42. Kapitel

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Louis POV


Ich wusste nicht, ob ich noch das Recht hatte, zu Gott zu beten oder überhaupt in einer Kirche zu sitzen. Aber ich tat es einfach. Nachdem ich Harry aus dem kleinen Raum gefolgt bin und mich wieder ganz nach hinten gesetzt hatte, blickte ich zur hohen Decke. Ich schluckte und fing an zu beten. Ich betete dafür, dass Gott mir verzeihen würde. Ich betete, dass er versteht, dass ich Harry liebte, jemanden gleichen Geschlechts. Ich betete dafür, dass er mir all meine Sünden vergeben würde und letztendlich betete ich dafür, dass zwischen mir und Harry alles gut werden würde. Ich betete für ein glückliches Leben.Ich richtete meine Aufmerksamkeit erst wieder nach vorne, als Gemma schon neben Liam stand und der Pfarrer schon längst sprach.Harry stand etwas neben ihr. Sein Blick schweifte immer wieder nervös zu mir. Ich versuchte ihn anzulächeln und ihm etwas Nervosität zu nehmen, doch er zappelte ungeduldig herum, bis Gemma und Liam ihr Ja-Wort gesagt haben. Alle standen auf und klatschten, als die beiden lächelnd aus der Kirche schritten. Hinter ihr liefen Gemmas und Liams Mütter sowie Harry. Als er an mir vorbei ging streifte seine Hand ganz unauffällig über meinen Bauch und meine Seite. Er lächelte, sah mich jedoch nicht an.Mein Herz schlug höher. Ich senkte meinen Blick und grinste in mich hinein. Ja, ich bin mir sicher, dass jetzt alles gut werden würde.



Harry POV


Mein Kopf schmerzte, als ich aus der dunklen Kirche raus in das helle Sonnenlicht trat. Meine Schwester war nun verheiratet. Sie lächelte, Liam lächelte. Doch ich kannte sie besser. Sie nahm es hin, sie war nicht unglücklich, allerdings war es auch nichts genau das, was sie wollte.Ja, ich wusste was sie dachte. Ich wusste, dass sie am liebsten noch unverheiratet gewesen wäre. Ich wusste, dass sie sich ihren Zukünftigen selber aussuchen wollte, jemand den sie liebte.Ich war glücklich, dass sie jetzt Liam hatte, er würde sie nicht verletzten und er würde ihr all das geben, dass sie verdiente.Ich lächelte sie an, als ihr Blick auf mich fiel. Ja, ihr Leben würde halbwegs gut werden... besser als meins zumindest. Kendall war wieder an meiner Seite, wie zurzeit eigentlich immer.Ich wusste mir unbedingt überlegen, wie ich dieser Hochzeit entfliehen konnte. Aber als erstes zählte, dass ich die Sache mit Louis klärte. Ich wusste nun, dass nichts mit Eleanor war und ich hasste mich selber dafür, wie ich ihn behandelt hatte. Mir ging es nicht gut, aber Louis musste es noch schlechter gegangen sein. Er hat mir gesagt, dass er mich liebt. Jetzt musste ich meine wahren Gefühle für ihn klarstellen.Wie erwartet konnte ich mich dem Fest nicht vor dem Abend entziehen. Hier ein Spruch, da ein Essen und Personen, die mit mir reden wollten. Louis sah ich ab und an, doch jedes Mal, als ich mich losreißen wollte, kam eine neue Person an. Irgendwann ging die Sonne unter und die Nacht trat ein. Alle feierten noch, keiner würde heute früh zu Bett gehen und unser ganzes Haus war voller Menschen.Frustriert seufzend stand ich von meinem Stuhl auf. Ich musste Louis suchen.Ich streifte durch die Halle und wurde wieder aufgehalten."Harry." Es war Kendall. Natürlich. Genervt drehte ich mich um."Ja?", sagte ich und lächelte etwas."Komm doch bitte kurz mit mir nach draußen."Ich seufzte. "Natürlich."Kendall nahm sogleich meinen Arm und zog mich mit sich. Sie blieb erst stehen, als wir auf der hinteren Terrasse standen. Sie führte mich zur Mitte, wo eine Steinbank stand und drückte mich nach unten. Sie setzte sich neben mich und nahm meine Hand. Verwirrt sah ich sie an."Harry", fing sie ernst an zu reden, "dein Vater beobachtet uns.""Was?""Genau jetzt. Eigentlich immer und er ist nicht froh darüber, wie sich unsere Beziehung entwickelt."Was für eine Beziehung bitte?"Ich weiß", sprach sie einfach weiter, "wir kennen uns erst wenige Wochen und die Tatsache, dass wir einander heiraten werden, ohne uns richtig zu kennen ist etwas, naja... aber ich glaube, wir schaffen das. Du musst nur aufpassen, dass dein Vater zufrieden ist..."Das waren viele Informationen. "Aber was... was kann ich tun?"Kendall sah erst nach unten und dann wieder direkt in meine Augen. "Küss mich.""Was?", fragte ich erschrocken. Ich wollte sie nicht küssen."Harry, er beobachtet uns. Das wird ihn zufrieden stellen. Vorerst.""I-ich...", was sollte ich tun? "Bitte Miss, ich möchte ihnen nicht zu nahe treten. Sie sollen zu nichts gezwungen werden, nur damit mein Vater zufrieden ist"Ich sollte eher zu nichts gezwungen werden. Ich wollte sie nicht küssen."Schon okay", sagte sie und rutschte näher, "ein schneller Kuss und er wird zufriedenen sein."Ich dachte nicht wirklich darüber nach. Ich dachte nur an die Konsequenzen, wenn mein Vater nicht mit mir zufrieden wäre. Ich nickte und beugte mich zu ihr.Ich wollte das nicht. Ich wollte Louis. Ich musste doch mit ihm reden. Ehe ich mich versah, spürte ich zwei schmale Lippen auf meinen. Sie waren weich, doch fühlten sich falsch an. Kendall rutschte noch näher und widerwillig legte ich ihr eine Hand an die zierliche Wange. Sie legte ihren Kopf etwas zur Seite und vertiefte den Kuss.Gott, mir wurde schlecht. Ich wollte doch einfach nur zu meinem Geliebten Louis.Ein seltsames Geräusch, Empörung und Schluchzen zusammen, riss mich aus diesem Albtraum... und beförderte mich schlagartig in den nächsten. Kendall und ich fuhren auseinander, mein Kopf drehte sich in die Richtung, aus dem das Geräusch kam und erblickte den letzten Menschen, den ich jetzt sehen wollte."Louis", sagte ich atemlos, doch es war zu spät. Kopfschüttelnd trat er ein paar Schritte zurück, bevor er sich umdrehte und weg rannte. Ohne zu zögern und ohne auf Kendall zu achten, sprang ich auf."Lou, bitte warte!", schrie ich ihm nach und rannte los, beinahe in Liam herein."Lou!" Oh nein. Bitte nicht. Ich sah, wie er nach drinnen verschwand und die Treppe rauf rannte. Ich rannte ihm so schnell ich konnte nach. Ich war schneller, das wusste ich und so schaffte ich es, die Tür aufzureißen, durch die er gegangen war, bevor er sie zuschließen konnte."Verschwinde!", schluchzte Louis, als ich die Tür zuknallte. Er war in die hinterste Ecke des Zimmers gerannt."Louis, bitte, das ist ein Missverständnis!""Ein Missverständnis!? Wie kann das ein Missverständnis sein? Deine Zunge in ihrem Hals!?"Ich versuchte auf ihn zuzugehen, doch er wich mir aus."Ich habe euch gesehen. Du hast sie geküsst! Du... sie! Nicht sie dich! Wie kannst du mir das antun? Ich dachte, jetzt wird alles gut! Ich dachte, wir klären das!""Bitte Louis. Ich will das klären! Die letzten Tage tun mir so Leid. Kendall hat gesagt...""Kendall, Kendall, Kendall! Schieb nur alles auf sie. Ja, sie ist kein guter Mensch, doch das war dein Fehler, du hast alles kaputt gemacht. Du hast mich kaputt gemacht.""Nein Louis, bitte lass mich...", sagte ich schluchzend. Wieso hörte er mir nicht zu?"Dich erklären lassen? Nein, du hattest deine Zeit. Es ist zu spät. Ich hab dir meine verdammte Liebe gestanden. Ich liebe dich...""Bitte, mein Engel", ich ging erneut auf ihn zu, doch er wich mir wieder aus."Hör auf mit mein Engel", schrie er nun, "ich liebte dich! Mehr als alle andere. Nein... nein, ich hasse dich! Ich hasse dich dafür, dass du mich dazu gebracht hast, dich zu lieben.""Ich hasse dich dafür, dass ich in die Hölle komme und es nicht mal bereut habe...", schrie er. Tränen liefen sein Gesicht herunter."Bitte...", versuchte ich noch einmal mit dünner Stimme."Nein. Diesmal nicht. Ich kann nicht mehr. Ich kann mich nicht mehr von dir benutzen lassen."Aber ich liebte ihn doch auch. Ich wollte ihn nicht benutzen. Ich konnte ihn nicht verlieren."Aber Louis, ich lie-""Nein!", schrie Louis und kam nun auf mich zu, "wage es dir nicht, das jetzt zu sagen." Er schüttelte den Kopf und schluchzte. "Das ist alles deine Schuld."Bevor ich noch etwas sagen konnte, spürte ich einen Schmerz auf meiner Wange. Er hatte mich geschlagen. Mitten ins Gesicht.Geschockt schluckte ich und sah ihm nach, wie er aus dem Zimmer verschwand. Das passierte gerade nicht wirklich. Das konnte nicht sein.Immer noch meine Wange haltend trat ich auch aus dem Raum. Ich musste das klarstellen..."Harry." Was denn nun!?Ich drehte mich um und sah Zayn. Wütend kam er auf mich zu."Jetzt reicht es! Es ist mir herzlich egal, welchen Status du besitzt, aber du kannst nicht so mit ihm umgehen." Ich nahm meine Hand von meinem Gesicht, als Zayn mit geballten Fäusten auf mich zukam."Zayn", sagte ich, doch kam nicht zu mehr, da ich den nächsten Schmerz in meinem Gesicht merkte. Ich taumelte zurück, als ich blinzelte und etwas Warmes mein Mund und Kinn runter laufen spürte. Ich kam nicht dazu, es zu begutachten, da ich gegen die Wand gedrückt wurde."Er ist wegen dir am Ende. Du hast ihn zerstört. Er war ein Junge, sein ganzes Leben noch vor sich, aber nein, er musste sich in dich verlieben. Hör verdammt noch mal auf mit ihm zu spielen."Ich sah in seine vor Wut funkelnden Augen. Sein Gesicht verschwamm leicht, als sich Tränen in meinen eigenen bildeten. Als Zayns Griff lockerer wurde, sackte ich an der Wand zusammen. Ich landete auf meinem Po. Mein Gesicht vergrub ich in meinen Händen.Als ich wieder nach oben blickte, sah ich Zayn immer noch da stehen."Bitte", sage ich jetzt, "bitte helf mir. I-ich schaff es nicht. Ich mach immer irgendetwas kaputt. Bitte helf mir. Ich muss ihm sagen, dass ich ihn auch liebe. Und das tu ich mehr als alles andere. Bitte, ich muss das gerade biegen."Zayn sagte nichts, er starrte mich nur an. Irgendwann fuhr er sich seufzend übers Gesicht."Okay", sagte er und hielt mir eine Hand hin. Ich nahm sie und er half mir auf. "Aber nur, weil ich denke, dass es das ist, was Louis braucht. Er braucht dich, traurig aber wahr. Solltest du ihn jedoch wieder nur benutzen, dann schwöre ich...""Nein! Nein, bitte. Ich liebe ihn. Mehr als ich je dachte. Er will nicht mehr mit mir reden. Bitte.""Okay. Und wie willst du das anstellen? Ich werde ihm sicher nicht sagen, was für ein netter gutherziger Mensch du bist.""Nein", sagte ich nachdenklich, "ich hab da eine Idee, über die ich schon den ganzen Tag nach denke. Du musst nur sicherstellen, dass er auch da ist.""Gut. Was für eine Idee?"

Time Against Us • Book IWhere stories live. Discover now