Wecker am Wochenende & Carlos' Problem

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Ich musste eingeschlafen sein, da ich durch meinen Wecker aufgewacht bin. Ich hatte vergessen das Ding auszuschalten und fluchte laut los, als mir mein aktuelles Lieblingslied laut ins Ohr gebrüllt wurde.
Ich setzte mich auf, rieb mir die Augen und sah mich um. Ich war in meinem Zimmer, in Sicherheit. Seufzend fiel ich zurück in die Kissen und schloss erneut die Augen in der Hoffnung wieder zurück in meine befreiende Dunkelheit zu fallen. Es war gerademal 6 Uhr, Samstagmorgen, das erste Wochenende bevor die Ferien richtig losgehen würden und ich lag wach in meinem Bett, weil ich zu doof war meinen Wecker auszuschalten.
Frustriert schwang ich meine Beine auf den Boden, stand auf und suchte mir einfache Gammelklamotten aus dem Schrank. Danach legte ihn mich wieder zurück in die weichen Decken, nahm meinen Laptop zur Hand und surfte ein wenig im Internet. Gelangweilt scrollte ich durch Facebook, Twitter und Instagram ohne etwas Interessantes zu finden.
Pünktlich um 7 Uhr rief meine Mutter von unten aus der Küche zum Frühstück. Normalerweise wäre ich jetzt noch gar nicht wach gewesen, aber eben weil ich es ausnahmsweise mal war, schlürfte ich die Treppe hinab bis hin zur Küche und wünschte allen Gegenständen, die ich auf meinem Weg traf einen Guten Morgen. Das klang dann ungefähr so: "Guten Morgen Handtuch von gestern Abend. Guten Morgen Türklinke meiner Zimmertür. Guten Morgen Teppich. Guten Morgen Couch, PlayStation und alle anderen Konsolen. Guten Morgen Boxershorts meines Bruders. Guten Morgen Sporttasche meines Bruders. Guten Morgen ihr Hanteln meines Bruders."
In diesem Moment wollte ich gerne meinen Bruder anschreien, dass er gefälligst mal Ordnung halten könnte, aber irgendwie schlief der länger, als ich heute Morgen. Also schleppte ich mich Schritt für Schritt weiter und blieb im Türrahmen der Küche stehen.
Meine Mutter, mein Vater und mein kleiner Bruder saßen bereits am Tisch, frische Brötchen, Teller, Besteck und verschiedenste Brotaufstriche standen auf dem Tisch. Ich setzte mich auf meinen angestammten Platz und lächelte einmal in die Runde der verwirrten Gesichter meiner Familie. "Was machst du denn hier?" "Ich gehöre zu dieser Familie. Darf ich nicht mal mit euch frühstücken?", fragte ich, sofort schlecht gelaunt, da ich sowieso verdammt wenig Schlaf abbekommen hatte. "Doch, natürlich, Süße. Es ist nur etwas komisch dich schon hier anzutreffen."
Ich erwiderte nichts, nahm mir nur schweigend ein Brötchen, schnitt es auf, packte den größten Haufen Marmelade darauf, den die Menschheit jemals gesehen hatte und biss genüsslich hinein.
Die Blicke meiner Eltern ignorierte ich einfach und versuchte ebenso auch das laute Gerede meines kleinen Bruders auszublenden.
Man hörte Schritte auf der Treppe und kurz darauf kam Carlos in die Küche geschlürft. Müde, mit zerzausten Haaren und den krassesten Augenringen, die ich jemals an ihm gesehen hatte. Ok, ich neigte zu Übertreibungen, denn eigentlich sah er einfach nur todmüde aus. Dennoch konnte ich mir eine Bemerkung seitens der Ordnung im Obergeschoss nicht verkneifen. "Wäre nett, wenn du nachher deine ganzen Sachen oben mal wegräumen würdest."
Er würdigte mich keines Blickes, sondern setzte sich schweigend an den Tisch und starrte seinen Teller an.
"Da die ganze Familie jetzt hier sitzt, möchte ich euch etwas sagen.", fing er zögernd an zu sprechen, sah dabei allerdings niemanden an. "Was ist denn los?", fragte meine Mutter sofort ängstlich und nahm die Hand meines Vaters. Sie war so schrecklich dramatisch, aber selbst ich musste zugeben, dass mir etwas mulmig zumute wurde. "Ich habe seit unserem Einzug eine Freundin. Hier in Köln.", erklärte er tonlos und verflocht seine Finger ineinander. Ich atmete hörbar aus und mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen, wenigstens nichts schlimmes. "Na das ist doch toll.", freute sich meine Mutter und auch mein Vater lächelte. "Glückwunsch.", meinte ich grinsend und trat ihm unterm Tisch gegen sein Schienbein. Er rang sich ein vorsichtiges Lächeln ab.
"Das ist aber noch nicht alles.", fuhr er dann plötzlich fort und man konnte spüren, wie sich die Anspannung wieder im Raum ausbreitete. Ich hielt sogar den Atem an.
"Sie ist schwanger."

Für einen kurzen Moment war es absolut still im Raum. Nicht bewegte sich, niemand wagte zu atmen.
In der nächsten Sekunde redeten meine Eltern wild durch einander. "Wie konnte das passieren?" "Habt ihr denn nicht verhütet?" "Wer ist sie?" "Will sie das Kind behalten?" Diese Frage kam von meinem Vater und meiner Mutter gleichzeitig. Carlos starrte unterdessen schuldbewusst seinen Teller an, während ich einfach reglos da saß und den Kaffee in meiner Tasse beobachtete.
Ich konnte es nicht fassen. Mein, ach so vernünftiger Bruder hatte ein Mädchen geschwängert, von dem wir bis eben noch nicht einmal wussten, dass sie existiert.

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