xXx Kapitel 4 xXx

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Es schneite. Ein kalter Wind wehte mir entgegen. Die harten Eiskristalle schmerzten in meinem Gesicht. Es war, als wäre das Wetter genauso aufgebracht über diesen schrecklichen Tag wie ich. Als würde es aus Mitleid weinen.

Ich hatte Mühe mit meinen Schuhen, die einen hohen Absatz hatten, durch den weichen Neuschnee zu stapfen. Mein Outfit war alles andere als schneetauglich und doch dachte ich keine Sekunde darüber nach umzudrehen. Mir war klar, dass bereits in einer halben Stunde die Ausgangssperre begann und bis dahin musste ich einen Unterschlupf finden. Ansonsten würde mich der Sicherheitsdienst aufsammeln. Dann hätte ich bald noch schwerwiegendere Probleme, als vor meinem Ehemann zu fliehen.

Mir gingen Finjas Worte durch den Kopf. Sie meinte, ich könne jederzeit zu ihr kommen, wenn ich Hilfe benötigte. Im Moment wäre dies allerdings eine schlechte Option. Dort würden mich Sam und Mailin als erstes suchen. Angestrengt dachte ich darüber nach, wo ich hin könnte. Währenddessen kämpfte ich gegen den Schnee an und sah kaum etwas im Schneegestöber. Ein falscher Schritt und ich verlor auf einer eisigen Fläche das Gleichgewicht. Unsanft landete ich im Schnee, rappelte mich wieder auf und zerriss dabei das Hochzeitskleid. Schritt für Schritt kämpfte ich mich durch das Schneegestöber. Bald hatte ich den nobleren Teil der Stadt hinter mir gelassen. In den heruntergekommeneren Quartieren fühlte ich mich seltsamerweise gleich etwas sicherer. Ich wusste, dass sich ganz in der Nähe in einer Nebengasse ein Pub befand, das Zimmer zum Übernachten anbot. Hier würde Sam mich ganz bestimmt nicht suchen. Nicht in einer solche heruntergekommenen Absteige.

Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, bis ich endlich die alte Holztafel entdeckte. Sie hing an der Hauswand eines alten Holzhauses direkt über der Eingangstür. Inzwischen war der Rock meines Kleides vollkommen zerrissen, schmutzig und nass. Ich legte den zu grossen Mantel so zurecht, dass man möglichst wenig von dem Kleid zu sehen bekam. Ich wollte nicht mehr Aufmerksamkeit auf mich ziehen, als unbedingt notwendig. Dies tat ich ohnehin schon, da ich als Frau zu so später Stunde alleine hier draussen herum irrte.

Während ich auf das Pub zueilte, spürte ich, dass ich beobachtet wurde. Auf der anderen Strassenseite standen ein paar Männer, die mich neugierig anstarrten. Ich wollte so schnell es ging hier weg, mir war es nicht mehr wohl in meiner Haut.

Erleichtert erreicht ich den Eingang des Pubs, stiess die Tür auf und strauchelte hinein in den düsteren aber angenehm warmen Raum. Ich fing mich wieder und eilte zur Bar. Das Pub wirkte ausgestorben. Es befanden sich lediglich der Eigentümer der Kneipe und zwei ältere Herren, die an einem Tisch sassen und Karten spielten, im Lokal. Selbstverständlich waren um diese Uhrzeit nur so wenige Gäste hier. In fünf Minuten begann die Ausgangssperre, dann mussten alle zu Hause sein oder durften das Lokal nicht mehr verlassen.

„Ich brauche ein Zimmer für diese Nacht", bat ich den Mann hinter der Theke und hoffte insgeheim, dass noch ein Zimmer frei war.

Der Mann schien um die vierzig zu sein, wirkte aber sehr verlebt, als hätte er einen grossen Teil seines Lebens dem Alkohol gewidmet. Ich kannte viele Leute, die dieser Sucht zum Opfer gefallen waren. Manchmal war eine Flasche Wodka das einzige, was das Leben in dieser oft so trostlosen Welt erträglich machte. Zudem hielt sie dich in dieser eisigen Kälte warm.

„Ein Zimmer für eine so junge, reizende Dame?", fragte der Mann überrascht. In seinem gräulichen Haar befanden sich überall kahle Stellen und sein Atem roch nach Whiskey und Rauch. Er musste bis vor kurzem noch hinter der Theke eine Zigarre geraucht haben.

Ich nickte und hielt seinem stechenden Blick stand.

„Hat die junge Lady denn genügend Geld bei sich, um das Zimmer zu bezahlen?", er schaute mich neugierig an. Sein Blick schien mich zu verschlingen. Gier lag in ihm und diese Gier galt definitiv nicht meinem Geld.

Eissplitter - Kalt wie SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt