12. Kapitel

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Harry POV

Louis Genesung ging schneller als erwartet. Vielleicht lag es auch daran, dass die Zeit mit ihm einfach nur so dahin flog. Es war eine gute Woche vergangen und Louis konnte wieder laufen, seine Wunden waren fast verheilt und die Blutergüsse waren nicht mehr blau, sondern passten sich langsam wieder seiner normalen Hautfarbe an.
Ich hatte die letzten Tage fast ausschließlich bei ihm verbracht. Er lachte öfters, was mich glücklich machte und er schien regelrecht aufzublühen.

An einem mehr als sonnigen Morgen war es soweit und die Abreise meines Vaters stand an. Ich verabschiedete mich mit wenig Tamtam von ihm, ganz anders als meine Mutter und Schwester. Gemma weinte sogar etwas. Tja, sie war schon immer mehr auf unseren Vater gepolt als ich. Dafür war ich eher das Mutterkind.
Nachdem seine Kutsche und sein Gefolge los gefahren waren, fragte ich mich, wie lange er wohl weg bleiben würde. Er hatte dies mit keinem Wort erwähnt, nur, dass er politische Sachen zu erledigen hatte. Doch das interessierte mich nicht, ich war nicht geschaffen für solche Überlegungen. Außerdem war mein Kopf sowieso voll. Voll mit Louis. Er war mittlerweile in allen meinen Gedanken und wenn ich auch nur 5 Minuten versuchte, nicht an ihn zu denken, stahl sich doch immer wieder ein Bild von seinem hübschen Gesicht in meinen Kopf.
Er war einfach unglaublich. Ich wusste nicht genau, was es war, doch ich wusste, dass er mich verzaubert hatte. Mit seinen blauen Augen und dem strahlenden Lächeln und diesen seidig weichen Haaren. Ich wusste, dass ich so nicht denken sollte, aber ich habe es satt, mich zu sträuben und träumte einfach weiter.

Nach dem Abschied lief ich schnurstracks wieder nach oben. Anklopfen tat ich schon gar nicht mehr, als ich in das Gästezimmer stürmte, in dem Louis wohnte. Erschrocken blieb ich stehen und guckte sofort zur Seite.
Louis stand nur in seinen Unterhosen vor mir und war gerade dabei, sich ein Hemd über zu streifen.

"Verzeihung, ich hätte anklopfen sollen", murmelte ich verlegen und wagte einen Blick aus dem Augenwinkel.
Louis hatte mittlerweile Hemd an und war dabei, sich schnell seine Hose überzuziehen.

"Nicht so schlimm."
"Wo...wo willst du hin?", fragte ich und ging auf ihn zu.
"Zurück in mein Zimmer, ich bin gesund und Arbeit wartet auf mich."

Ich musste schlucken. Er konnte noch nicht gehen. Ich habe mich gerade an seine Gegenwart gewöhnt, ich wollte nicht, dass er mich alleine lässt.

Verlustängste breiteten sich in mir aus und meine Beine fingen ganz leicht an zu zittern.

"Harry, alles okay?", fragte Louis und kam auf mich zu. Besorgt legte er mir eine Hand auf die Schulter und drückte sie leicht.

"Du - du musst noch nicht gehen."
"Doch, muss ich", lachte er etwas verlegen, "die Arbeit wartet auf mich. Dafür bin ja ich schließlich hier."

Da hatte er Recht. Er war hier, um sich um die Pferde zu kümmern und nicht um mich.

Noch nicht...

„Mutter?", fragte ich, als ich leise an ihre Schlafgemächer klopfte. Langsam machte ich die Tür auf und trat hinein.

„Harry, mein Engel, was kann ich für dich tun?", fragte sie und stand von ihrem Futon auf. Sie kam zu mir und küsste mich mütterlich auf die Stirn, bevor sie die Locken aus meiner Stirn strich und warm lächelte. Ich liebte sie wirklich. Keine Person strahlte mehr Wärme und Geborgenheit aus als sie, auch wenn unsere Beziehung in den letzten Jahren etwas bröckelte.

„Ich habe ein Anliegen", fing ich an. Sie nahm meine Hand und zog mich weiter, bis wir auf der Bettkante saßen. „Erzähl es mir, mein Junge."

ich hatte ihre ganze Aufmerksamkeit. Ihre großen, strahlenden Augen lagen auf mir und warteten geduldig. Um ihre Lippen lag immer noch ein Lächeln, was klitzekleine Fältchen unter ihren Augen machte. Doch sie hatte etwas Unvergängliches, ewige Schönheit.

„Es geht um Louis." Sie hörte zu, als ich schluckte und weiter sprach. „E-Er ist zurück in seinem Zimmer. Es geht ihm besser und er wird wieder anfangen zu arbeiten..."

„Das ist doch gut. Schön, dass es ihm besser geht."
„Ja! ja..j-ja, nun i-ich hab mich die letzten Tage irgendwie an ihn gewöhnt... u-und jetzt geht er wieder in sein altes Zimmer und arbeitet, und..."

„Harold, worauf willst du hinaus?"

„Nun ja, ich, also, ich bin ja der Fürstensohn, und ich hatte immer Hausunterricht und ich kenne nicht sehr viele Leute. Außerdem wird Gemma heiraten, was heißt, dass sie bald auch nicht mehr da sein wird, und dann kann sie sich nicht mehr um mich kümmern und dann bin ich ganz allein... außerdem hatte Gemma immer Sophie, ihre Zofe, ihre Spielgefährtin und ich hatte nie jemanden. Natürlich da war Maria, aber du weißt, jemanden in meinem Alter. Gesellschaft..."

„Was willst du mir damit genau sagen, Harry? Du bist 19 Jahre und etwas zu alt für einen Spielgefährten, findest du nicht auch?"

Mist, da hatte sie Recht. „Aber Gemma hat eine Zofe..."
„Du willst also eine Zofe?"

„Nein!", rief ich aus, „ich meine nicht so... nicht wirklich..." Ich fühlte praktisch, wie ich schrumpfte und ließ erschöpft meinen Kopf hängen. „...ich möchte Louis.", flüsterte ich schlussendlich, ohne meine Mutter anzusehen. Es blieb einige Sekunden still, bis sie seufzte. „Harry, Louis wurde als Stalljunge angestellt. Wenn wir ihn zu deinem Gefährten machen, haben wir wieder an dieser Stelle eine Lücke und..."

„Er kann doch beides machen! Wie du schon sagtest, ich bin zu alt für einen Spielgefährten, ich werde ihn nicht die ganze Zeit in Anspruch nehmen. Er kann immer noch seinen Teil in der Scheune tun und, und...und..."

„Harry!", brachte mich meine Mutter zum Schweigen, „wenn es dein Wunsch ist und es unbedingt sein muss... dann werden wir Louis zu deinem Gefährten befördern, mit der Vorraussetzung, dass er sich weiter um die Pferde kümmert. Er kann im Haus schlafen und du kannst mit ihm machen, was du willst. Sieh es als Geschenk von mir an, mein Kind. Dafür möchte ich aber..."
„Alles!", jubelte ich aufgeregt und klammerte mich an der Bettdecke fest. Ich konnte es nicht glauben. Mehr Zeit mit Louis!

„Ich möchte, dass wenn dein Vater wieder hier ist, du dich entschuldigst und dass ihr euch vertragt. Ich kann es nicht mit ansehen, wenn meine Familie so zerrüttet ist."

Schnell nickte ich, auch wenn mir dir Gedanke etwas missfiel. „Danke, Mutter!"

„Solange ich dich lächeln sehe." Damit drückte sie mir noch einen Kuss auf die Stirn und schickte mich nach draußen. Meine Gefühle überschlugen sich und ohne Umwege rannte ich die Treppen nach unten, Richtung Stall.

Time Against Us • Book IWhere stories live. Discover now