xXx Kapitel 42 xXx

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Der Griff um meine Brust ließ nach. Schnell stieß ich mich von der Wand ab, die sich neben mir befand und erreichte die lang ersehnte Oberfläche. Panisch schnappte ich nach Luft und stellte erschrocken fest, dass der Tunnel, durch den wir hereingekommen waren, längst von dunklen Wassermassen verschlungen worden war.

Langsam begann ich zu realisieren, was geschehen war. Ich entdeckte Mailin, ihr Arm war Blutverschmiert. Trotzdem schien es ihr noch gut genug zu gehen, um sich an der Wasseroberfläche zu halten. Helena musste es gelungen sein, sie mit ihrem Dolch zu verletzt und mich dadurch zu befreien.

Eine Hand krallte sich um meinen Oberarm und zerrte mich erneut unter die Wasseroberfläche. Schnell tauchte ich wieder auf und erkannte Helena neben mir.

„Wir müssen hier raus!", sie deutete in die Richtung, in der sich der Gang befunden hatte.

Sie hatte Recht, wenn wir uns nicht beeilten, würden wir hier drin ertrinken. Mailin und Nils mussten sich selbst retten. Solange sie in dieser verzerrten Wirklichkeit gefangen waren und wir keinerlei Chancen hatten, zu ihnen durchzudringen, konnten wir ihnen nicht helfen. Wir würden uns nur zusätzlich in Gefahr begeben und am Schluss wäre niemandem geholfen.

Erneut tauchte ich ab, nur dass ich dieses Mal darauf gefasst war, lange die Luft anzuhalten. Irgendwo in den Tiefen des Wassers entdeckte ich einen dunklen Fleck. Dies musste der Tunnel sein. Schnell stürzte ich mich in die Tiefe, doch noch bevor ich den Tunnel erreicht hatte, wurde es stockdunkel um mich herum. Das Wasser hatte die Fackeln erreicht, wir waren zu langsam. Panisch schaute mich um, suchte nach Helena, doch in der Dunkelheit war es unmöglich sie ausfindig zu machen. Schmerz durchfuhr meinen Körper, als ich gegen die Wand prallte. Völlig orientierungslos tastete ich nach der kühlen Steinmauer und zog mich ihr entlang in die Tiefe. Wäre ich nicht bereits direkt auf den Tunnel zu geschwommen, hätte ich ihn niemals gefunden. Hoffnung flammte in mir auf, dass Helena ihn ebenfalls fand. Vielleicht war sie nur wenige Meter von mir entfernt, denn in dieser totalen Finsternis sah ich rein gar nichts.

Den Wänden entlang schwamm ich durch den Tunnel, wobei ich mich immer wieder an der rauen Oberfläche der Wand verletzte, wenn ich mit dem Arm dagegen stieß. Endlich mündete er in den zweiten Saal. Hier war es zwar um einiges weniger Dunkel und doch fiel es mir schwer, mich unter Wasser zu orientieren. Zum Glück wusste ich, dass sich die Treppe auf der linken Seite befand, also tauchte ich in diese Richtung.

Mit jedem Zug, den ich in Richtung Treppe machte, fühlte ich mich schwächer. Schwindel überkam mich und zwang mich beinahe aufzugeben. Erst als mich meine Kraft vollkommen verlassen hatte und ich kurz davor war zu verzweifeln, erreichte ich den Fuß der Treppe. Ein winzig kleiner Hoffnungsschimmer flammte in mir auf, ich war noch nicht verloren. Schnell kletterte ich die Stufen empor und stieß meinen Kopf durch die Wasseroberfläche. Ein dämmriges Licht kam aus dem Flur, der nur noch ein paar Stufen von mir entfernt war.

Erschöpft rappelte ich mich auf und erklomm die letzten paar Stufen. Überglücklich fiel mir Helena um den Hals, die es allem Anschein nach etwas früher durch den Tunnel geschafft hatte.

„Ich hatte Angst, dass du es nicht mehr geschafft hast", Freude spiegelte sich in ihren eisblauen Augen wider.

Sekunden verstrichen, erst dann löste sie sich wieder von mir. Hinter uns erklang ein lautes Rauschen und das Wasser ging blitzschnell zurück.

„Verschwinden wir von hier", holte mich Helena zurück in die Realität und mir wurde bewusst, dass wir das Spiel noch lange nicht gewonnen hatten. Schnell rannten wir den düsteren Gang entlang. Nachdem wir einem Labyrinth aus Gängen gefolgt waren, fanden wir einen kleinen rechteckigen Raum, er war vollkommen leer.

Schritte erklangen und ich glaubte bereits, dass es Mailin und Nils waren, die unsere Fährte aufgenommen hatten. Zur Sicherheit zog ich mein Schwert, doch es war Kian, der völlig außer Atem durch die Tür stolperte.

„Ist bei euch alles in Ordnung?", er musterte uns skeptisch von oben bis unten, „Was ist passiert?"
„Das spielt jetzt keine Rolle", erwiderte Helena, als jemand in der Tür erschien.

Schnell griff Helena in ihre Jackentasche und hielt dem Blick ihres Vaters tapfer stand.

„Du hast etwas das mir gehört", sagte er mit eisig kalter Stimme an seine Tochter gewandt.

Überrascht schaute ich zu Helena, die stocksteif dastand und dem König einen wütenden Blick zuwarf. Hatte sie sich die Eisblume geholt? Im Eifer des Gefechts hatte ich diese vollkommen vergessen.

„Helena, es kann alles wieder so werden wir es einmal war. Du musst mir bloß die Blume zurückgeben. Wenn du willst, kann ich sogar all deine Freunde verschonen."

Helena ging nicht auf die Worte ihres Vaters ein. Ein Schatten hatte sich über ihr Gesicht gelegt, inzwischen war ihr einiges klar geworden. Ihr Vater hatte sie ihr ganzes Leben lang angelogen.

„Nein", antwortete sie mit fester Stimme, „Es wird niemals wieder so werden wie es war. Du hast zu viel kaputt gemacht."

„Aber Helena, das war alles nur zu deinem Besten."
Eine Windböe erfasste den König und riss ihn von den Füßen.

„Es war zu meinem Besten, dass du Sam in ein Monster verwandelt hast?", schrie sie ihn wutentbrannt an, „War es zu meinem Besten, Nils auf deine Seite zu ziehen? Ihn zu einem Verräter zu machen? War es zu meinem Besten, mich und die ganze Stadt im Glauben zu lassen es gäbe keine Magie?"

Ein elektrisches Knistern lag in der Luft. Mir wurde schlagartig bewusst, wie viel Magie Helena besaß. Sie hatte diese nicht nur von ihrem Vater geerbt, sondern auch von ihrer Mutter, denn was hatte der alte Mann gesagt? Helenas Mutter sei eine Fee gewesen?

In Sekundenbruchteilen sank die Temperatur um einige Grade. Nun schien auch dem König bewusst zu werden, dass Helena zu einer Gefahr werden könnte.

„Helena", versuchte ich sie darauf aufmerksam zu machen, dass Kian und ich auch noch da waren. Wenn sie so weiter machte, würde sie uns alle schockfrosten.

Erschrocken machte sie einen Schritt zurück.

„Das wollte ich nicht", wisperte sie und starrte verblüfft auf ihre Hände, die zuvor noch zu Fäusten geballt waren.

Die Temperatur begann wieder anzusteigen.

„Du bist die Einzige, die es mit dem König aufnehmen kann", flüsterte ich ihr zu.

„Ich weiß nicht, ob ich das kann", ihre Stimme klang heiser, „Selbst nach all dem, was er uns angetan hat, ist er immer noch mein Vater."

Damit hatte sie Recht und doch stand sein Leben gegen das unsere.

Eissplitter - Kalt wie SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt