Umzug & nächtliche Spaziergänge

3K 128 11
                                    

"Scheißkiste!", schrie ich frustriert auf und trat mit meinem Fuß, auf den sie soeben gefallen war, danach. "Alles in Ordnung Caro?", hörte ich meinen Vater aus dem Treppenhaus rufen. Ich antwortete ihm nicht, da es immerhin seine Schuld war, dass ich jetzt meine Umzugskartons in die neue Wohnung bringen musste.
Ich hasste Köln jetzt schon, wollte zurück in unser Dorf, zu meiner Ruhe und dieser Idylle, die dort dauerhaft herrschte. Hier war es laut, unübersichtlich und gefährlich, aber niemand wollte mir glauben, dass es auf dem Land besser war.
Mein Zwillingsbruder hievte ebenso verschiedene Kartons aus dem großräumigen Kofferraum des gemieteten Umzugswagens. Er sagte jedoch nichts zu diesem Thema, schwieg es lieber tot, weil er warscheinlich schon die Hoffnung aufgegeben hatte, dass wir zurück zu unseren Freunden kommen könnten.
"Caro! Ich brauche diese Kiste!", rief meine Mutter durch das ganze Haus, woraufhin ich hoffte, dass Beschwerden von den Nachbarn eingereicht werden, dann müssten wir ausziehen. "Hol' sie dir doch selber.", murmelte ich frustriert, hob das Ding wieder an und schleppte es mühsam Stufe für Stufe in das oberste Stockwerk.
In dem Raum, der einmal die Küche werden soll, stellte ich sie ab und verschwand im Flur die Treppe nach oben, wo zwei Zimmer extra abgetrennt worden waren, sodass Carlos und ich jeweils ein eigenes, kleines Fleckchen für uns haben. Vor unseren Zimmertüren war allerdings bis zur Treppe noch genug Platz, sodass wir uns dort eine Couch hinstellen würden. Außerdem sind die beiden Räume nicht groß genug für eine gesamte Zimmerausstattung, dort würden nur Betten, Kleiderschränke und Schreibtische hinein passen. Mir war das alles so egal. Mich interessierte es überhaupt nicht, was meine Eltern in der Innenausstattung geplant hatten, ich wollte nur zurück nach Hause.
Es waren noch keine Möbel aufgebaut, weshalb ich mich genervt vor die große Panoramafenster-Wand setzte und nach draußen auf Köln hinab sah. Überall waren Betonklötze, manchmal mit Glas verschönert, man sah den Dom in der Skyline, ich würde mir dieses Bauwerk jedenfalls nicht freiwillig ansehen.
Unten wurde gehämmert, Kartons geöffnet, Sachen in die Schränke geräumt, niemand dachte daran, dass es mich auch noch gab, mein kleiner Bruder schrie. "Caro? Bist du da oben?", fragte mein Vater, woraufhin ich einfach genervt die Augen verdrehte und mich erhob. "Ja.", meinte ich und tat so, als hätte ich etwas anderes getan, als einfach da oben zu sitzen und meinen Gedanken hinterher zu hängen. "Hilfst du uns bitte mit?", fragte er lächelnd. 'Hör auf so zu tun, als wäre alles gut.', dachte ich frustriert, sagte jedoch nichts und kam langsam die Treppe nach unten. In der Küche waren bereits meine Mutter und mein Zwillingsbruder an Werk, weshalb ich mich entschied die Möbel für mein Zimmer nach oben zu tragen. 'Scheißdinger.', schrie ich innerlich bei jeden Einzelteil, hatte gar keinen Bock mehr auf weitermachen, wollte mich nurnoch in meinem Bett verkriechen und die Decke über den Kopf ziehen.
Carlos kam mir zu Hilfe, sodass der Rest um einiges leichter ging. Allgemein war mit ihm so vieles leichter. "Hast du auch so wenig Bock auf Köln?", fragte er, als wir uns eine angenehm lange Pause gönnten. "Ich will back ins Village.", meinte ich traurig und vergrub mein Gesicht in den Händen. Er nickte nur und stand wieder auf, zog mich mit sich und gemeinsam begannen wir mit dem Aufbau der Betten, danach die Schränke, die Schreibtische und zu allerletzt kam die Couch und die Schrankwand für den Fernseher, der dummerweise noch gar nicht vorhanden war.
Als wir damit fertig waren, zeigte uns Carlos' Wecker bereits 22.45 Uhr an, eingeräumt war auch schon alles, weshalb mein Zwillingsbruder und ich uns gleichzeitig auf das neue Sofa schmissen und dann in einen riesigen Lachflash verfielen. "Zwei Dumme, ein Gedanke.", lachte ich und heulte schon fast.
Irgendwann entschlossen wir uns etwas zum Essen in der Stadt zu suchen. Unsere Eltern waren bereits zu Bett gegangen, weshalb wir unglaublich leise durch die Wohnung schlichen und darauf achteten nirgendwo irgendwie Krach zu machen. Dieser Versuch konnte ja bei Carlos nur schief gehen, er fiel über einen quer stehenden, noch eingepackten Schrank und machte dabei einen solchen Lärm, dass warscheinlich das ganze Haus wach wurde. "Man du Walross, wir wollten leise sein.", fauchte ich leise und ging nun voran, um einen weiteren Vorfall zu vermeiden. "Kann ich nix dafür.", nuschelte mein Zwilling hinter mir noch, ich schloss die Haustüre auf und hinter uns wieder zu, ließ danach den Schlüssel in meiner Hosentasche verschwinden, wo schon 20€ versteckt waren.
Das gesamte Haus war still, irgendwie unheimlich.
Draußen schlug uns eine ekelhafte Wärme entgegen, was im Sommer natürlich irgendwo zu erwarten ist, ich aber trotzdem nicht erwartet hätte.
Langsam schlenderten wir die Straße entlang, von der wir hofften, dass sie uns in die Innenstadt bringen würde, denn dort konnte man um diese Uhrzeit sicherlich noch etwas Essbares finden. "Was wollen wir überhaupt essen?", fragte Carlos, flüsterte lustigerweise immernoch. "Keine Ahnung, vielleicht das, was wir zuerst finden.", antwortete ich in normaler Lautstärke, was im Gegensatz zu meinem Bruder schon wie Schreien in der Nacht klang. Er zuckte die Schultern, ich grinste still vor mich hin.
Natürlich wären es nicht wir, wenn wir die Innenstadt gefunden hätten. Es war ja nicht so, als gäbe es in dieser Scheißstadt nicht genug Straßenschilder, aber die standen alle so komisch herum, dass wir es nunmal nicht schaffen konnten das Zentrum zu finden. "Alter Carlos, ich spreche jetzt die Leute da vorne an.", meinte ich genervt und seufzte tief, ehe ich auf die vier dunklen Gestalten zu lief.

Change ● Rewinside (Reupload) Where stories live. Discover now