5. Kapitel

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Harry POV

Ich war unglaublich gut drauf. Nachdem ich mich einen Tag zuvor mit Louis vertragen hatte, war meine Stimmung ganz oben. Lächelnd lief ich durch die Gänge unseres Hauses, auf dem Weg zu den Ställen. Meine Gedanken waren so versunken und kreisten ausnahmslos um Louis, dass ich erst gar nicht merkte, wie ich angesprochen wurde.

"Sir Harold!", rief mich eine raue Stimme neben mir.

"Was ist?", fragte ich genervt und blieb stehen, um Zayn, der sich nun vor mich gestellt hatte, anzusehen. Zayn war der Wächter meines Vaters und irgendwie auch von mir. Alle anderen Wachen unterlagen seinem Befehl, und das, obwohl er nur etwas älter war als ich. Seine braunen Augen und dunkle Haare hatten etwas Bedrohliches an sich und ich musste sagen, dass ich Respekt vor ihm hatte.

"Ihr Vater wünscht sie zu sprechen, Sir. Sofort." Genervt verdrehte ich die Augen und nickte, bevor ich an ihm vorbei ging. Bitte keine langen Reden. Eigentlich wollte ich nur zu Louis und.... Ja, was wollte ich eigentlich. Ich hab in der letzten Woche mehr Zeit zwischen Pferden, Mist und Heu verbracht, als in meinem ganzen Leben zuvor und es machte mir nichts aus. Louis veränderte irgendetwas. Ich freute mich praktisch jeden Morgen darauf, aufzustehen und aus meinem Zimmer zu stürmen, um  Louis zu sehen...

Seine Anwesenheit war einfach angenehm und irgendwie wollte ich, dass er mich verstand. Er sollte nicht denken, dass ich verwöhnt war. Denn das war ich nicht, wirklich nicht.

Doch ich musste mich jetzt auf eine Konversation mit meinen Vater einstellen. Vorsichtig klopfte ich an die Tür seines Arbeitszimmers und öffnete sie, ohne auf eine Antwort zu warten. Aber anstatt meines Vater, fand ich meine Mutter vor, die gerade irgendetwas an dem großen Holzschreibtisch schrieb.

Sie hob den Kopf an, kurz nachdem sie mich bemerkte.

"Harry, da bist du ja", sagte sie und beendete sofort ihre Schreibarbeiten.

Ich dachte, mein Vater wollte mich sprechen?

"Ich hoffe, du bist deinem Vater nicht zu böse. Er meint es doch nur gut. Zayn und Maria werden dich begleiten. Ich hoffe wirklich, dass du deine Meinung noch einmal änderst..."

Was zur Hölle meinte sie? Doch leider kam ich nicht dazu nachzufragen, denn sie sprach schon weiter.

"Taylor soll wirklich hübsch sein. Ich denke, ihr werdet euch verstehen. Versuch es zumindest, bitte. Für dein Vater und für unser Land."

Ich wusste, was das heißt. Doch das konnte nicht sein Ernst sein. Ich hatte meinem Vater gesagt, dass ich Taylor nicht zur Frau nehmen will. Egal was komme!

"Harold, du hast doch schon mit deinem Vater gesprochen oder?", fragte meine Mutter besorgt.

Das meinte er doch hoffentlich nicht ernst…

"Vergiss es, Vater!", brüllte ich, als ich voller Wut in den Fürstensaal stürmte. Meine Mutter hatte ich alleine in seinem Arbeitszimmer stehen gelassen und bin sofort hierher gerannt. Mit geballten Fäusten lief ich auf den alten Mann auf seinem Thron zu, der mich jedoch nur ausdruckslos musterte.

"Ich will sie nicht heiraten und das wird auch kein Besuch ändern!"

"Harold, schweig! Ich will nichts mehr von dir hören, du wirst fahren. Du wirst Taylor kennen lernen und du wirst aufhören, dich wie ein Kind zu benehmen. Und nun geh mir aus den Augen."

Ich schäumte vor Wut und dachte gar nicht daran, jetzt zu gehen. Doch bevor ich einen weiteren Schritt mit erhobenen Fäusten nach vorne gehen konnte, wurde ich an beiden Armen gepackt. Ich merkte gar nicht, dass ich auf ihn losgegangen war. Ich wurde von Zayn nach hinten gezogen.

"Bring ihn in sein Zimmer und verschließ es bis zum Aufbruch! Ich will ihn nicht mehr sehen." Und damit wurde ich zur Tür raus gezogen, die krachend vor meiner Nase zuschlug.

Ich wollte nicht weg! Nicht jetzt! Noch nie wollte ich mehr hier bleiben als vorher. Jetzt, wo ich irgendwie glücklich war und das jeden Morgen. Jetzt musste ich zu Besuch an einen Hof einer Hure gehen. Und das schon früher als ich mir erhoffte...

Nach einer langen Nacht, eingesperrt in meinem Zimmer wie ein Gefangener, wurde die Tür aufgeschlossen und ich endlich befreit. Immer noch wütend starrte ich weiter aus dem Fenster, ohne zu sehen, wer gerade in mein Zimmer kam.

"Sir Harold, machen sie sich fertig. Ich hab Ihnen ihre besten Sachen rausgelegt. Hopp Hopp, waschen und anziehen, die Kutsche wartet." Seufzend drehte ich mich zu Maria um, die durch mein Zimmer wuselte und Sachen in einen großen Koffer stopfte.

"Also geht es schon heute los?", fragte ich, die Antwort schon kennend. Maria nickte und sah mich mitleidig an.

"Oh Sir, es tut mir leid. Doch ihr Vater..."

"Schweigt!", schrie ich die gute Frau an, "ich will nichts mehr von diesem Mann hören."

Maria schüttelte nur leicht den Kopf und widmete sich wieder dem Packen.

Nachdem ich fertig war und Maria an meiner Jacke rumgezupft hatte, bis alles saß, stand ich nun unten im Hof. Ich verabschiedete mich gerade von meiner Mutter und Gemma, und hoffte, dass mein Vater sich nicht blicken ließ, als mir Louis einfiel. Ich wollte mich von ihm verabschieden. Sagen, dass ich ihn nicht mehr besuchen könnte, doch ich wurde schon zu Maria in die Kutsche geschoben. Was er wohl dachte? Vielleicht dachte er, dass ich ihn nicht mehr sehen wollte, vielleicht dachte er, dass es mir zu langweilig geworden war, mit ihm zu reden. Ich sollte mir darüber keine Sorgen machen. Ich war der Sohn des Fürsten, verdammt noch mal! Was ein Angestellter dachte, sollte mich eigentlich nicht interessieren. Doch ich ertappte mich dabei, wie ich meinen Blick aus dem Fenster schweifen ließ, in der Hoffnung, den Jungen mit den blauen Augen noch einmal zu sehen.

Time Against Us • Book IWhere stories live. Discover now