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Alex Sicht:
Diese Nacht war irgendwie überhaupt nicht erholsam. Die Tatsache, dass meine Eltern erstens noch lebten und zweitens für meinen offiziellen Tod verantwortlich waren, nagte total an mir. Ich schlief zwar irgendwann, aber ausgeschlafen war ich am nächsten Morgen nicht. Plötzlich klopfte es an der Tür. "Alex bist du wach?" fragte Mia fröhlich. Da ich immer noch im Bett lag richtete ich mich auf und antwortete: "Ja, bin ich." Prompt ging die Tür auf und die Kleine stand vor mir. "Fährst du mich wieder mit Papa zur Schule?" Eigentlich wollte ich heute etwas länger liegen bleiben, aber als sie mich mit ihren blauen Augen flehend ansah, konnte ich nicht ablehnen, also nickte ich. "Na klar, aber ich zieh mich vorher um und mach mich fertig ok?" "Ja, aber beeil dich. Wir müssen in 15 Minuten los." "Gut, das schaff ich. Geh schon mal hoch, ich komm gleich." "Ok und danke!" "Bitte!" Sie grinste und rannte los. Wenigstens schien sie gut geschlafen zu haben... Gähnend nahm ich mir meine Sachen und ging ins Badezimmer. Zehn Minuten später war ich oben und kurz darauf fuhren Samu und ich mit unserer Tochter los. Mir fiel auf, dass mein Exmann ebenfalls müde aussah, beschloss jedoch vor Mia erstmal nichts zu sagen. Wer weiß warum er schlecht geschlafen hatte, vielleicht hatte er Streit mit Isa...

"So, viel Spaß in der Schule Maus!" rief Samu, als wir an der Schule anhielten. "Danke Papa! Und danke, dass du mitgekommen bist Alex!" "Gerne Süße." Ich lächelte und sie stieg aus. Wir warteten, bis sie im Gebäude verschwunden war, dann fuhr Samu wieder los. "Ich wollte jetzt einkaufen, ist das ok für dich oder soll ich dich zuhause raus lassen?" "Ne alles gut, ich komm mit." "Ok, schön." Er sah kurz zu mir und lächelte.
"Hast du gut geschlafen?" fragte er nach einiger Zeit. "Naja geht so... Nach dem was du mir gestern erzählt hast..." "Mhm... Übrigens, ich kann mich nur nochmal dafür entschuldigen. Ich wollte dir das ursprünglich erst später sagen, wenn du... nun ja...psychisch stabiler bist, aber ich wollte dich auch nicht anlügen." "Danke für deine Ehrlichkeit und was meine Psyche angeht, ich hab ja von der Ärztin die Visitenkarte von einer Psychotherapeutin bekommen. Ich würde da gleich anrufen." "Ja, mach das. Find ich super!" "Ja, ich will die letzten Jahre richtig verarbeiten und wieder mein Leben leben." "Das hört sich sehr gut an und ich helf dir dabei natürlich so viel ich kann." "Dafür bin ich dir auch sehr dankbar, wirklich." "Ach das ist doch logisch." "Ja trotzdem. Aber jetzt mal was anderes: Ist bei dir alles in Ordnung?" "Ja warum?" "Du siehst aus, als ob du nicht so wirklich gut geschlafen hast..." "Das stimmt ja auch..." "Hat das einen Grund?" "Ja." "Möchtest du vielleicht drüber reden?" "Ich weiß nicht..." murmelte er und bog auf einen Supermarktparkplatz ein. "Hat es was mit mir zu tun? Haben Isa und du sich gestern gestritten?" "Nein, keine Sorge an dir lag es auf keinen Fall." Er fuhr in eine Parklücke. "Aber ihr hattet Streit..." "Nein, kein Streit." "Was dann? Du kannst ruhig mit mir reden, weitererzählen kann ich es ja nicht, außer euch kenne ich niemanden." "Schon klar, aber es ist... nicht so einfach ok?" "Hast du doch noch Gefühle für mich?" fragte ich und sah ihn an. "Ich hab doch gerade schon gesagt, dass es nichts mit dir zu tun hat, versteh das doch endlich!" rief er genervt und machte den Motor aus. Ich zuckte zusammen und musste schlucken. "Ich... Ich glaub ich bleib lieber im Auto..." murmelte ich und presste mich unbewusst in den Autositz. Samu schaute mich an. "Tut mir Leid Alex, ich... ich wollte dich nicht erschrecken. Es ist nur so, dass..." "Schon gut... Jetzt geh bitte... Du hast mir Angst gemacht..." "Entschuldigung, das wollte ich nicht. Ich geh dann mal rein." Ich nickte nur und er stieg endlich aus und schloss die Autotür hinter sich. Ich atmete tief durch und rieb mir durchs Gesicht. Seine Stimme war ja sehr beruhigend und hörte sich auch echt gut an, aber als er gerade lauter wurde, musste ich unweigerlich an Henrik denken... Samu würde mir nie etwas tun, irgendwie wusste ich das, aber gegen meine Angst konnte ich gerade nichts tun.

Einige Zeit später ging der Kofferraum auf. "Darf ich gleich wieder ins Auto oder brauchst du noch einen Moment?" fragte Samu, während er offenbar die Einkäufe einräumte. "Nein alles gut." "Ok." Irgendwann schloss sich der Kofferraum wieder und bald darauf setzte er sich neben mich. Wir schauten uns an. "Ist wieder alles ok?" "Ja, keine Sorge." "Ich wollte dir wirklich keine Angst machen, das musst du mir glauben, aber das gestern war der absolute Horror für mich, deswegen hab ich so patzig reagiert..." Ich nickte leicht. "Ist schon gut, tut mir Leid, dass ich dich gedrängt habe, es mir zu sagen. Natürlich musst du nicht darüber reden, wenn du nicht willst." "Ich hab gestern keinen hoch gekriegt..." Mit großen Augen sah ich ihn an. "Was?" "Ja... Es war nicht so, dass ich keine Lust hatte, aber mein Körper war da wohl anderer Meinung...." "Ok... Und jetzt?" "Keine Ahnung, Isa meint wir sollten das beobachten... Weißt du wie ich mich gestern geschämt habe? Natürlich ist Sex nicht alles, aber trotzdem... Das war so demütigend..." Mitleidig sah ich ihn an und legte die Hand auf seine Schulter. "Jetzt versteh ich, warum du zuerst nicht drüber reden wolltest... Hast du denn eine Idee woran das gelegen haben könnte?" "Nein absolut nicht... Zuerst hat Isa es auf mein Alter geschoben, dann meinte sie, dass ich vielleicht einfach nicht genug abschalten konnte..." "Und was denkst du?" Er zuckte mit den Schultern. "Ich hoffe nur, dass das ne einmalige Sache war. Ich will damit nicht zum Arzt..." "Das kann ich mir vorstellen, aber du wärst nicht der erste Mann bei dem es irgendwann nicht mehr läuft." "Klar, aber trotzdem... Es ist irgendwie..." "Du schämst dich dafür ich weiß und ich versteh das. Ich schäme mich ja auch dafür, dass ich die einfachsten Fragen zu meiner Person nicht selbstständig beantworten kann. Das ist nicht das gleiche, aber auch peinlich." "Ja, deine Erinnerungen holen wir irgendwie zurück, das verspreche ich dir." Ich lächelte leicht. "Danke und versprech dir, dass das wieder in Ordnung kommt. Es war bestimmt stressbedingt, deine tot geglaubte Exfrau ist schließlich wieder da, da kann der Körper mal streiken." "Wahrscheinlich hast du recht. Danke." "Wofür?" "Dafür dass ich mit dir über sowas reden kann und für die Aufmunterung." "Irgendwann musste ich dir ja mal was zurückgeben, also alles gut." Schmunzelnd sah er mich an. Ich lächelte ebenfalls und wir schauten uns in die Augen. Meine Hand lag immer noch auf seiner Schulter und unsere Gesichter waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt. Mein Herz schlug so schnell, dass ich befürchtete, er würde es hören und ich kaute vor lauter Nervosität auf meiner Unterlippe herum. Niemand hatte was gesagt, doch plötzlich drehte er den Kopf weg und nahm meine Hand von seiner Schulter. "Wir sollten nach Hause... Ich hab Sachen für die Tiefkühltruhe gekauft..." "Ja, sicher..." stammelte ich und wandte mich ab. Scheiße, was war nur mit mir los? Er ist verheiratet verdammt!

Disappeared? Donde viven las historias. Descúbrelo ahora