28. Kapitel

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Louis POV

Unglaublich. Die Nacht war vergangen und mittlerweile fühlte ich mich schrecklich. Ich hatte Harry nicht mehr gefunden. Er war nicht auf seinen Zimmer und auch Maria, die ich nur kurz gesehen hatte, da sie schnell weiter eilte, konnte mir auch nicht mehr verraten.

Der Morgen war da und widerwillig stand ich aus dem bequemen Bett auf. Mein Nacken schmerzte und mein Kopf pochte, da ich nicht wirklich ein Auge zugetan hatte. Seufzend streckte ich mich und kniff die Augen zusammen. Heute hatte ich nicht viel zu tun. Es war auch schon früher Mittag, darum beschloss ich, meine Suche nach Harry fortzusetzen. Als ich aufstand, merkte ich den Schmerz in meinem Hinterteil nur noch minimal. Ich musste schmunzeln und der Gedanke, dass ich diesen Schmerz mehr als gern wieder in Kauf nehmen würde, kam mir in den Kopf.

Harry hatte selbst gesagt, dass wir das wiederholen sollten und am liebsten wäre mir dies auf der Stelle. Doch dafür müsste ich ihn erst einmal finden.

Nachdem ich mich frisch gemacht und angezogen hatte, schlenderte ich zuerst Richtung Küche. Wieder kamen mir viele Menschen entgegen, die eilig umher rannten und arbeiteten. In der Küche sah es nicht anders aus.

Alle Küchenkräfte wuselten herum und bereiteten allerlei Köstlichkeiten zu. Was war hier denn los? Überall zahlreiche Gerüche und kochende Sachen. Alfredo verzierte gerade eine riesige, mehrstöckige Sahnetorte.

"Alfredo, sagt, was ist denn hier los?", fragte ich den Küchenchef, der nicht von seiner Torte aufsah.

"Louis! Wisst ihr es denn noch nicht? Der Fürst ist zurück! Hoher Besuch! Hoher Besuch!", rief der Italiener aus und machte sich weiter daran, die Torte mit kleinen Röschen zu verzieren.

Der Fürst ist zurück? Darum ist Harry nicht aufzufinden. Er wird sich bestimmt den Kopf über seinen Vater zerbrechen. Der Arme. Ich wünschte, ich könnte ihm helfen.

Um aus dem Gewusel heraus zu kommen, verschwand ich schnell aus der Küche durch den Hinterausgang. Endlich etwas Ruhe. Die Sonne schien hell, jedoch nicht so warm wie gestern.

Ich ging den kleinen Weg entlang durch den eisernen Torbogen und weiter in Richtung Ländereien. Die Bienen summten und der Geruch von Lavendel lag in der Luft.

Ich ließ mein Blick schweifen und kniff die Augen etwas zusammen, als ich Harry sah. Er war ein ganzes Stück von mir entfernt, im blühenden Garten. Er war gerade so weit in meinem Blickfeld, dass ich erkennen konnte, dass er nun stehen blieb und mir den Rücken zuwandte. Die Hände hinter dem Rücken gehalten, stand er da und wartete anscheinend.

Ich musste lächeln, als eine Brise aufkam und seine Locken durchwühlte. Gerade als ich loslaufen wollte, um ihm Gesellschaft zu leisten, sah ich eine weitere Person in mein Blickfeld treten.

Eine Frau. Groß, langes braunes Haar, olivfarbenes Kleid. Augenblicklich blieb ich stehen und beobachtete die Szene vor meinen Augen.

Die Dame ging auf Harry zu und blieb meiner Meinung nach viel zu nah bei ihm stehen. Sie lachte und sagte etwas, leider war ich viel zu weit weg, um es zu verstehen.

Nun setzten sich die beiden in Bewegung. Die braunhaarige Frau hakte einen Arm bei Harry unter und streichelte immer wieder über den Stoff an seinem Arm.

Mein Herz zog sich zusammen. Unregelmäßig kam meine Atmung und Tränen drohten, heraus zu brechen. Ich erkannte noch so viel, dass Harry mit gesenktem Kopf lächelte und dem Gerede der sich ungewöhnlich elegant bewegenden Dame lauschte.

Schnell drehte ich mich weg. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und versuchte, normal zu atmen. Was war hier mit mir los? Wieso reagierte ich so? War es nicht klar? Irgendwann würde eine Frau kommen. Ich habe es gewusst, also wieso reagierte ich so?

Ich war nicht eifersüchtig. Nein, einfach nein. Das, was ich und Harry hatten, war anders. Es war... es war... ja, was war es eigentlich? Ich hatte keine Ahnung.

Schnell lief ich los. Ich lief in Richtung Ställe, einfach nur, um weg zu kommen.

Ich fütterte die Pferde, nachdem ich Josh klar gemacht hatte, dass ich gern etwas zu tun hätte.

Verwirrt, aber sich bedankend, drückte er mir gleich einen Sack Hafer in die Hand.

Verwirrt von meinen Gefühlen versuchte ich, mich zusammen zu reißen, doch so richtig wusste ich nicht, ob ich wütend war, oder traurig oder doch verletzt. Ich war einfach nur verwirrt.

"Louis?" Ich drehte mich um, um zu sehen, wer mich gerufen hatte. Am Eingang zum Stall stand Zayn und wartete.

Ich sagte nichts und wartete einfach drauf, dass er damit heraus rückte, was er wolle.

"Harry wünscht dich zu sehen", sagte Zayn und mein Herz rutschte eine Etage tiefer. "Jetzt. In seinem Zimmer", machte Zayn klar und signalisierte mir, dass ich ihm folgen sollte.

Ängstlich ging ich zu Zayn und zusammen liefen wir los. Ich fragte mich, warum er mit mir ging. Ich kannte immerhin den Weg.

"So, Louis", sagte Zayn in einer komischen Stimmlage, "wie... wie geht es dir?"

Ich blinzelte ungläubig und antworte: "Ganz gut, schätze ich." Das war gelogen. "Danke der Nachfrage."

"Das ist gut. Ja... gut." Zayn starrte geradeaus, als würde er über meine wenigen Worte nachdenken.

"Und du hast schon gehört, dass der Fürst wieder da ist?"

"J-ja", sagte ich leise, "habe ich vorhin gehört."

"Und... den Besuch, den er mitgebracht hat, der... der ist dir auch schon aufgefallen?" Ich überlegte und führte dann eines zum anderen. Die Frau an Harrys Seite muss dieser Besuch gewesen sein.

"Niall Horan, der Sohn des irischen Königs und... naja, und Miss Kendall Jenner, sie... ähm sie..."

"Ja", sagte ich kalt, "ich hab sie schon gesehen. Sie ist hübsch, nicht wahr."

"Ich.. ja, kann sein", sagte Zayn Zähneknirschend.

"Okay, hör zu Louis." Wir waren fast da, als Zayn mich am Arm festhielt und mich ansah. "Harry... also egal, was du gesehen hast, Harry ist davon ebenfalls nicht begeistert. Glaube nicht... glaube nicht... Glaube einfach nicht, was du so siehst. Ich mache mir ein wenig Sorgen um dich."

Schon wieder verwirrt sah ich Zayn an und sagte erst mal nichts. Ich wüsste auch nicht, was. Es dauerte, bis es Klick machte.

"Louis, da bist du ja", hörte ich Harry sagen und in meiner Brust schmerzte es plötzlich. Ich drehte mich zu ihm und sah Harry, der mit überkreuzten Armen im Türrahmen stand. "Komm her. Ich muss mit dir reden."

Und mit klopfendem Herzen und zitternden Schritten gehorchte ich.


Time Against Us • Book IWhere stories live. Discover now