xXx Kapitel 6 xXx

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Irgendwann im Verlauf des Morgens kam ich zum Entschluss, dass ich dringend eine Dusche nötig hatte. Ich ging ins Bad und machte das Licht an. Noch nie in meinem Leben hatte ich so ein luxuriöses Bad gesehen. Zugegeben, ausser meinem eigenen Bad hatte ich bisher nicht gerade viele gesehen. In unserem Bad konnte man sich kaum um die eigene Achse drehen. In diesem hier hatten vor dem grossen Spiegel über den Waschbecken problemlos zwei Personen Platz. Das Licht im fensterlosen Raum war ungewohnt hell. Es flackerte kein einziges Mal, während ich unter der Dusche stand. Es erstaunte mich, dass bereits zwei Badetücher an einer Stange über der Heizung bereit hingen. Sam schien alles bestens vorbereitet zu haben.

Nachdem ich mich abgetrocknet hatte, kam die Frage auf, was ich anziehen sollte. Ich fragte mich, ob Sam auch daran gedacht hatte. Das Brautkleid würde ich niemals wieder anziehen und zwar nicht nur weil es schmutzig und zerrissen war. Ich verband einfach zu viele schlechte Erinnerungen mit diesem Kleid.

Obwohl ich mich eigentlich von Sams Zimmer fern halten wollte, musste ich jetzt wohl oder übel einen Blick hinein werfen. Vielleicht hatte er darin frische Kleider bereit gelegt?

Ein grosses, bequem aussehendes Bett stand mitten im Raum. Auf beiden Seiten wurde es von Nachttischen gesäumt. An der linken Wand stand ein grosser Schrank, den ich öffnete und erstaunt feststellte, dass dort drin tatsächlich Frauenkleider hingen. Zwar nicht meine eigenen, aber sie schienen durchaus akzeptabel zu sein. Ich fragte mich, ob sie mir passen würden. Erst Augenblicke später wurde mir bewusst, dass Sam meine Kleidergrösse mühelos herausfinden konnte. Wir bekamen unsere Kleidung vom Staat, das hiess, wir mussten jedes Jahr unsere aktuelle Kleidergrösse angeben und all das, was wir benötigten. Je nach dem was es war, bekamen wir alles oder manchmal auch nur einen Bruchteil davon. Dies vor allem wenn die Beamten das Gefühl hatten, es wäre zu viel. Nur die reichen Leute konnten es sich leisten, in teuren Boutiquen einzukaufen und sich somit mit ihrer Kleidung vom gemeinen Volk zu unterscheiden. Sam schien einer davon zu sein.

Entschlossen griff ich nach einem paar dunkelgrauer Jeans, einem schwarzen Strickpullover und einem Wollschal, der perfekt zur Hose passte. Ähnliche unauffällige Kleidung, die ich auch zuvor immer getragen hatte. Einerseits machte ich mir nicht viel aus Kleidern, andererseits wollte ich mich nicht von den Leuten abheben, mit denen ich gestern noch zusammen gelebt hatte. Tief in meinem Innern war ich noch immer eine von ihnen.

Gerade als ich zurück ins Wohnzimmer wollte, entdeckte ich eine Tür. Sie führte allem Anschein nach in Sams Arbeitszimmer. Ich nahm dies zur Kenntnis, verspürte im Moment aber nicht annähernd den Reiz dazu, in seinen Sachen herum zu schnüffeln. Ich verliess sein Zimmer und setzte mich draussen erneut auf das Sofa. Sams Leben interessierte mich zu diesem Zeitpunkt herzlich wenig. Der Gedanke daran, dass sich dies jemals ändern könnte, hätte ich lachend abgestritten.

Nach dem ich eigenickt war und ein paar Stunden auf dem Sofa geschlafen hatte, wachte ich nachmittags auf und fühlte mich vollkommen ausgeruht.

Was sollte ich jetzt tun, ging es mir durch den Kopf. Ich konnte schlecht von hier verschwinden, obwohl ich unbedingt zu Finja wollte. Es gab so viel, worüber ich mit ihr sprechen wollte. Würde ich jedoch zu ihr aufbrechen und mir würde unterwegs irgendetwas zustossen, käme mich Sam ganz bestimmt nicht noch einmal suchen. Er würde denken, ich hätte vor ihm fliehen wollen. So musste ich dieses Vorhaben auf einen anderen Tag verschieben. Morgen vielleicht?

Ich suchte mir nach langem Überlegen, was ich tun sollte, ein Buch aus dem Regal und legte mich zurück aufs Sofa um zu lesen. Als es langsam Abend wurde, begann ich das Abendessen vorzubereiten. Nichts spezielles, ein wenig Brot mit diversen Aufstrichen, Fleisch und Käse. Was hätte ich sonst vorbereiten sollen? Ich hatte keine Ahnung, wie lange Sam arbeitete. Wenn ich etwas gekocht hätte, wäre es bestimmt kalt geworden, bis er nach Hause kam. Trotzdem wollte ich ihm klar machen, dass ich nicht einfach auf seine Kosten ein Luxusleben führen wollte. Ich wollte ihm zeigen, dass ich bereit war, meinen Beitrag zu leisten und sei es bloss das Abendbrot vorzubereiten.

Es war kurz nach sechs Uhr abends, als ich das Geräusch eines Schlüssels, der sich im Schloss drehte vernahm. Schnell sprang ich vom Sofa auf und trat in den Flur. Sam starrte mich überrascht an. Hatte er tatsächlich erwartet, dass ich wieder abhauen würde?

Er setzte ein zufriedenes Lächeln auf.
„Schön dass du dich entschieden hast zu bleiben", er hängte seine Jacke an die Garderobe.

„Als ob ich eine Wahl gehabt hätte", erwiderte ich wenig begeistert und ging ins Esszimmer.

Sam folgte mir, das Lachen war ihm sichtlich vergangen. Doch als er das Abendessen sah, hellte sich seine Miene wieder auf.

„Daran könnte ich mich gewöhnen", stellte er fest, als er mir gegenüber Platz nahm.

Die meiste Zeit während des Abendessens schwiegen wir uns gegenseitig an. Ich war schon beinahe satt, als ich ihm endlich meine Frage stellte.

„Kann ich morgen Finja besuchen? Ich habe so viel mit ihr zu besprechen", mit meinem liebsten Lächeln schaute ich Sam an.

Er überlegte kurz, „Das mit dem Besuch finde ich keine gute Idee. Aber sie kann dich hier besuchen kommen. Ich kann ihr mitteilen wo ich wohne und ihr sagen, dass du dich über einen Besuch freuen würdest."

Sam hatte nicht von seinem Teller aufgesehen, auf dem eine Scheibe Brot lag, die er nun mit Butter bestrich.

„Das wäre toll", ich strahlte geradezu vor Vorfreude.

„Den ganzen Tag alleine in dieser Wohnung zu verbringen ist ziemlich öde", stellte ich ernüchternd fest.

Für einen kurzen Augenblick schaute Sam auf und schenkte mir ein Lächeln, bevor er sich wieder seinem Essen widmete. Im Allgemeinen herrschte zwischen uns eher eine kühle Atmosphäre und ich fragte mich, ob sich dies jemals ändern würde.

Eissplitter - Kalt wie SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt