xXx Kapitel 17 xXx

162 16 3
                                    


Sam hatte uns alleine auf dem Dach zurück gelassen. Helena hatte sich vor mich hingestellt und warf mir einen bösen Blick zu. Obwohl sie kleiner war als ich, wirkte sie bedrohlich.

„Glaub bloss nicht, dass du gewonnen hast!", fuhr sie mich wütend an.

Überrascht starrte ich sie an. War das ihr Ernst? Wir befanden uns in Gefahr und sie hatte nur ihren Streit im Kopf?

„Egal was du für ein Problem hast, ich denke nicht dass hier der richtige Ort ist um...", ich konnte meinen Satz nicht beenden.

„Das ist mein Königreich und solange du hier lebst, werde ich dir dein Leben zur Hölle machen!"

Helenas Hund hatte sich wieder zu ihr gesellt. Dieser schaute mich mit scharfem Blick an. Jetzt schien selbst ihm klar zu sein, dass Helena und ich keine Freunde waren.

Ohne auf Helenas Worte einzugehen, stiess ich sie zur Seite, damit ich zur Tür kam. Ich eilte die Treppe hinunter. Kaum hatte ich die letzte Stufe hinter mir gelassen, hörte ich, wie Helena mir folgte. Anscheinend war sie doch nicht ganz so mutig, wie sie mich eben noch glauben liess.

„Wie kommen wir von hier am schnellsten zu den östlichen Bezirken der Stadt?", ich hatte mich zu Helena umgedreht, die mit ihrem Hund die Treppe hinunter stürmte.

„Ohne das Hauptgebäude zu durchqueren?", Helena überlegte einen Moment, „Da gibt es eigentlich nur einen guten Weg. Die meisten Wege führen leider durchs Hauptgebäude."

Warum auf einmal so freundlich? Ich war ein klein wenig verwirrt, wagte es aber nicht, nach dem Grund dieser plötzlichen Sinneswandlung zu fragen. Es war deutlich angenehmer von hier zu fliehen, wenn wir uns wie normale Menschen unterhalten konnten.

Ich folgte Helena ein paar Stockwerke in die Tiefe. Als wir einen Flur entlang rannten, war auf einmal lautes Getrampel zu hören. Schnell führte Helena mich in einen Raum, in dem sich eine Art Bibliothek befand. Jedenfalls standen unzählige Bücherregale darin aufgereiht.

„Was nun?", zischte ich Helena an. Der Plan sich in einer Bücherei zu verstecken, fand ich alles andere als ausgeklügelt.

Helena ignorierte mich gekonnt. Vorsichtig kletterte sie auf eines der Regale, während ihr Hund unten auf dem Boden nervös seine Runde zog. Oben auf dem Bücherregal angekommen, fummelte Helena an der Decke herum. Erst beim genaueren Hinschauen stellte ich fest, dass dort oben ein Lüftungskanal verlief. Helena schien gar nicht so hilflos zu sein, wie ich erst dachte. Auf den Kopf gefallen war sie jedenfalls nicht.

„Reich mir Cara hoch", bat sie mich, während sie mir ihre Arme entgegen streckte.

Ich musterte den Hund. Er war ziemlich gross, also stellte ich mich darauf ein, dass er auch schwer war. Als ich nach dem Hund griff, entfuhr diesem ein leises Knurren. Auf der Stelle liess ich ihn wieder los.

„Cara, lass gut sein", sprach Helena ihrer Hündin gut zu. Erneut griff ich nach ihr. Dieses Mal wehrte sie sich nicht. Vorsichtig gab ich Cara an Helena weiter. Diese bugsierte die Hündin durch das Loch in der Lüftung, das zuvor mit einem Gitter verschlossen war. Auch Helena verschwand durch das Loch. Eilig erklomm ich das Bücherregal und wollte ihr bereits folgen, als Helena mir das Gitter in den Weg hielt.

„Was soll das?", fragte ich irritiert.

„Nur damit eines klar gestellt ist. Sam gehört mir", Helenas Augen blitzten auf, ich glaubte für einen kurzen Moment etwas Glühendes in ihren ansonsten eisblauen Augen zu erkennen.

Ich blinzelte, „Ist das dein Ernst? Dann nimm Sam, aber lass mich endlich durch!"

Vielleicht würde ich das eben gesagte irgendwann noch bereuen, doch im Moment war mir dies ziemlich egal. Ich wollte einfach hier weg. Zudem was hatte ich zu verlieren? Wenn Sam Helena wollte, dann war es seine Entscheidung. Wenn nicht, würde Helenas Plan ohnehin nicht aufgehen. Ich verdrängte diese Gedanken wieder. Es war nicht der richtige Ort und vor allem nicht die richtige Zeit, um darüber nachzudenken.

Helena kroch auf die Seite und ich konnte mich ebenfalls in den Lüftungsschacht quetschen. Vorsichtig montiere Helena das Gitter, bevor wir unseren Weg fortsetzten.

„Der Lüftungsschacht verläuft über dem Gang", teile Helena mit mir, als ich hinter ihr her kroch. Cara eilte voraus, sie hatte keinerlei Mühe, sich in dem engen Schacht fortzubewegen.

„Wir müssen ab jetzt leise sein", fügte sie flüsternd hinzu. Ich nickte als Antwort, obwohl Helena dies wohl kaum sah.

Ich kroch hinter Helena diesen erdrückend kleinen Schacht entlang. Unter mir hörte ich das Geräusch von Schritten. Ob es Leute des Königs oder die Angreifer waren, konnten wir nicht feststellen. Vor allem da nicht klar war, was genau geschehen war. Es konnte gut sein, dass sich ein paar Leute des Königs gegen ihn gewendet hatten. Dies bedeutete, sie konnten im Moment nicht zwischen Freund und Feind unterscheiden. Jeder der ihnen begegnete, war ein potentieller Feind.

Irgendwann, als ich bereits nicht mehr daran glaubte, dass ich jemals aus diesem Schacht raus kommen würde, hielt Helena inne. Sie rüttelte an einem Gitter, das sich nur mühsam aus der Fassung löste. Dann schaute sie in die tiefe. Es war stockdunkel im Schacht, da sich im darunter liegenden Raum keine Lichtquelle befand.

„Ich glaub wir müssen springen", stellte Helena nüchtern fest und pfiff Cara zurück. Sie bedeutete dem Hund, in die Tiefe zu springen. Ohne zu zögern gehorchte sie und landete sanft auf dem darunter liegenden Boden. Helena landete weitaus weniger sanft. Mit einem lauten Krachen kam sie auf dem harten Betonboden auf. Sie gab ein schmerzverzerrtes Stöhnen von sich, schien aber nicht ernsthaft verletzt zu sein. Also folgte ich ihr, froh darüber endlich dieser Enge zu entkommen. Mit einem harten Aufprall landete ich auf dem Boden und stiess gegen einen Besen, der an der Wand lehnte. Befanden wir uns etwa in einer Putzkammer?

Vorsichtig tastete ich mich der Wand entlang. Das einzige, was ich erkennen konnte, war Caras weisses Fell, das in der Dunkelheit schimmerte.

Ein heller Lichtstrahl blendete mich. Ich blinzelte und stellte fest, dass Helena eine Tür geöffnet hatte. Ein kühler Wind wehte uns entgegen, die Tür führte also nach draussen.

„Wo sind wir?", fragte ich sie neugierig. Im Moment schien unser Streit auf Eis gelegt zu sein.

„Im nördlichsten Gebäude", antwortete Helena, während sie durch die Tür schlüpfte. Schnell folgte ich ihr, Cara im Schlepptau.

Wir standen auf den Absatz einer Feuertreppe. Durch das Konstrukt aus Eisen, sah man hinunter in die Tiefe. Ich war froh, dass ich nicht an Höhenangst litt und doch überkam mich ein seltsam schwindelerregendes Gefühl. Ich wollte so schnell wie möglich hier runter. Ohne auf Helena zu warten, eilte ich die Treppe hinunter. Dem leisen Gepolter hinter mir entnahm ich, dass sie mir dicht auf den Fersen war.

Bald hätten wir die luxuriösen Hochhäuser hinter uns gelassen, das hiess, mein Spezialgebiet war an der Reihe. Vielleicht war dies der Grund, weshalb Helena so schnell aufgegeben hatte und nicht länger mit mir über Sam streiten wollte. Helena war nicht dumm. Sie wusste, dass ich sie immer noch im Stich lassen könnte, wenn ich wollte. Sie hatte ihren Part erfüllt, meiner lag noch vor mir.

Der Gedanke, Helena einfach zurückzulassen klang verlockend. Doch ich hatte es Sam versprochen und wenn ich mein Versprechen brach, würde er mich hassen. Ich könnte sagen, es sei ein Unfall gewesen...

Eissplitter - Kalt wie SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt