Mentale Abwesenheit & ein Meer aus Kuchenteig

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Der Dienstag begann mit Regen.
Ich saß nur zur Zierde im Unterricht und dachte, während die Lehrer über die bevorstehende Klausurphase schwafelten, an den vorangegangenen Abend. Felix hatte noch bis spät in die Nacht bei mir bleiben dürfen, warum auch immer hatten meine Eltern scheinbar akzeptiert, dass ich 17 Jahre alt war und Schule jetzt nicht mehr alles im Leben sein konnte.
Doch war das auch schon alles gewesen, denn irgendwann hatten sie dennoch darauf bestanden, dass mein Freund jetzt gehen müsste, weil ich ja immerhin heute Unterricht hatte.
Meine Gedanken schweiften um den Kuss vor dem Restaurant, sein Verlangen, dass ich deutlich hatte spüren können und auch um die darauf folgenden Küsse abends in meinem Zimmer. Es war, als hätten wir unsere Beziehung nochmal komplett von 0 angefangen und es schien funktioniert zu haben. Keiner von uns beiden hatte noch ein Wort über den Vorfall mit Sebastian geredet, geschweige denn einen Gedanken daran verschwendet. Scheinbar hatte Felix eingesehen, dass er überreagiert hatte und schien entschieden zu haben, mir fortan mehr zu vertrauen.
Ich stützte meinen Kopf nachdenklich auf meinen Händen ab und starrte Löcher in die Luft, während die Lehrer von Stunde zu Stunde einfallsloser mit der Gestaltung Ihres Unterrichts wurden. Die ersten 15 Minen jeder Stunde gingen für die Vorbereitung und Ankündigung der bevorstehenden Klausuren drauf, danach versuchen sie die Schüler mit Arbeit ruhig zu stellen, um in Ruhe ihren Kaffee trinken zu können.
Ich hatte an diesem Tag noch kein Wort mit Georg geredet, der sich mittlerweile auch zwei Reihen weiter hinter neben einen etwas kräftigeren Typ mit dicker Hornbrille gesetzte hatte. Er würdigte mich keines Blickes.
Ich fühlte mich allein und irgendwie missverstanden. Immerhin hatte ich meinen Schulkameraden niemals enttäuschen wollen, aber er hatte von Anfang an verstehen müssen, dass er eben nur ein Kumpel war und nie mehr sein konnte.
Während des Mathematik-Unterricht begann meine Hand kleiner Kreise auf mein kariertes Blatt zu malen. Völlig ohne Muster und Sinn füllte ich es flächendeckend mit verschieden großen Kreisen.

Als endlich die erlösende Klingel ertönte, stürmten alle Schüler aus den Zimmern, auf die Flure und verstopften so die gesamten Gänge. Glücklicherweise hatte ich meine letzte Stunde direkt im Zimmer neben einem der Nebenausgänge und konnte so einfach nach draußen verschwinden. Damit hatte ich zwar keine Jacke, konnte aber das ekelhafte Gedränge im Gebäude umgehen und sparte so auch unheimlich viel Zeit und Nerven.
Langsam machte ich mich auf den Heimweg, lief gerade mit auf den Boden gerichtetem Blick den Gehweg entlang, als mich zwei starke Arme von hinten packten und fest an sich zogen.
"Na Baby, hast du mich schon vermisst?", raunte Felix mir sanft ins Ohr und ließ mich nach einem kurzen Machtkampf los. Ich fuhr herum und starrte direkt in sein belustigtes Gesicht. "Nein. Habe ich nicht.", fauchte ich wütend. Was fiel ihm ein hier einfach so aufzutauchen?
Ich konnte nicht länger darüber nach denken, denn schon kamen mehrere junge Mädchen und Jungs auf uns zugestürmt, woraufhin mein Freund meine Hand packte und mich bis zu einem schwarzen VW zog, den er schnell öffnete und sich auf den Fahrersitz fallen ließ. Ebenso flott stieg ich auf den Beifahrersitz. Gerade noch rechtzeitig, um die Tür schließen und verriegeln zu können, ehe die Fangirls und -boys uns erreicht hatten.
"Das war knapp.", stellte Felix erleichtert fest und winkte den Fans, die um das Auto herum standen, was sie fast wie Wasser wirken ließ. Als wären sie eine riesige Welle, die das kleine Auto ins Meer gespült hatte und es jetzt unter Wasser drückte. Ich guckste belustigt bei dieser Vorstellung, sie war zu absurd. Felix sah mich verwirrt, aber neugierig an, während ich nur den Kopf schüttelte und schmunzelnd die Masse an Menschen an diesem Auto beobachtete. Das etwas so übertrieben verrückt sein konnte hatte ich niemals erwartet. Warum wollten sie alle Felix so gern kennen lernen? Er war doch ebenfalls ein ganz normaler Mensch, ohne besondere Talente. Ok, er konnte verdammt gut küssen, aber das zählt noch lange nicht.
Ich seufzte und fuhr mir mit der Hand über die Stirn, während Felix den Wagen anließ und dann versuchte irgendwie loszufahren, ohne jemanden zu verletzen. Die Masse teilte sich nur widerwillig und erinnerte mich in diesem Moment eher an einen Kuchenteig, als an Wasser, doch welchen Sinn hatten Wellen aus Teig, die ein kleines Auto in ein riesiges Meer aus ebensolchem transportierte? Gar keinen.
Lauthals lachte ich los, als wir die ganzen Schüler hinter uns gelassen hatten. "Was ist denn los?", fragte Felix mit einem leicht besorgtem Unterton in der Stimme. "Nichts. Hast du dir schonmal ein Auto in einer riesigen Masse aus Teig vorgestellt?"
Der Blick den er mir daraufhin zu warf, stempelt mich eindeutig als absolut bescheuert ab, was mich Nr noch mehr zum Lachen brachte.

"Wusste gar nicht, dass du Auto fährst.", stellte ich fest, nachdem ich mich wieder unter Kontrolle hatte.
"Ich fahre auch nicht oft. Deshalb.", erklärte er mir lächelnd, als wir in meine Straße einbogen.

Change ● Rewinside (Reupload) Nơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ