Thranduil und lächelte sein arrogantes Lächeln. Ich wusste aber, dass das nicht sein echtes Lächeln war. Zu gerne wüsste ich, wie sein echtes Lächeln, welches von Herzen kommt, aussah. Aber ich glaube, noch nicht einmal Legolas wusste, wie das echte Lächeln seines Vaters aussah. Ein kalter Windstoß ließ die Zeltplane flattern und leider erlosch auch die kleine Kerze, die an der Stütze angebracht war. (Kerze im Bild rechts neben Thranduil) Thranduil nahm er eine brennende Kerze vom Tisch, die mir noch gar nicht aufgefallen war. Also irgendwie glaube ich, dass meine elbischen Sinne wirklich langsam nachlassen. Dann hob der Elbenkönig den Arm, um die erloschene Kerze wieder anzuzünden. Doch kaum hatte er den Arm etwas höher als im rechten Winkel gehoben, verzog er das Gesicht und ließ den Arm sofort wieder sinken. Er hatte Schmerzen. Wahrscheinlich noch von dem Aufprall an der Säule wegen der Druckwelle, die ich irgendwie erzeugt hatte.

***********
Übersetzung:
*Liebster/Liebhaber

Die Reise zum EreborWo Geschichten leben. Entdecke jetzt