Kapitel 109

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Vor meinem inneren Auge sehe ich immer noch seinen toten Körper. Wie er mit unnatürlich abgespreizten Gliedmaßen regungslos auf dem Boden gelegen hatte. Und wie sich alle mit Abstand um seine Leiche versammelt hatten. Die ganze Schule. Alle hatten geweint, sogar Professor McGonagall. Nur ich war unfähig eine Träne zu vergießen...

"Kalyn? Kalyn!"

Ich nehme Tonks' Stimme nur ganz entfernt wahr. Aber irgendwann dringt sie zu mir durch. Mit Mühe reiße ich mich aus meinen trüben Gedanken und schaue sie an. Meine Freundin steht am Eingang zum Grimmauldplatz 12 und hält mir die schwarze Tür auf.

"Kommst du?"

"Ja.", antworte ich heiser und folge ihr ins Haus.

Sofort empfängt uns eine laute Geräuschkulisse: Im Flur stehen mehrere Ordensmitglieder beisammen, die alle aufgeregt durcheinander sprechen. Sofort fängt mein Kopf wieder an zu pochen und ich reibe mir den schmerzenden Punkt zwischen meinen Augen.

"Willst du dich kurz zurückziehen, um dich frisch zu machen?", fragt mich Tonks und schenkt mir ein kleines Lächeln. Ich lasse meinen Blick durch den Flur schweifen und schnappe immer wieder die Worte "Mord" und "Snape" auf. Erneut meldet sich mein dröhnender Kopf und ich muss kurz die Augen schließen.

"Ist alles okay, Kalyn?"

Ich öffne wieder meine Augen und ignoriere Tonks besorgten Blick. Genauso wie ich das Bedürfnis ignoriere, einfach hier und jetzt zusammenzubrechen und mich meiner Trauer hinzugeben.

"Ich bin gleich wieder da.", antworte ich hastig und wende mich dann nach links, um die Treppe zum ersten Obergeschoss hoch zu laufen. Mit jeder Treppenstufe, die ich nehme, kommen die Erinnerungen an die Ereignisse des heutigen Tages wieder hoch und ich spüre den dicken Kloß in meinem Hals.

Oben angekommen bleibe ich kurz vor der offenen Tür meines alten Zimmers stehen, das ich hier eine Zeit lang bezogen hatte. Prompt denke ich an das letzte Gespräch mit Albus zurück, das wir hier geführt hatten. Damals hatte er mir eröffnet, dass die Kette meiner Oma nicht die Einzige ist, die Morrigan erschaffen hatte.

Bei dieser Erinnerung an Albus muss ich kurz lächeln. Doch dann spüre ich wieder die Trauer, die sich wie ein dunkler Umhang über meine Seele legen will.

Schnell gehe ich weiter ins Bad und verschließe die Tür hinter mir. Prompt werden die lauten Geräusche der Anderen leiser, was eine wahre Wohltat für meinen schmerzenden Schädel ist. Seufzend stelle ich mich vor das Waschbecken und starre mein Spiegelbild an. Ich sehe aus, als ob jegliche Lebensfreude aus meinem Gesicht entwichen ist.

"Wieso hast du es nicht kommen sehen? Wieso hast du ihm nur so blind vertraut?", frage ich mich verbittert und spüre jetzt, wie die Tränen unaufhaltsam über meine Wangen rollen.

Ich denke an den Moment zurück, als Severus Flitwick und mich verhext hatte. Und an Albus, wie er tot am Fuße des Astronomieturms gelegen hatte. Ein Anblick, den ich niemals vergessen werde.

Schluchzend presse ich mir die Hand vor den Mund und sinke mit schwachen Knien auf den Boden.

Warum, Severus? Warum hast du das nur getan?

Ich weiß nicht mehr, wie lange ich dort geweint habe. Aber irgendwann klopft es an der Tür und ich höre Tonks' Stimme, die sich nach mir erkundigt.

"Komme.", antworte ich mit tränenerstickter Stimme und ziehe mich wieder hoch. Dann spritze ich mir hastig etwas kaltes Wasser ins Gesicht und trockne mich ab.

Als ich das Bad verlasse, spüre ich wieder Tonks' Blick auf mir. Doch ich weiche diesem aus.

"Ich kann mir vorstellen, wie es dir gehen mag.", beginnt sie und legt mir tröstend eine Hand auf den Oberarm.

Erinnere dich, Kalyn (Severus Snape & OC)Where stories live. Discover now