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Mias Sicht:
Ich wartete darauf, dass Papa das Auto aufschloss und wir einsteigen konnten, doch stattdessen zog er am Türgriff der Fahrertür und beschwerte sich, dass sich diese nicht öffnete. "Papa?" "Gleich, ich muss erstmal die Tür aufbekommen..." "Dafür musst du das Auto aufschließen." sagte ich und sah ihn an. Irgendwie war er komisch heute. Frustriert ließ er von dem Griff ab und drehte sich zu mir. "Dann erzähl mal, wie geht das auf?" "Na mit dem Schlüssel. Den hast du normalerweise in der Hosentasche." Papa tastete seine Taschen ab und hielt dann den Autoschlüssel in der Hand. "Hiermit?" "Ja, du musst auf den unteren Knopf drücken, dann geht auch die Tür auf." "Also so...?" Zaghaft machte er das, was ich ihm erklärt hatte und das Auto ging auf. Um ihm das zu zeigen öffnete ich die Hintertür. "Na sowas." meinte er erstaunt und schaute mich an, als ob wir gerade irgendwas unvorstellbares geleistet hätten. Wir stiegen ein und während ich mich anschnallte fragte ich: "Wie man fährt weißt du aber ja?" "Natürlich." antwortete er selbstsicher, aber er wusste scheinbar nicht mal, dass er den Motor starten musste, bevor wir irgendwohin fahren konnten, denn er legte den Schlüssel auf den Beifahrersitz und versuchte scheinbar Gas zu geben. "Wieso passiert da denn nichts...?" "Papa geht's dir wirklich gut?" Ich beugte mich ein Stück nach vorne. "Ja, wieso nicht?" "Du bist komisch. Du kannst Autofahren, warum machst du solche Fehler?" In dem Moment hörte er auf, das Gaspedal zu treten und sah durch den Innenspiegel zu mir. "Du hast Recht... Ich weiß auch, wie es funktioniert und was ich machen muss... Ich hol deine Mutter, dann muss sie dich leider zur Schule fahren ok?" "Ja, wenn du es nicht kannst..." "Leider gerade nicht, tut mir Leid." "Schon gut..." "Warte kurz." Und damit stieg er aus und ließ mich verwirrt zurück. Was soll das heißen? Er weiß, wie es funktioniert und was er machen muss, aber er kann es nicht?

Samus Sicht:
Ich schloss die Haustür auf und zog meine Schuhe aus. "Das ging aber schnell, ich hab gar nicht gehört wie ihr losgefahren seid." meinte Alex überrascht. "Das liegt daran, dass wir nicht losgefahren sind. Kannst du sie bitte fahren?" "Ach so, ok... Ja klar. Was ist los? Du siehst irgendwie verzweifelt aus." "Das wärst du auch, wenn dir deine achtjährige Tochter erklären muss, wie man das Auto aufschließt. Es war das gleiche wie vorhin beim Kaffee. Ich wusste wie es geht, konnte es aber nicht umsetzen." "Oh man... Ja dann reden wir gleich auf jeden Fall mit der Ärztin." "Wenns sein muss..." "Es muss. Wir müssen das doch abklären. Ich fahr Mia jetzt erstmal zur Schule und du versuchst ein bisschen runterzufahren ja? Das ist kein Grund an deinen Fähigkeiten als Familienvater zu zweifeln." "Mach ich nicht..." "Und wie. Ich kenn dich doch, aber das ist nicht deine Schuld ok? Du hattest einen Unfall, andere sind durch sowas schon gestorben und du bist immer noch hier." "Hm..." "Wir reden gleich weiter ja? Sonst kommt Mia zu spät." "Ok bis gleich." "Bis dann." Sie gab mir einen Kuss auf die Lippen, zog sich Schuhe und Jacke an und ging.
Sie hatte gut reden, bei ihr klappte ja alles. Natürlich hatte Dr. Peltonen erwähnt, dass es noch zu Folgeschäden kommen kann, aber ich dachte ehrlich gesagt, dass sich das erledigt hätte, nachdem ich die restliche letzte Woche im Krankenhaus verbracht hatte, ohne das was passiert ist. Wenigstens konnte ich alleine essen und auf Toilette gehen, aber was, wenn ich das irgendwann auch nicht mehr kann? War Alex auch dann noch bereit, um uns zu kämpfen? Und was ist mit der Musik? War ich überhaupt noch in der Lage, Instrumente zu spielen? Das musste ich unbedingt herausfinden, also lief ich in mein Arbeitszimmer und setzte mich ans Klavier. Ich fing an irgendeinen meiner Songs zu spielen und als es klappte, fiel mir ein riesengroßer Stein vom Herzen. Das gleiche machte ich dann auch mit einer meiner Gitarren und war mindestens genauso erleichtert. Trotzdem hatte ich Angst mit der Ärztin zu reden. Was, wenn das für immer so bleibt und ich nie wieder Autofahren kann? Ich war so vertieft in meine Gedanken, dass ich nicht bemerkte, wie meine Frau nach Hause kam, bis sich auf einmal ihre Arme von hinten um mich legten. "Hier bist du." "Ja... Ich wollte ausprobieren, ob ich noch Musik machen kann." "Und?" "Es klappt." "Na das ist doch super." "Ja schon..." "Ich hab dich auch schon mal euphorischer gesehen. Was ist los Hase?" fragte sie und löste sich von mir. Ich drehte mich zu ihr und sah sie an. "Ich hab Angst, dass das so bleibt und dass... du unter den Umständen doch nicht um uns kämpfen willst..." Alex schaute mich an. "Du glaubst, dass ich wegen sowas gehe? Hältst du mich wirklich für so oberflächlich?" "Nein... Ich hab einfach Angst, verstehst du?" "Natürlich verstehe ich das, aber ich lasse mich wegen so einer Sache nicht scheiden, glaub mir." "Wirklich?" "Ja wirklich. Man, ich hab doch gesagt, dass ich dich liebe." meinte sie lächelnd."Ich liebe dich auch." Sie beugte sich zu mir und küsste mich.

Einige Zeit später fuhren wir ins Krankenhaus. Nach meiner Physiotherapie gingen wir auf die Neurologiestation und fragten nach Dr. Peltonen. "Ich sag ihr eben Bescheid, einen Moment bitte." sagte die Schwester freundlich und Alex und ich warteten. Sie nahm meine Hand und schaute mich an. "Hör zu, ich weiß, dass dir das unangenehm ist, und ich verstehe das auch, aber denk dran, wie es hätte kommen können. Mia hat ihre beiden Eltern und das ist das, was zählt. Ich hab keine Ahnung, ob man das je wieder heilen kann, aber du lebst." Ich drehte den Kopf zu ihr und nickte. "Du hast Recht, danke für deine Unterstützung." "Das ist doch selbstverständlich. Ich bin immer für dich da." Sie lächelte und lehnte den Kopf an meine Brust. "Familie Haber?" fragte plötzlich jemand. Wir drehten uns in die Richtung, aus der die Stimme kam, und sahen die Ärztin auf uns zu kommen. "Hallo Dr. Peltonen." "Guten Tag, ich hab gehört, Sie wollen mit mir reden?" "Ja genau." "Ok, dann kommen Sie doch bitte mit in mein Büro." "Gern." Wir folgten ihr in einen Raum und setzten uns an den Schreibtisch. "So, wie kann ich Ihnen helfen?" "Naja, es ist so... Ich kann manche Dinge nicht mehr, obwohl ich weiß, wie sie funktionieren." "Was sind das für Dinge?" "Kaffee kochen und Autofahren." "Ok. Und was für Probleme haben Sie dabei?" "Beim Kaffee hab ich es nicht geschafft, die Tasse hinzustellen und Autofahren ging gar nicht. Da musste mir meine Tochter auch erstmal erklären, wie man das Auto aufschließt, weil ich wie blöd an der Tür gezogen habe." "Gut... Und seit wann ist das so?" "Seit heute." "Seit heute ok... Gibt es sonst noch etwas, womit Sie Probleme haben?" "Nein." "Frau Haber ist Ihnen sonst noch was aufgefallen?" "Nein, nur die beiden Sachen. Liegt das an dem Unfall?" "Ja, das hört sich sehr stark nach Apraxie an." "Apraxie? Was ist das?" "Das ist eine Störung bei der Ausführung willkürlicher Bewegungen und genau wie Sie es beschrieben haben liegt es nicht daran, dass die Betroffenen nicht wissen wie es geht, sondern, dass sie es einfach nicht können." "Oh ok... Und geht das wieder weg?" "Das kann man nicht so richtig sagen, weil es kein eindeutiges Heilmittel gibt. Wenn die Apraxie Sie besonders einschränkt können wir es mit Ergo- und Physiotherapie probieren, es gab schon Fälle, wo das geholfen hat, es ist aber keine Garantie." "Hm ok..." "Wären Sie denn damit einverstanden?" "Ja, es ist auf jeden Fall besser als nichts." "Ja, genauso sehe ich das auch. Dann erstelle ich Ihnen ein Rezept dafür und die Therapeuten konzipieren einen Plan, der Ihnen hoffentlich weiterhelfen kann." "Ok danke." "Gerne." "Kann es sein, dass das schlimmer wird? Also dass er irgendwann auch Probleme bei anderen Sachen hat?" Die Ärztin schaute uns an. "Ja, rein theoretisch kann das passieren, dann muss der Therapieplan geändert werden, aber ich würde sagen, wir beschäftigen uns erst mit dem Problem, wenn es eingetreten ist, ok?" "Ja..."

Die nächsten Tage kommt noch ein Kapitel und dann ist diese Geschichte auch schon wieder vorbei. Wie es danach weitergeht kann ich ehrlich gesagt noch nicht sagen, ich hab zwar noch Ideen, aber die muss ich erst richtig ausarbeiten und ich weiß nicht, wie gut ich damit vorankomme. Es kann also sein, dass es hier einige Zeit ruhig ist. Ich hoffe euch gefällt das Kapitel und bis bald 🥰

Disappeared? Место, где живут истории. Откройте их для себя