Langeweile & Inquisition der besorgten Mutter

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Mein Bruder kam mir auf dem Weg zu unserer Haustür entgegen und starrte mich entgeistert an. Ich brauchte eine Weile um zu realisieren, dass er wegen meinen Haaren so reagierte. Natürlich, warum auch sonst sollte er mich ansehen, als wäre ich ein seltenes Wesen, dass gerade vor ihm aus einem UFO teleportiert wurde. "Mein UFO parkt über den Wolken.", erklärte ich ihm deshalb. Ich warf meinen Zwillingsbruder so noch mehr aus der Bahn, das wusste ich, doch fand ich die Vorstellung meines eigenen UFOs eigentlich ganz cool.
Ich schob mich an ihm vorbei, schloss die Türe auf und ließ Carlos einfach stehen.

In meinem Zimmer herrschte gar keine Unordnung, was mich schrecklich irritierte, denn normalerweise dachte ich gar nicht daran, aufzuräumen. Ich ließ mich auf mein weiches Bett fallen und sah mir die Decke genauer an. Dort oben würde sich das Bild eines UFOs von unten extrem gut machen, weshalb ich kurz mit dem Gedanken spielte tatsächlich eines ranzumalen, traute mich allerdings nicht. Immerhin gab es ja doch noch die Entscheidungsgewalt meiner Eltern, die dem Ganzen erst zustimmen würden müssen. Hätten sie sowieso nie getan.
Ich drehte mich auf den Bauch, öffnete meinen Laptop und schaltete ihn an.
Ich hatte zwar niht lange Zeit, musste mich ja auch irgendwie noch ein wenig her richten. Ja tatsächlich, obwohl ich nur mit einem Kumpel ins Kino gehen wollte.
Das Internet brachte mir allerdings gerade sehr wenige Reize entgegen, weshalb ich den Laptop keine fünf Minuten später wieder zu klappte. Ich wollte die Zeit vorspulen, zu dem schönen Teil des Tages, besser gesagt, dem noch kommendem schönem Teil, weil der Rest heute auch nicht so schlimm war. Seufzend wälzte ich mich vom Bauch auf den Rücken, genervt von meinen eigenen geistigen Ergüssen und meiner selbstverschuldeten Langeweile. Warum konnte ich mich nicht einfach mit Dingen beschäftigen, die jedes Mädchen gerne macht? YouTuber anschmachten, mit jeglichen Jungs der Schule auf WhatsApp schreiben, deepen Shut twittern oder Selfies von mir schießen?
"Caro?" Ich hörte Schritte auf der Treppe und seufzte innerlich auf, als ein Klopfen an meiner Tür erklang. "Was?", fragte ich und verdeckt meine Augen mit einer Hand. "Kann ich rein kommen?" Die Stimme meiner Mutter war sanft. Ohne eine Antwort abzuwarten, öffnete sie langsam die Tür und trat ein. Sie setzte sich neben mich auf mein Bett und schien mich anzusehen, denn mit einem Mal entstand eine mehr oder weniger extrem peinliche Stille. "Ich wollte mal mit dir reden", fing sie an und sofort wusste ich, dass ich am Ende des Gesprächs definitiv nur noch Matsch in der Birne haben würde, "weil der Umzug ja nicht so einfach für dich war. Neue Schule, neue Menschen, kleinere Wohnung." Ich nahm meine Hand ein wenig zur Seite und blinzelte die mit einem Auge an. "Was willst du mir damit sagen?" "Wie geht es dir?", stellte sie die einfallsreichste Frage aller Fragen. "Gut. Sehr gut.", antwortete ich darauf, nicht ironisch, sondern vollkommen ernst. "Sicher?" Sie sah mich etwas skeptisch an, hatte warscheinlich eine andere Reaktion erwartet. "Natürlich.", behauptete ich fest, stand auf und ließ sie einfach stehen. Ich hatte besseres zu tun, musste mich langsam fertig machen, um pünktlich ins Kino zu gelangen. Sie verfolgte mich durch die Wohnung bis hinunter ins Badezimmer und sah mir dann dabei zu, wie ich mich schminkte und meine Haare zu einem unordentlich Dutt hochband. "Wo willst du hin?", horchte sie mich weiter aus. "Ich gehe uns Kino.", antwortete ich kurz angebunden und zog mir mein altes T-Shirt über den Kopf, nur um mich danach in einen dicken Pullover zu zwängen. "Mit wem?" Ich verdrehte genervt die Augen, warf ihr einen mörderischen Blick zu und schwieg. "Mit diesem Sebastian? Ist der nicht ein bisschen alt für dich?", hakte sie nervigerweise immer weiter nach. "Mama.", stöhnte ich genervt auf, "Ich gehe mit jemandem aus der Schule. Falls das so abwegig ist." "Aha.", antwortete sie nur und lehnte sich gegen den Türrahmen, was überhaupt nicht lässig aussah. "Tschüss.", meinte ich lächelnd, drückte ihr einen Kuss auf die Wange, ohne wirklich Ahnung zu haben warum und verließ unsere Wohnung mit einem lauten Zuknallen der Tür. Auf dem Weg nach unten, zog ich mir meine Jacke über und versuchte nicht über meine eigenen Füße zu fallen.
"Wo wollen wir denn so spät noch hin?", ertönte eine seltsame Stimme hinter mir. Ich fuhr erschrocken herum.

Change ● Rewinside (Reupload) Where stories live. Discover now