xXx Kapitel 29 xXx

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Am nächsten Morgen half Bastian mir dabei, die Hunde vor den Schlitten zu spannen. Als ich zu Shadow in den Zwinger ging, fiel mir auf, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Er lag in seiner Hundehütte und machte keinerlei Anstalt sich zu rühren.

„Etwas stimmt nicht mit Shadow", meinte ich zu Bastian, der vor dem Zwinger stand und darauf wartete, dass ich ihn raus holte.

Er kam zu mir in den Zwinger und begutachtete Shadow ebenfalls.

„Nein, er sieht wirklich nicht gut aus."

„Er ist der Leithund, ich kann nicht ohne ihn los", überlegte ich laut, schliesslich war er der einzige, der alle Kommandos kannte.

„Bist du dir sicher? Du kannst Tikaani als Leithund einspannen. Sie würde diese Aufgabe bestimmt auch gut meistern", Bastian schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln, anscheinend glaubte er wirklich an die Geschichte mit dem Seelenhund. Jedenfalls fing Tikaani wie wild mit ihrem Schwanz zu wedeln an, als sie ihren Namen hörte.

„Shadow bleibt hier. Solange es ihm nicht besser geht, setze ich ihn nicht der Wildnis aus", Bastian hatte recht, es wäre unverantwortlich ihn mitzunehmen.

Vorsichtig zog Bastian den Rüden aus seiner Hütte und trug ihn ins Haus. Dort könnte er sich ausruhen, bis er wieder auf den Beinen wäre.

Währenddessen spannte ich Tikaani zuvorderst an den Schlitten. Sie schien nervös zu sein, dies war eine vollkommen neue Herausforderung für sie. Als Bastian zurückkam, hatte ich die sechs Hunde eingespannt, an deren Spitze Tikaani und Snow standen. Snow war einer beigefarbenen, ältere Hündin, die mit ihrer Erfahrung bestimmt eine grosse Hilfe für Tikaani wäre.

„Pass auf dich auf Mara. Denk immer daran, was ich dir alles über die Natur und ihre Gefahren erzählt habe. Falls irgendetwas ist, weisst du jetzt, wo du mich findest", Bastian schaute mir nach, während ich mit dem Schlitten das Dorf verliess. Ich wünschte mir, dass wir uns nicht das letzte Mal gesehen hatten.

Kaum hatte ich das Dorf hinter mir gelassen, befanden wir uns mitten in der weissen Schneewüste. Tikaani war ein ganz anderer Leithund als Shadow. Sie schaute nicht zielstrebig nach vorne, sondern liess sich von allem möglichen ablenken. Sei es ein Vogel, der aus einer Tanne heraus schoss oder Schnee, der vom Winde verweht wurde. In solchen Momenten drehte Tikaani den Kopf und schaute verträumt in die Welt hinaus, versuchte dabei allerdings nicht an Geschwindigkeit zu verlieren.

Niemals hätte ich gedacht, dass es mit ihr so gut ginge. Bevor ich auch nur einen Befehl rufen konnte, tat sie bereits genau das, was ich wollte. Das einzige was nicht nach Plan lief, war die Tatsache, dass ich noch immer nicht wusste, wo ich Helena fand. Es war eine ziemlich bescheuerte Idee gewesen, loszufahren ohne dabei ein genaues Ziel im Auge zu haben. Ich fragte mich, wie Sam es geschafft hatte, immer vor dem Einsetzen der Dämmerung in einem Dorf anzukommen. Immerhin war er nicht wie Bastian ständig draussen gewesen, ganz zu schweigen davon, dass er kaum etwas mit den Hunden zu tun hatte. Als ich auf dem Schlitten gesessen hatte, sah es für mich geradezu danach aus, als hätte Sam niemals etwas anderes getan als diesen Schlitten zu führen. Konnte es sein, dass an dieser Geschichte mit dem Selenhund doch etwas mehr dran war? Wenn Shadow Sams Seelenhund wäre, würde dies erklären, weshalb alles so reibungslos geklappt hatte. Shadow war schon so oft hier draussen gewesen, er kannte die Strecken zu den Dörfern. Wenn Sam mit ihm über seine Gedanken in Verbindung trat, war es für Sam auch kein Problem den Schlitten zu lenken. Zudem würde es erklären, weshalb es Shadow nicht gut ging. Sam ging es wahrscheinlich auch ziemlich mies, was wiederum den Wunsch in mir weckte, ihn zu finden. Irgendwie mussten man ihm doch helfen können.

Schnell verbannte ich diesen Gedanken wieder aus meinem Kopf. Momentan hatte ich keine Zeit mich mit solchen Dingen zu beschäftigen. Ich musste voll und ganz bei der Sache sein, ansonsten könnte dieser Ausflug tragisch enden.

Ab und zu versuchte ich Tikaani ein paar Befehle mittels meinen Gedanken zu übermitteln und siehe da, sie befolgte die meisten davon. Die Zeit strich dahin, als es bereits Nachmittag wurde und ich immer noch ziellos durch die Gegend fuhr. Ich bat Tikaani, mich ins nächst gelegene Dorf zu bringen. Sie wandte ihren Kopf nach hinten und schaute mich mit grossen, ratlosen Augen an. Toll, mein Hund hatte auch keine Ahnung, wo wir uns befanden, geschweige denn, wo das nächste Dorf war.

Ich überlegte mir einen Plan, wie das alles weiter gehen sollte, als der Schlitten über einen grossen Stein fuhr, den ich erst im letzten Augenblick bemerkt hatte. Der Schlitten geriet aus der Bahn, schleuderte nach links und dann nach rechts. Die Hunde rannten weiter, da ihnen der unkontrollierbar gewordene Schlitten nicht geheuer war. Schliesslich verlor ich das Gleichgewicht und landete bäuchlings im hohen Schnee.

Mein Gesicht war schneebedeckt, als ich mich langsam wieder versuchte aufzurappeln. Mit der Hand strich ich den Schnee aus meinem Gesicht und schaute mich um. Rechts von mit befanden sich ein paar Felsen. Der Stein, den ich erwischt hatte, was nicht der einzige gewesen. Die ganze Landschaft schien hier viel hügeliger zu sein als bisher. Leider war dies für mich auch kein Anhaltspunkt, wo wir uns befanden. Erschöpft spuckte ich den Schnee aus meinen Mund, der irgendwie seinen Weg dort hinein gefunden hatte. Mein Herz machte einen Satz, als ich die Hunde etwas weiter weg stehen sah. Jetzt musste ich hier draussen wenigstens nicht alleine elendig erfrieren. Tikaani hatte mich mit ihrem liebenswerten Blick fixiert und machte nicht die geringste Anstalt sich zu bewegen, während all die andern Hunde am liebsten weiter gerannt wären.

Ich stand auf und entdeckte einen kahlen Baum vor mir, der aus einem grossen Felsbrocken gewachsen war. Der Baum war nicht das, was meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Etwas Weisses sass auf ihm, der lange Schwanz baumelte vom Ast herunter und bewegte sich drohend hin und her. Panik machte sich in mir breit, ich musste hier weg, ansonsten würde ich noch als kleinen Nachmittagssnack enden. Ich drehte mich um und wollte durch den Schnee, der mir bis zu den Knien reichte, davon rennen. Schritt für Schritt kämpfte ich mich durch die Schneemassen, nur um festzustellen, dass ich kaum vorwärts gekommen war.

Ich war erledigt, das hier würde mein Ende bedeuten.

Eissplitter - Kalt wie SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt