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Nach dem Telefonat fuhr ich zu meiner Mutter. Sie öffnete die Tür und zog mich in eine feste Umarmung. "Es tut mir so Leid mein Junge... Komm rein." "Danke..." Ich betrat das Haus und sie schloss die Tür. "Kannst du mir helfen das Mia zu erklären? Ich weiß nicht, wie ich das machen soll..." fragte ich, während wir in die Küche gingen, wo meine Mutter mir einen Kaffee machte. "Natürlich helfe ich dir." meinte sie mit einem sanften Lächeln und stellte mir wenig später die Kaffeetasse hin. Dankbar sah ich sie an und trank einen Schluck, da kam auch schon meine Tochter in die Küche gerannt. "Oma guck!" rief sie stolz und zeigte meiner Mutter ein Bild, was sie gemalt hatte. "Wow, das sieht richtig schön aus! Wen hast du denn da gemalt?" Mia grinste und erklärte: "Papa, Mama, du und ich!" Als ich das hörte musste ich schlucken. Ich wollte sie doch vor allem Unheil beschützen und nun bin ausgerechnet ich derjenige, der ihr von dem Verschwinden ihrer Mama erzählen musste. "Super Maus, sollen wir das an den Kühlschrank hängen?" "Ja!" "Gut, dann komm." Die beiden hingen das Bild mit einem Magnet an den Kühlschrank und drehten sich dann zu mir um. "Papa!" "Hallo meine Süße!" lächelte ich und streckte die Arme nach ihr aus. Mia lief mir in die Arme und ich drückte sie an mich heran. Die Augen- und Haarfarbe hatte sie von mir, aber ansonsten war sie Alex wie aus dem Gesicht geschnitten. Was ist denn, wenn unsere gemeinsame Tochter das einzige ist, was mir von meiner Frau übrig bleibt? Der Gedanke daran zerriss mir das Herz. Wie sollte ich denn ohne die Liebe meines Lebens klarkommen? Ich war so in Gedanken, dass ich gar nicht mitbekommen hatte, wie sich meine Augen erneut mit Tränen füllten. Verzweifelt versuchte ich die Tränen wegzublinzeln, schließlich wollte ich unbedingt vermeiden, dass Mia mich so sieht, doch das gelang mir nicht. "Papa traurig?" fragte sie und sah mich mitfühlend an. "Ja, Papa ist sehr traurig..." antwortete ich und wischte mir mit dem Ärmel über die Augen. "Wieso?" Ich hob sie hoch und setzte sie auf meinen Schoß. "Weißt du Maus... Es gibt auf der Welt nicht nur liebe Menschen. Einige sind echt böse und gemein..." "Warum?" "Weil... Ja keine Ahnung, wie ich dir das erklären soll... Aber nicht alle sind so, wie unsere Familie oder Freunde..." "Aber du und Mama aufpass! Oder?" "Natürlich pass ich auf dich auf." "Mama auch!" Ich sah kurz zu meiner Mutter, bevor ich an Mia gewandt fortsetzte: "Die Mama... kann nicht mehr auf dich aufpassen..." "Doch!" rief sie und fing an zu grinsen. Ihr war der Ernst der Lage überhaupt nicht bewusst. Wie denn auch? Von mir kam ja noch nichts besonders aussagekräftiges. "Nein Mia. Ich möchte bitte, dass du mir jetzt genau zuhörst ok?" Das Grinsen auf ihren Lippen verschwand und sie nickte leicht. Langsam schien sie wohl zu verstehen, wie gravierend die Situation wirklich war. "Jemand war in unserem Haus... Jemand, der da nicht rein sollte. Ich hab... Erst davon erfahren, als ich vorhin nach Hause gekommen bin... Zuhause war keiner mehr..." "Mama auch?" "Ja Maus, Mama ist auch weg..." antwortete ich und sah sie an. "Wo?" "Ich weiß es nicht..." "Wann wieder da?" "Das wissen wir auch nicht." schaltete sich Mama plötzlich ein. Mia schaute ihre Oma verständnislos an. "Die Polizei sucht nach ihr, aber..." Meine Stimme brach und ich schluchzte. "Ich weiß nicht... wann Mama wiederkommt... Ich weiß nicht mal, ob sie noch..." Das Weinen meiner Tochter unterbrach mich. Sanft legte ich die Arme um sie und drückte sie an mich heran sie zu beruhigen, aber es half nichts. Wahrscheinlich weil ich selbst nicht ruhig war. Ich war der Erwachsene und hätte unter diesen Umständen einen kühlen Kopf bewahren müssen, aber das konnte ich nicht! Mia war bitterlich am weinen und es tat mir so weh, sie so sehen zu müssen. Natürlich ging das auch an mir nicht spurlos vorbei. Niemals hätte ich mit so etwas gerechnet... Gestern haben Alex und ich noch die Nacht zusammen verbracht. Es war sehr schön und leidenschaftlich, so als ob wir geahnt hätten, dass es erstmal das letzte Mal war, dass wir uns so nahe sind. Mit der Hilfe meiner Mutter versuchte ich mich, und vor allem meine Tochter, zu beruhigen. Mia stellte allerhand Fragen, die ich ihr natürlich gerne beantwortet hätte, aber das war mir nicht möglich. Ich verstand ja selbst nicht, wie und vor allem warum ausgerechnet uns sowas passieren musste. Wir hatten keine Feinde, selbst den schlimmsten Hatern traute ich so eine Tat nicht zu und die extremen Fans, denen meine Privatsphäre scheißegal waren, hatte ich hinter mir gelassen, nachdem ich mich größtenteils von der deutschsprachigen Fangemeinde abgewandt hatte. Also wer sollte so etwas tun? Was war der Zweck des Ganzen? Oder war meine Frau nur ein zufälliges Opfer, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort war? Eine ganze Weile dauerte es, bis Mia irgendwann aufhören konnte zu weinen. Sie kuschelte sich an meine Brust und war wenig später vor lauter Erschöpfung eingeschlafen. "Komm, ich leg sie auf die Couch, dann kann sie in Ruhe schlafen und wir reden ein bisschen. Was hältst du davon Samu?" Ich nickte und meine Mutter nahm Mia vorsichtig auf den Arm und brachte sie ins Wohnzimmer. Ich rieb mir das Gesicht und seufzte auf. Mia wusste nun, was passiert war, aber ich wusste, dass mir das schwierigste noch bevorstand. Sie wird vermutlich oft nach ihrer Mama fragen, da sie noch nicht richtig einordnen konnte was geschehen ist und dann werde ich ihr jedes Mal aufs neue die Hoffnung nehmen müssen, es sei denn Alex tauchte wie durch ein Wunder wieder auf. Auf einmal spürte ich, wie mich jemand von hinten umarmte. "Ganz egal, was passiert, wir sind immer für dich da mein Großer." "Ich weiß, danke Mama..."

Die nächsten Tage blieben wir erst einmal bei meiner Mutter. In unserem Haus war ich nur einmal, um ein paar Klamotten zu holen und das fiel mir so unfassbar schwer, dass ich unmöglich mit Mia hier wohnen bleiben konnte. Von den Blutflecken im Wohnzimmer ganz abgesehen, erinnerte mich einfach alles an meine Alexandra. Ich gab das Haus also in die Obhut eines Maklers und räumte mit meinen Geschwistern zusammen nur die wichtigsten Sachen raus, was danach damit passierte war mir egal. Die Polizei suchte akribisch nach Alex, aber drei Monate später gab es immer noch keine neuen Erkenntnisse. Mia und ich waren inzwischen in unser neues Haus eingezogen. Es war kleiner und lag etwas weiter am Stadtrand als das alte Haus, aber für uns zwei reichte es vollkommen. Für meine kleine Maus versuchte ich stark zu sein und positiv zu denken, aber leider gelang mir das nicht immer und in dem ersten halben Jahr nach Alex Verschwinden weinte ich mich teilweise in den Schlaf, immer, mehr oder weniger erfolgreich, darauf bedacht, dass Mia nichts davon mit bekam.

Ich hoffe es stört nicht, dass die Kapitel so lang sind, ich weiß auch noch nicht, ob das so bleiben wird. Wie gefällt euch das Kapitel? Schreibt's in die Kommentare und bis bald 😊

Disappeared? Where stories live. Discover now