xXx Kapitel 9 xXx

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Als ich bei Sams Appartement ankam und den Flur betrat, kam mir ein köstlicher Geruch entgegen. Es roch nach Abendessen. Ich war überrascht, legte meinen Mantel ab und eilte in die Küche. Sam stand am Herd und kochte Spaghetti.

Ihm fiel mein verwunderter Gesichtsausdruck auf, „Ich dachte, da ich vor dir zu Hause war, kann ich mich auch mal nützlich machen."

Ich nickte und konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Sam wurde mir von Tag zu Tag sympathischer.

„Wie war dein Tag?", fragte er mich neugierig, während er die Tomatensauce umrührte.

„Er war ganz in Ordnung. Bastian scheint wirklich nett zu sein und die Hunde auch."

„Hat dich keiner angefallen?", scherzte Sam, „Diese bösen Biester..."
„Ist ja gut, du hattest Recht. Es gibt nicht nur böse Hunde", ich gab mich geschlagen.

„Und welcher gefällt die am besten?", fragte Sam in dem Moment, als das Essen fertig war. Er trug den einen Topf hinaus zum Esstisch. Ich nahm den andern und folgte ihm.

„Diese kleine, süsse Tikaani scheint ganz lieb zu sein."

Wir setzten uns an den Tisch. Sam nickte, „Hätte ich mir denken können, dass du die kleinen, gebrechlichen magst."

Ich starrte Sam verblüfft an, was sollte das jetzt wieder heissen?

Sam fiel mein Unbehagen auf, weshalb er hinzu fügte, „Ich meine nur, du selbst bist auch klein und zerbrechlich. Jedenfalls im Gegensatz zu den meisten andern Stadtbewohnern. Dich muss man auch beschützen."

Mein Blick wurde noch irritierter. Sam hatte es mit dieser Aussage nicht gerade besser gemacht.

Sam winkte ab, „Ach vergiss es... Jedenfalls hat meine Mutter mir früher immer ein Märchen erzählt. Es besagt, dass jeder Mensch irgendwo auf dieser Welt einen Hund hätte, der sein Seelenverwandter sei. Ist dieser Hund erst einmal gefunden, könne man eine speziell enge Bindung eingehen und durch blosse Gedanken miteinander kommunizieren. Ein altes Märchen, mehr nicht."

„Dann erzähl mir dieses Märchen", bat ich ihn. Seit Jahren hatte mir niemand mehr Märchen erzählt. Früher, als ich noch ein kleines Mädchen war, übernahm dies Kian ab und zu.

Sam verdrehte für einen kurzen Augenblick die Augen. Er schien nicht der geborene Märchenerzähler zu sein. Doch mir zuliebe rang er sich dazu durch und begann zu erzählen, „Früher, als die Menschen noch in kleinen Dörfern als Selbstversorger lebten, waren die Hunde ihre treusten Begleiter. Einige begleiteten ihre Herrchen zur Jagd und halfen dabei die Beute aus ihrem Bau zu locken. Andere machten Jagd auf Vögel und brachten diese ihrem Menschen. Die Schlittenhunde halfen weite Strecken sicher zu überwinden oder schwere Lasten in abgelegene Gebiete zu transportieren. Die Wachhunde schlugen Alarm, falls sich ein Rudel hungriger Wölfe näherte oder ein Bär sich auf der Suche nach Nahrung im Dorf verirrte. In dieser Zeit entstand die Legende des Seelenhundes. Mensch und Hund standen sich so nahe, dass manchmal ein blosser Blick ausreichte, um sich zu verständigen. Dies war aber nicht alles. Es hiess, die Bindung zwischen den beiden Partnern konnte so stark werden, dass der Mensch spürte, wenn es seinem Hund nicht gut ging. Natürlich galt dies auch in die andere Richtung, wenn das Herrchen krank im Bett lag, fühlte sich auch sein Hund schwach. Je weniger die Hunde gebraucht wurden, umso geringer wurden die Bindungen und diese Sage geriet langsam in Vergessenheit. Und doch wird noch heute erzählt, dass jeder Mensch einen Seelenhund besitzt und diesen nur finden muss. Sind die beiden erst vereint, wird sich die Verbindung Schritt für Schritt wieder aufbauen und Mensch und Hund werden ein unzertrennliches Team. Wenn der eine stirbt, stirbt auch der andere, da der eine nicht ohne den anderen überleben kann. Empfindet der eine Partner Leid, leidet auch sein Seelenpartner. Und trotz dieses Risikos sei es das Schönste und Erstrebenswerteste auf der Welt, seinen eigenen Seelenhund zu finden."

Ich starrte Sam verblüfft an. Zwar war dies kein Märchen im eigentlichen Sinne gewesen, eher eine Sage und doch war das, was sie aussagte unendlich schön. Wer träumte nicht davon einen Partner zu besitzen, der alles mit dir durchstand, der dir immer zu Seite stand und genau gleich empfand wie du.

„Glaubst du daran?", fragte ich Sam, als dieser sich bereits dem Essen zugewandt hatte.

Überrascht schaute er auf, „An ein Märchen das man kleinen Kindern erzählt, die nachts nicht einschlafen können?"

Mit diesen Worten war das Gespräch für Sam beendet. Mir hingegen gingen seine Worte nicht mehr aus dem Kopf. Konnte es sein, dass Tikaani meine Seelenverwandte war? Der Gedanke gefiel mir irgendwie und ich freute mich darauf, sie am nächsten Tag wieder zusehen. Vielleicht mochte Sam nicht an Märchen glauben aber ich tat es.Vielleicht auch nur, um für wenige Augenblicke aus dem faden Alltag zu entfliehen und mir eine schönere, harmonischere Welt vorzustellen.

Eissplitter - Kalt wie SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt