xXx Kapitel 10 xXx

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Im Nu war ein Monat verstrichen. Sam und ich kamen gut miteinander klar. Trotzdem hatten wir es nicht geschafft, das Eis zwischen uns zu brechen. Wir waren so etwas wie Freunde geworden und verstanden uns meistens ziemlich gut, aber mehr war da nicht. Der Gedanke, dass ich seine Ehefrau war, kam mir immer noch seltsam vor. Ich fragte mich, ob es das war was Sam wollte oder ob er mich eines Tages mit den Worten, es hätte zwischen uns doch nicht so geklappt, wie er es erhofft hatte, vor die Tür stellte.

Es war Freitagabend als Sam nach Hause kam und mir mitteilte, dass wir morgen Abend zu einem Dinner eingeladen seien.

Er hatte für mich Schmuck und ein schönes Abendkleid organisiert. Ich war überrascht, wo hatte er wohl all diese Luxusgüter aufgetrieben? Jedenfalls passte alles wie angegossen.

Als ich mich bereit machte, merkte ich, wie froh ich war, dass ich mich dieses Mal alleine zurechtmachen durfte und dies nicht Sams Schwester übernahm. Obwohl ich eigentlich nichts gegen Mailin hatte, mochte ich mit ihr im Moment nicht über Sam und unser Zusammenleben diskutieren. Da ich noch nie gut darin war, mit meinen Haaren eine hübsche Frisur zu zaubern, liess ich sie einfach offen über meine Schultern fallen. Zugegeben, so gefielen sie mir persönlich auch am besten.

„Du sieht gut aus", stellte Sam fest, als ich nach einer gefühlten Ewigkeit aus dem Bad kam.

Ich lächelte als Antwort, während ich Sam im edlen Anzug musterte. Das schwarz des Anzuges machte ihn etwas blass, dafür kamen seine grünen Augen umso besser zur Geltung. In seinen normalen Klamotten gefiel er mir trotzdem besser.

Wir machten uns auf den Weg, durchquerten erneut ein paar Gebäude und nahmen schliesslich den Fahrstuhl, mit dem wir ins oberste Stockwerk fuhren. Als wir ausstiegen, befanden wir uns mitten in einer Garderobe. Ein Kellner empfing uns und drückte mir zur Begrüssung gleich ein Glas Sekt in die Hand. Bereits jetzt war ich überwältigt, obwohl ich erst in der Garderobe stand. Den eigentlichen Saal hatte ich noch gar nicht gesehen. Wir gingen weiter durch einen hohen Torbogen und betraten den Saal. Er war riesengross und hatte die Form eines Kreises. Die Wände bestanden aus wenigen Stützen und einer grossen Glasfront. Durch die Fenster konnte man über die ganze Stadt hinweg blicken. Die Decke des Saales war Kuppelförmig und hatte die Optik von Marmor. Kurz gesagt, der Raum sah aus, als wäre er aus einem Märchenbuch entsprungen.

Wir befanden uns in einem der grössten Hochhäuser der Stadt, in der obersten Etage. Dies hatte Sam mir auf dem Weg hier hin erklärt. Hier hinauf kamen nur sehr wenige und vor allem wichtige Leute, zu denen gehörte ich eigentlich nicht. Wie es schien, zählte aber Sam zu den wichtigen Leuten, weshalb ich dicht an seiner Seite stehen blieb.

Der Raum wurde von fünf grossen Kronleuchtern beleuchtet, die warmes Licht im Saal verteilten. Auf der einen Seite des grossen Saales waren bereits Tische für das Nachtessen gedeckt. Goldenes Geschirr lag perfekt ausgerichtet neben den Tellern. Kerzen, umgeben von Edelsteinen, schmückten die Tische, die Stühle waren mit roten Polstern bedeckt. Alles in diesem Raum schien geradezu perfekt zu sein.

Auf der anderen Seite standen lauter nobel gekleidete Personen mit ihren Sektgläsern in den Händen. Ich war eine von ihnen. Zwar war auch ich nobel gekleidet und doch fühlte ich mich als Aussenseiterin. Als ein Stück Dreck in einer so perfekten Umgebung.

Sam deutete hinüber zum Fenster und wir bahnten uns einen Weg dorthin. Er begrüsste einen Mann im schwarzen Frack und stellte mich ihm vor. Danach unterhielten sich die beiden, während ich aus dem Fenster schaute. Den Namen des Mannes hatte ich bereits wieder vergessen. Ich war noch nie gut darin gewesen, mir Namen zu merken.

Von hier oben wirkte die Stadt überwältigend. Ich konnte selbst das schwach beleuchtete Kriegsschiff sehen, in dem ich mein bisheriges Leben verbracht hatte. Von Zeit zu Zeit flackerte in diesem Stadtteil das Licht. Es war das Quartier, in dem die ärmeren Stadtbewohner lebten.

Mein Blick wanderte an den Lichtern vorbei, hinaus auf das zugefrorene Meer und dann hinüber zum nie enden wollenden Wald. Ich stellte mir vor, was dort draussen alles auf mich lauerte. Bären, Wölfe, die eisige Kälte, hohe Berge und vielleicht sogar der Tod? Es gab aber auch schöne Dinge da draussen. Bastian hatte mir erzählt, dass er einen Sonnenaufgang gesehen hatte, irgendwo auf einem Berg, ganz ohne diesen seltsamen Nebelschleier. Ein Ort der Ruhe, der Freiheit, mitten in der unberührten Natur.

„Hey Mara", erschrocken fuhr ich herum. Ich hatte nicht mitbekommen, dass jemand gekommen war. Es war Bastian, der meinem Blick hinaus in die Ferne gefolgt war.

„Du möchtest auch mal da raus?", fragte er mich neugierig.

Ich zuckte mit den Achseln, „Weiss nicht... Vielleicht irgendwann mal, nur um zu sehen, ob alle die Geschichten stimmen, die du mir erzählt hast."

Bastian grinste neckisch, „Jedes einzelne Wort davon ist wahr."

„Bastian, setz Mara keine Flausen in den Kopf", Sam hatte sich uns zugewandt, scheinbar war sein Gespräch mit dem Frack tragenden zu Ende.

„Sowas würde ich niemals machen", versicherte Bastian ihm mit einem spöttischen Grinsen im Gesicht.

„Weshalb hast du die Ehre hier zu sein?", wunderte sich Sam.

Bastian setzte eine gespielt beleidigte Miene auf, „Weisst du überhaupt wie wichtig mein Job ist? Zumindest der Teil, der nichts mit dem Pflegen der Hunde zu tun hat. Ohne mich und meine Hunde wären die Aussenbezirke die meiste Zeit komplett von uns abgeschnitten. Was verschafft dir eigentlich die Ehre, du als kleiner Soldat."

Etwas Herausforderndes lag in Bastians Miene. Sam lächelte seinem Kumpel bloss geheimnisvoll zu. Selbst ihm schien er nicht zu verraten, was genau seine Aufgabe war und weshalb er zu den wichtigen Leuten gehörte.

Eissplitter - Kalt wie SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt