Familienessen & rosarote Zuckerwattewölkchen

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Wir befanden uns in einem feinen Restaurant, das irgendwie schrecklich überteuert wirkte und sogar einen Hummer auf der Speisekarte stehen hatte. Einen verdammten Hummer mit Salat und einer Beilage nach Wahl. Wer isst denn bitte gerne ein Tier mit Scheren, die einen verletzen könnten?
Felix saß neben mir, den Rücken durchgedrückt und unterhielt sich smalltalk-artig mit meiner Mutter, die sowieso vollauf begeistert von ihm war und sofort ihren Segen gegeben hätte, wenn Felix mir jetzt einen Antrag machen würde.
Carlos beobachtete uns über den Tisch hinweg aufmerksam, er wusste, dass scheinbar nicht alles paradiesisch war. Ich erwiderte seinen Blick unerschrocken und hoffte, dass er später keine dummen Fragen über das hier stellen würde.
Mein Ich-bin-der-perfekte-Schwiegersohn-Freund hielt die gesamte Zeit meine Hand, so als würde ihm das ermöglichen seine Tarnung nicht auffliegen zu lassen.
Als ein netter, etwas betagter Kellner an unseren Tisch trat, bestellten wir alle nacheinander. Niemand wählte den Hummer, was ich auch gut so fand.
"Ich muss mir ganz kurz ihre Tochter ausleihen.", meinte Felix entschuldigend zu meiner Mutter, stand auf, zog mich ebenfalls hoch und durch das Lokal nach draußen auf die Straße. "Was zum...", setzte ich an, kam jedoch nicht weiter, denn Felix' Lippen legten sich verlangend auf meiner. Absolut widersprüchliche Gefühle kochten in mir hoch. Einerseits wollte ich ihn wegstoßen, ihm sagen, dass er ein Arsch sei, doch andererseits genoss ich diesen Kuss, erwiderte ihn sogar und wollte, dass dieser Moment nie endete. Warum war nur alles immer so kompliziert?
Schwer atmend lösten wir uns voneinander. Mein Gesicht glühte, in seinen Augen spiegelte sich die Lust.
"Es tut mir Leid, ok?", flüsterte er leise und rückte etwas näher. Durch seine Nähe durcheinander gebracht, konnte ich gerade so nicken, mehr auch nicht. Ich hatte ihm eigentlich Fragen stellen wollen, was er sich dabei gedacht hatte und warum er so ausgetickt war nur weil ich bei Sebastian im Zimmer erschienen war, doch mein Gehirn schwebte mal wieder auf einer rosaroten, zuckerwatteähnlichen Wolke davon und verabschiedete sich komplett von meinem rationalen Verstand. Kurz gesagt: Es ließ mich im Stich. Allein mit der Unentschlossenheit meines Herzens.
"Lass uns wieder rein gehen, ehe die sich fragen, wo wir so lange bleiben."

Meine Mutter und mein Vater wechselten einen vielsagenden Blick, als wir zurück an den Tisch kamen. Das Essen war noch nicht gekommen, sodass sich problemlos wieder eine Konversation aufbauen ließ.
Ich beteiligte mich nicht sonderlich an den Gesprächen bei Tisch, sondern hing lieber meinen eigenen Gedanken nach. Was hatte das zu bedeuten? Hatte Felix mir verziehen? Was hatte ich überhaupt falsch gemacht? Wie sah es zwischen ihm und Sebastian aus? Hassten sie sich jetzt? Hatte ich alles zerstört?
Nichtmal das köstliche Essen konnte mich von meinen inneren Zweifeln und Fragen ablenken, weshalb ich im Laufe des Abends immer unleidlicher und frustrierter wurde.
"Alles klar bei dir?", flüsterte Felix mir zu, als ich gerade versuchte mit aller Kraft eine fein in Form gebracht Kartoffel zu ermorden. Zweimal stach ich auf sie ein und versuchte sie zu zerteilen, wofür ich meine gesamte Konzentration aufbrachte. "Jaja, geht schon.", gab ich abweisend zurück und wandte mich nun den Champions in der Rahmsoße zu, um sie auf dieselbe kaltblütige Art zu erstechen, diesmal allerdings mit meiner Gabel.

Nach dem Essen zahlte mein Vater und half meiner Mutter in ihren Mantel. Gemeinsam verließen wir das Lokal.
Draußen schlug mir die kalte Abendluft entgegen und ich bereute es keine Jacke mitgenommen zu haben. Fest schlang ich die Arme um meinen Oberkörper und versuchte das Zittern zu unterdrücken. "Ist dir kalt?", fragte Felix, ganz der Gentlemen. "Nein, passt schon.", versuchte ihn ihn davon abzuhalten seine Jacke auszuziehen, doch nützte es nicht besonders viel. Er legte sie mir um die Schultern und zog mich näher zu sich. "Jetzt wirst du frieren.", stellte ich nüchtern fest und sah zu ihm auf. "Ich halte das aus.", erwiderte mein Ich-habe-keine-Ahnung-was-das-hier-werden-soll-Freund und vergrub seine Hände in den Hosentaschen, vermutlich um sie warm zu halten.
"Kommst du noch mit zu uns, Felix?", fragte mein Vater, als wir das Auto erreichten. Der Junge neben mir bejahte diese Frage und kletterte neben mich in die große Familienkutsche. Die gesamte Fahrt über spürte ich die leiht irritierten Blicke meines Zwillings im Rücken. Er verstand warscheinlich die Welt nicht mehr, denn vor nichtmal vier Stunden hatte ich ihm noch die Ohren voll geheult, dass meine Beziehung mit Felix vorbei sein würde und jetzt saß ich hier im Auto, mein Kopf auf seinen Schultern, sein Arm lag um mich und meine Augen waren geschlossen.

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