xXx Kapitel 20 xXx

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Die Reise durch unberührte Schneelandschaften begann. Zum Glück hatte der Sturm kurz nach unserem Aufbruch etwas nachgelassen. An seine Stelle war schliesslich ein dichter Nebel getreten. Umhüllt von düsteren Nebelfetzen vernahm ich nur das leise Getrappel der Hundepfoten, die durch den Schnee stapften. Unter mir gaben die Kufen des Schlittens ein klirrendes Geräusch von sich. Ansonsten war alles still, als wären wir in Watte gepackt.

Mit jeder Minute, die wir unterwegs waren, verlor ich immer mehr mein Zeitgefühl. Die einzige Orientierung die ich hatte, war der dunkler werdende Himmel. Bald müssten wir irgendwo eine Rast einlegen, da die Nacht einbrach.

Ein kräftiger Windstoss erfasste uns und der Schlitten kam ins Schlittern. Die Hunde rannten weiter, als sei nichts gewesen. Ihrem Röcheln nach zu urteilen, brauchten auch sie bald eine Pause. Eine dicke Schneeschicht bedeckte ihr Fell, so dass ich ein Gespann von sieben weissen Hunden vor mir hatte. Erneut ein Windstoss und erneut schaffte es Sam, das Gleichgewicht zu behalten. Ein paar Meter neben uns rannte Cara im gleichen Tempo wie die Hunde. Helena hatte ihr Gesicht im flauschigen Fell ihres Hundes versteckt. Was hätte ich in diesem Moment alles dafür gegeben, auch einen Hundedämon an meiner Seite zu haben.

Sam liess das Gespann langsamer laufen. Sekunden später erkannte ich weshalb. Unweit von uns ragte ein dunkler Schatten in die Höhe. Es schien ein Gebäude zu sein. Langsam fuhren wir darauf zu. Mit jedem Meter erkannte ich mehr. Einen hohen Turm, grosse Fenster und daneben Grabsteine. Wir hielten direkt auf eine Kirche zu. Es schien eine einsame und verlassene Kirche zu sein, jedenfalls konnte man durch die Nebelschwaden kein weiteres Gebäude in der Nähe ausmachen.

„Stopp!", rief Sam den Hunden zu. Langsam bremsten sie ab, bis sie nur noch im Schritttempo auf die Kirch zu liefen.

Mit einem metallenen Anker befestigte Sam den Schlitten im eisigen Boden. Wir hatten direkt neben der Tür angehalten. Neugierig ging Sam auf die Tür zu und rüttelte an ihr. Sie ging auf, nach dem er sich kurz dagegen gelehnt hatte. Die Kirche, ein Ort an dem man stets Zuflucht fand. Deshalb waren sie hier draussen selten abgeschlossen. Wobei ich zugeben musste, dass die ein grusliger Ort war. Vor allem der Nebel, der sich um die Grabsteine schlag und die steinernen Kirchenmauern wirkten unheimlich. Die Kirche war allerdings die bessere Wahl, als draussen in der Kälte zu übernachten, wo man dem eiskalten Wind direkt ausgesetzt war.

Wir folgten Sam hinein in die grosse Halle. Unzählige Reihen an Holzbänke waren nach vorne zum altehrwürdigen Altar gerichtet. Ansonsten wirkte die Kirche ziemlich karg. Keine Kerzen, keine goldenen Verzierungen, keine Orgel und keine Statuen. Es schien, als stünde diese Kirche seit längerem leer, als wäre es Jahre her, seit hier drin der letzte Gottesdienst gehalten wurde.

„Ich denke dass sollte als Schlafplatz genügen", stellte Sam fest als er sich umdrehte und wieder hinaus ging. Er brachte uns das Gepäck, das wir nach vorne zum Altar trugen. Hier könnten wir unser Lager für die Nacht aufstellen. Während Helena und ich uns einrichteten, brachte Sam die Hunde in den hinteren Teil der Kirche. Ich half ihm dabei, die Hunde zu begutachten. Wir untersuchten ihre Pfoten nach Wunden und vergewisserten uns, dass sie bei guter Gesundheit waren. All dies hatte mir Bastian beigebracht. Mir wurde klar, wie viel ihm diese Hunde bedeuteten. Gut für sie zu sorgen war das mindeste, was wir noch für ihn tun konnten.

Für die erste Tagesration Nahrung für die Hunde und für uns hatte Sam vorgesorgt. In den nächsten Tagen müssten wir jeweils in Dörfer gehen und uns dort weitere Verpflegung beschaffen.

Zu dritt sassen wir im Kreis. Zuvor hatten wir etwas gegessen, dies war wichtig, da unsere Körper viel Energie benötigten, um uns zu wärmen. Jetzt waren wir alle sehr erschöpft. Helena hatte sich gegen Cara gelehnt, die jetzt nicht nur als Wärmequelle, sondern auch als Kuschelkissen diente. Ich hatte eine alte, zerfetzte Wolldecke, in die ich mich einkuscheln konnte. Sie vermochte die Kälte, die vom eiskalten Steinboden ausging nicht aufhalten. Also sass ich auf dem Boden und schlotterte vor mich hin. Sam stand auf und lief durch die Kirche. Anscheinend suchte er irgendetwas. Mit einem grossen Holzbrett in den Händen kam er zurück. Er liess es neben mich auf den Boden fallen.

„Setz dich da drauf", meinte er zu mir, während er sich auf die andere Seite des Brettes setzte.

„Woher hast du das?", fragte ich verwundert.

„Es stand im hinteren Teil der Kirche an der Wand. Wahrscheinlich wollten sie damit etwas reparieren, entschieden sich danach um und liessen es einfach dort zurück", Sam legte sich zu Boden. Er sah noch erschöpfter aus, als ich mich fühlte.

Etwas skeptisch musterte ich ihn. Noch immer sass ich auf dem kalten Steinboden.

„Mara komm her, ansonsten holst du dir noch den Tod."

Widerwillig legte ich mich neben Sam auf das Holzbrett. Ich warf einen ängstlichen Blick hinüber zu Helena, diese schien bereits tief und fest zu schlafen. Zudem hatte Sam Recht, es ging hier um weit mehr als nur darum, was ich für ihn empfand und was Helena davon hielt. Auf dem Holzbrett kuschelte ich mich in meine Decke ein und spürte Sams Nähe, der gerademal ein paar Zentimeter von mir entfernt lag. Ich drehte mich so, dass ich von ihm Weg schaute und vergrub mein Gesicht in der Decke. Bereits nach wenigen Minuten war ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen.

„Mara...", mein Name drang leise in mein Ohr. Schlaftrunken setzte ich mich auf und stiess dabei gegen Sam. Er legte vorsichtig seinen Arm um meinen Körper.

„Du frierst", stellte er nüchtern fest.

Ich nickte, mein ganzer Körper zitterte. Es war noch ziemlich düster in der Kirche, es musste früh morgens sein. Warum hatte Sam mich um diese Uhrzeit geweckt?

„Geht es dir gut?", fragte Sam nach, er schien verunsichert zu sein.

Noch immer bekam ich kein Wort aus meinem Mund, weshalb ich erneut nickte. Ich drückte mich fester an Sam, damit ich ein bisschen von seiner Wärme abbekam.

Sam strich mit seiner Hand über mein Haar. Er musterte mich und schien zum Entschluss zu kommen, dass es vielleicht nicht die beste Entscheidung war, mich mit zu nehmen. Da er es nicht aussprach, würde ich niemals erfahren, was er wirklich dachte.

„Ich möchte, dass du mit mir ins nächste Dorf kommst. Es ist bloss etwa ein Kilometer von hier entfernt", erklärte er mir, als er sich langsam aufrichtete.

„Gehen wir zu Fuss?", fragte ich und tat es ihm gleich. Bewegung würde mir gut tun, dann wäre mir nicht mehr so kalt.

„Ja, der Schnee scheint über Nacht gefroren zu sein, also werden wir nicht bis zu den Knien einsinken."

„Und was ist mit ihr?", ich deutete zu Helena hinüber, die friedlich vor sich hin schlummerte.

„Bevor sie aufwacht werden wir zurück sein. Ich will nicht, dass sie mit uns ins Dorf kommt. Sie ist... Naja, sie ist nun mal Helena", ich wusste genau worauf Sam hinaus wollte. Kaum ein Mann konnte seine Augen von ihr lassen und das könnte hier draussen durchaus zu Problemen führen. Ganz zu schweigen davon, wenn man sie erkannte. Ich hatte keine Ahnung, wie die Leute in diesem Dorf zum König standen.

So machten wir uns zu zweit auf den Weg hinunter ins Dorf. Tatsächlich sah man die Häuser, wie sie unweit von uns aus dem Schnee empor ragten.

Eissplitter - Kalt wie SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt