20. Kapitel

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Harry POV

Das kann jetzt nicht wirklich sein Ernst sein, oder? Fassungslos starrte ich Louis an. Er stand einfach da, als hätte er nichts Schlimmes gesagt. Als hätte er meine Gefühle nicht verletzt.

Doch das hat er. Falsch. Das Wort fraß sich ekelhaft durch mein Gehirn, weiter durch meine pochenden Adern bis zu meinem Herz, wo es brannte und flackerte und einfach nicht aufhören wollte wehzutun.

Falsch, ich wusste, dass es falsch war. Nicht falsch für mich, aber falsch in der Ansicht der Kirche und des Königs. Wer würde es schon verstehen? Keiner. Weder die Gesellschaft noch das Volk würden es gutheißen. Aber für mich war es nicht falsch. Für mich fühlte sich nichts richtiger an als das, was ich für Louis fühlte. Ich brannte für ihn, wie ich für irgendein Weib brennen sollte, doch das ließ sich nicht mehr ändern. Und ich wollte es auch nicht ändern.

Allerdings brannte nun die Wut in mir und nicht das Verlangen. Auf ihn und auf dieses schreckliche Wort.

Ich dachte wirklich, dass Louis es genauso wie ich sehen würde. Das er dies für richtig halten würde und nicht nur für unglaublich schön.

Wie konnte ich ihn jemals wieder berühren, wenn er dies alles für falsch hält?

"Harry?", fragte der Junge vor mir und sah mich aus seinen blauen Augen besorgt an.

Ich schüttelte langsam mein Kopf und trat noch einen Schritt zurück.

"Harry, bitte sag was."

"Falsch", wiederholte ich ihn. "Falsch. Wie kannst du so etwas sagen? Wie kannst du es, nachdem was gerade geschehen ist, aussprechen, als wäre es völlig klar?" Meine Stimme erhob sich allmählich.

"Harry", versuchte Louis mich zu beruhigen, "es ist völlig klar. Nachdem, was wir beigebracht bekamen und das, was unsere Abstammung sagt, ist es das... falsch. Es ist nicht richtig und doch ist es, wie es ist. Harry..."

"Nein!", schrie ich nun und kam die Schritte, die ich zurück getreten war, nun wieder auf ihn zu. "Ich will so etwas nicht noch mal hören!"

"Harry bitte, ich-"

"NEIN!", schrie ich und kam noch näher.

"Nur weil es falsch ist, heißt das nicht, dass ich nicht-"

"Verschwinde!"

Louis fiel der Mund auf. Er sah mich an, als hätte ich ihm eine Ohrfeige verpasst. Er blinzelte ein paar Mal und stolperte dann rückwärts.

"Ha-Harry...", stotterte er entsetzt.

"Nicht", ich wandte mich von ihm ab und fuhr mir durch meine Haare. "Wie soll ich dich je wieder küssen, wenn ich weiß, dass du es für falsch hältst?"

Louis sagte nichts, sonder hob schnell seine Sachen auf, die auf dem feuchten Marmorboden lagen. Schwer schluckend warf ich einen Blick auf ihn. Er sah verwirrt aus und hektisch, als wüsste er nicht, was eben geschehen war.

Er sah noch mal zu mir, doch ich wich seinem Blick aus und drehte mich zum Fenster. Der Himmel war inzwischen dunkel, die Nacht herein gebrochen. Kalt und dunkel und einsam. Der Raum fühlte sich unglaublich leer an, als ich das Zuschlagen der Tür hörte. Leer und einsam und schrecklich fremd.

Was habe ich da gerade getan?

Ich hab Louis wirklich weggeschickt.

Weggeschickt, als würde ich ihn nicht mehr wollen.

Gott verdammt!

Wütend stürmte ich aus dem Bad. Ich dachte wirklich, dass, was auch immer da zwischen Louis und mir war, etwas Echtes war, etwas, das bestehen könnte. Ich wollte, dass es besteht, allerdings nicht so. Ich konnte nicht anders.

Als ich mich müde in meie Bett fallen ließ, vermisste ich schon den waren Körper neben mir. Die Arme, die mich umschlungen halten und die zarte Haut.

Gott, wie sollte ich dies überleben? Ich war schon jetzt kurz davor, Louis nach zu laufen.

Aber ich war der Sohn des Fürsten. Ich dürfte mich nicht von einem einfachen Stalljungen unterkriegen lassen, ihm nach rennen wie ein Hund, nein!

Louis war nichts. Nicht mehr als ein Angestellter. Es hätte jeder sein können. Jeder oder jede. Er bedeutete mir nichts. Es waren lediglich diese blauen Augen und dieser verdammte Körper.

Doch jetzt, nachdem mir bewusst war, dass es das männliche Geschlecht ist und nicht das weibliche, was mich anzog, könnte es jeder sein.

Louis war immerhin nicht der einzige mit Augen so weit wie der Himmel und Haut weicher als Seide.

Zumindest versuchte ich mir das einzureden.

Und er war nicht der einzige, den ich haben konnte. Ich könnte jeden haben den ich will, das waren seine Worte.

Doch am Ende war es die Angst, dass ich genau das nicht wollen würde, die mich die ganze trostlose Nacht wach hielt.

Time Against Us • Book IWhere stories live. Discover now