xXx Kapitel 36 xXx

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Was die nächsten Stunden geschah, hatte ich nur noch am Rande mitbekommen. Kian hatte mich in ein Zimmer geführt, in dem ich die Nacht verbringen sollte. Lange saß er neben mir auf dem Bett, während ich kaum ansprechbar war. Vor meinen Augen spiegelte sich Sams lebloser Körper und all das Blut, das über meine Hände geflossen war – sein Blut.

Irgendwann bat Kian mich darum, dass ich mich schlafen legte. Also gehorchte ich, ohne auch nur eine Sekunde daran zu glauben, erholsamen Schlaf zu finden. Lange blieb mein Bruder noch an meiner Seite, bis er dachte, ich schliefe. Erst dann löschte er das Licht und verließ den Raum. Mehrmals wälzte ich mich von der einen Seite des Bettes zur anderen, fand aber auch nach Stunden keinen Schlaf. Jedenfalls glaubte ich dies, bis ich auf einmal hoch schreckte, da sich erneut schreckliche Bilder vor meinen Augen abgespielt hatten.

Ich musste eingenickt sein, dachte ich mir, während ich mich in der Dunkelheit versuchte zu orientieren.

Ein Schatten, der sich von der übrigen Dunkelheit abhob, schien sich durch mein Zimmer zu bewegen. Ich zuckte zusammen, befand sich jemand in meinem Zimmer? War Kian zurückgekehrt?

Da ich keine Ahnung hatte, wo und wie ich das Licht im Raum anzünden konnte, blieb mir nichts anderes übrig, als abzuwarten, bis sich meine Augen langsam an die Finsternis gewöhnt hatten. Zum Glück fiel der Schein des Mondes durch das Fenster, was es mir ermöglichte, den Schatten etwas genauer auszumachen. Er schien tatsächlich eine menschliche Gestalt zu haben und kam langsam auf mich zu geschlichen.

„Wer bist du?", meine Stimme zitterte vor Angst. Ich begann mich zu fragen, ob ich wirklich wach war, oder ob dies nur ein weiterer schrecklicher Albtraum war.

Die Gestalt ließ ein kaum wahrnehmbares Raunen hören und blieb direkt neben meinem Bett stehen. Erst jetzt gelang es mir, die Gesichtszüge der Person auszumachen. Erschrocken wich ich zurück und prallte mit meinem Rücken gegen eine raue Holzwand. Ich wäre weiter zurückgewichen, wenn ich die Chance dazu gehabt hätte, denn bei der Person, die neben meinem Bett stand handelte es sich um Sam.

Zu meiner Verwunderung sah er überhaupt nicht danach aus, als sei er vor wenigen Stunden erdolcht worden. Er stand aufrecht da und machte keinerlei Anstalt irgendwelche Schmerzen zu verspüren. Nur seine Kleider wirkten, soweit ich es im Dunkeln erkennen konnte, ein wenig ramponiert.

„Du brauchst keine Angst zu haben", der vermeintliche Sam trat einen Schritt zurück, als ihm klar wurde, dass ich mich vor ihm fürchtete.

„Du bist nicht hier, um dich an mir zu rächen?", fragte ich verdattert, mein Herz drohte stillzustehen. Niemals würde er mir dies verzeihen. Wie auch, ich hatte ihn schließlich umgebracht.

„Warum sollte ich?", seine Stimme klang distanziert, irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.

„Ich habe dich ermordet!", versuchte ich ihm ins Gedächtnis zu rufen.

Sam schüttelte entschieden den Kopf, „Nein, das warst nicht du. Du hast mich nicht in dieses grässliche Monster verwandelt. Wenn jemand die Schuld daran trägt, dann ist es der König. Du hast nur das getan, was jeder in deiner Situation getan hätte. Du hast versucht, deine Freunde zu beschützen."

„Aber ich habe dich geopfert", fügte ich hinzu, nur langsam begann sich mein Herzschlag wieder zu normalisieren.

„Komm her", wies ich Sam an, ohne genau zu wissen, was ich eigentlich vorhatte.

Er gehorchte und machte einen Schritt auf mein Bett zu, während ich nach vorne an die Bettkante rutschte. Vorsichtig streckte ich meinen Arm aus und legte meine Hand in seine. Sie fühlte sich ganz warm an, seltsamerweise so lebendig. Vielleicht hätte ich mich darüber wundern sollte. Doch vielleicht hatte ich aufgehört mich zu wundern, seit mir ein sprechender Leopard begegnet war, der allem Anschein nach die Zukunft lesen konnte. Er hatte gesagt, wir würden auf derselben Seite kämpfen, hatte er damit gemeint, dass auch er ein Widersacher des Königs war?

Eissplitter - Kalt wie SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt