6. Kapitel

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Harry POV

Die nächste Woche versuchte ich, so gut wie komplett aus meinem Gedächtnis zu verbannen. Leider war es teilweise so verstörend, dass mir das Ganze nicht gelang. Es fing an mit einer unendlich langen Kutschfahrt.

Nachdem ich mit mieser Laune den ganzen Weg aus dem Fenster starrte und meinen schmerzenden Hintern versuchte zu ignorieren, hielt auch Maria, die mit mir in einer Kutsche gefahren war, endlich den Mund, als wir ankamen.

Maria stieg zuerst aus der stickigen Kutsche an die frische Luft. Ich wartete noch einen Moment, bis mein Name angesagt wurde.

Maria hatte vorher noch einmal sichergestellt, dass meine Jacke auch richtig saß und das ich nicht zu sehr meine Stimmung nach außen hin zeigte.

Vor mir sah ich dann ein paar Diener, Maria rechts von mir, Zayn und die Swifts.

Mr und Mrs Swift standen ein paar Meter von mir entfernt auf einer kleinen Treppe zu ihrem großen Haus. Lange nicht so groß wie unseres, aber dennoch nicht klein. Neben ihnen stand dann wohl Taylor. Ein blondes, dünnes Mädchen mit bleicher Haut. Sie war wirklich nicht zu verachten, doch etwas an ihrem selbstgefälligen Lächeln und ihrer hochnäsigen Haltung ließ mich abschrecken.

Ich versuchte angestrengt, nicht die Nase zu rümpfen. Ihre Haare waren nach oben gesteckt und das Blau ihres Kleides hatte etwa dieselbe Farbe wie ihre Augen.

Ihre Augen, blau. Blaue Augen, doch lang nicht so schön und strahlend wie die, die mir gerade in den Kopf kamen. Louis. Ich sah in Taylors Gesicht und plötzlich war auch das letzte bisschen Schönheit verschwunden. Vorsichtig schüttelte ich meinen Kopf,  um den Gedanken an Louis weg zu drängen, und um mich auf die Swifts konzentrieren zu können.

"Sir Harold Edward Styles", fing ein Bediensteter an zu reden. Ich beachtete ihn nicht, sondern versuchte, den Gedanken, dass mein Vater wollte, dass ich diese Frau heirate, gut zu finden. Es funktionierte nicht.

"Mr und Ms Swift", stellte er weiter vor, bevor Mr Swift einen Schritt auf mich zu kam und mir seine Hand entgegenstreckte. Ich nahm sie.

"Sir Harold. Ich heiße Sie willkommen in unserem Haus. Darf ich Ihnen endlich meine wunderschöne Tochter Taylor vorstellen?" In freudiger Erwartung winkte der alte Mann seine Tochter herbei. Taylor kam sofort mit sicherem Gang auf uns zu und machte einen kleinen Knicks, als sie vor mir stand.

"Sir", sagte sie etwas überheblich und blickte mir direkt ins Gesicht. "Sehr erfreut, Sie kennen zu lernen."

"Ganz meinerseits", log ich und hauchte ihr einen Kuss auf die ausgestreckte Hand. Zufrieden lächelte sie wieder.

Es war die Hölle!

Die schlimmste Woche meines Lebens. Ich sprach so gut wie kein Wort mit Taylor. Als ich am Tag nach meiner Ankunft versuchte, sie von einem Spaziergang zu überreden (nachdem ich mich selber überredet hatte), meinte sie, sie geht nicht nach draußen, wenn die Luft so feucht ist. Das würde ihrer Lunge nicht gut tun. Ich verstand sie nicht. Anscheinend war sie sich schon sicher, dass ich sie auf jeden Fall heiraten würde. Tja, falsch gedacht. Mit ihren Eltern sprach ich zum Abendessen über Länder und die Wirtschaft und das alle in die Stadt flüchteten. Ihr Vater versicherte mir immer wieder, wie lukrativ eine Vereinigung unserer Familien wäre. Ich bejahte das nur flüchtig. Im Großen und Ganzen fühlte ich mich absolut unwohl. Doch das schlimmste kam am 5. Tag, nachdem ich schon fast dachte, ich könnte mich an den Gedanken, eine Frau wie Taylor zu haben, gewöhnen ...

Ich schlenderte gerade die Gänge des Hauses entlang und fragte mich, ob ich Taylor nicht doch eine Chance geben sollte. Ich suchte sie und nachdem mir ihre Zofe sagte, dass ich sie im Gewächshaus finden würde, machte ich mich auf den Weg zu dem Gebäude, welches hinter dem Herrenhaus lag. Ich wollte Taylor wirklich noch eine Chance geben, mir nicht ganz so unfreundlich gegenüber zu treten. Ich lief weiter nach draußen und öffnete die Tür zu dem kleinen, verglasten Häuschen. Wenn es nicht so dreckig gewesen wäre und das Grün das Licht nicht gedämmt hätte, wäre mir die nächste Situation vielleicht erspart geblieben.

Leider war das ganz und gar nicht der Fall. Ich öffnete die Tür, trat ein und blickte in das erschrockene Gesicht von Taylor. Taylor, deren Korsett halb aufgeknöpft und deren Haare zerwühlt herunter hingen. Überfordert wanderte mein Blick von der zerzausten Blondine weiter zu Zayn, der nicht viel besser aussah. Erschrocken musterte er mich mit seinen dunklen Augen.

"H-Harold-", stotterte Taylor und zog beschämt die Vorderseite ihres Korsetts zu.

"Schweig", sagte ich mit ausdrucksloser Stimme. Dann wandte ich mich an Zayn.

"Ich denke wir reisen ab.... Noch heute." Und damit schmiss ich die Tür zum Gewächshaus zu.

War das nicht zu erwarten? Ich denke schon. Machte es mich traurig? Nein, eigentlich nicht. Ich war nur etwas enttäuscht von der Situation an sich. Nachdem ich mit Mr Swift gesprochen hatte - nur ein Paar Sätze, ohne genauer zu erklären, was seine Tochter doch für eine Hure ist - reisten wir ab. Meine Laune war wie am Anfang meiner Reise. Mies. Auf dem halben Weg ließ ich den Wagen anhalten und stieg aus. Maria sah mich besorgt an, doch ich hatte nicht vor, was sie dachte…

"Zayn", sagte ich, "auf ein Wort." Zayn sprang sofort von der Kutsche und kam auf mich zu. Ich deutete ihm, mir zu folgen.

"Sir, ich bitte um Verzeihung", sagte er, nachdem ich eine Weile nicht sprach.

"Nicht der Rede wert", meinte ich und guckte ihn an. Er sah mich fragend an.

Ich seufzte. "Ich wollte sie sowieso nicht heiraten. Ich bin nicht wütend und ich werde zusehen, dass die Sache unter uns bleibt. Mein Vater muss es nicht erfahren." Das war das größte Zugeständnis, das er bekommen würde.

Zayn nickte nur dankbar. Ich wollte gar nicht wissen, ob die Sache von ihm oder von Taylor ausging, denn ich freute mich einfach nur noch auf Zuhause.

"Nun gut. Lasst uns weiter fahren. Ich will endlich heim."

Ja, nach Hause. Nach Hause und das Thema Taylor endlich abhacken. Und wenn nicht jetzt, wann dann? Mein Vater kann nicht von mir verlangen, sie noch zu heiraten. Und wenn, soll er mich enterben und rausschmeißen. Ich will einfach nur nach Hause. Ruhe einkehren lassen und diese kalten, blauen Augen vergessen. Ich will lieber wieder in warmes, vertrautes Blau blicken.

Time Against Us • Book IWhere stories live. Discover now