xXx Kapitel 38 xXx

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Eine knappe Stunde später saß ich zusammen mit Kian, Nils, Helena, Cara und sechs erschöpften Hunden in einem viel zu kleinen Wohnzimmer und wartete darauf, dass Finja aus der Küche kam.

Sie brachte uns heißen Tee, dieser sollte uns nach der langen Reise aufwärmen.

„Tut mir leid, meine Wohnung ist eigentlich nicht für so viele Personen gedacht", entschuldige sich Finja, während sie uns die Tassen reichte.

In der Tat war eine Zweizimmerwohnung etwas sehr klein für uns alle, wenn wenigstens die Hunde einen anderen Schlafplatz hätten. Leider gab es mitten in der Stadt keine Scheune oder etwas in der Art, wo wir unsere Hunde hätten unterbringen können. Auf der Straße konnte man sie auch nicht lassen, da würden sie im schlimmsten Fall noch geklaut. Also blieb uns nichts anderes übrig, als sie mit in die Wohnung zu nehmen.
„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen", das war typisch für meine beste Freundin, sie versuchte es immer allen recht zu machen.

„Wir haben dich hier unangekündigt überfallen. Du hättest uns auch einfach die Tür vor der Nase zuschlagen können", fügte Kian mit einem breiten Grinsen hinzu, „Das hätte ich jedenfalls gemacht, wenn diese seltsame Truppe vor meiner Tür aufgetaucht wäre."

Finja lächelte verlegen und bat mich darum, mit ihr nach draußen zu kommen. Mir war klar, dass sie sich mit mir unter vier Augen unterhalten wollte.

„Mara, wie geht es dir?" fragte sie, als wir durch den verschneiten Innenhof spazierten.

Ich schluckte leer. Eigentlich wollte ich nicht darauf eingehen, wie es mir ging, doch ich konnte meine beste Freundin nicht anlügen.

„Nicht besonders gut", gab ich deshalb zu.

Finja blieb direkt vor mir stehen und schaute mich mit ihren großen, blaugrauen Augen an.

„Was ist passiert und wo ist Sam?"

Mit dieser Frage hatte sie dem Nagel auf den Kopf getroffen. Ich erzählte ihr die Kurzfassung von allem was geschehen war. Warum wir Nordstadt fluchtartig verlassen mussten, dass uns während der Reise einiges dazwischen kam und schließlich, dass Sam wahrscheinlich tot war.

„Das ist schrecklich", stellte Finja ernüchternd fest und schloss mich in ihre Arme.

Nachdem ich in ihren Armen geweint hatte, konnte ich mich irgendwann wieder zusammenraffen.

„Deshalb ist das Eisprinzesschen hier", meinte Finja, etwas Abschätziges lag in ihrer Stimme, „Ich hatte mich schon gewundert, warum du mit ihr unterwegs bist."

„Helena ist ganz in Ordnung", verteidigte ich die Prinzessin, ich hatte mich inzwischen so an ihre Anwesenheit gewöhnt, dass mir gar nicht mehr bewusst war, dass ich sie früher nicht besonders gut leiden konnte.

Als es uns draußen zu kühl wurde, gingen wir zurück zur Haustür. Finja schloss gerade die Tür auf, als ich Schritte hinter mir vernahm. Unauffällig drehte ich mich um und blieb wie angewurzelt stehen. Nur wenige Meter von uns entfernt stand Mailin, die mich nicht weniger verwundert musterte.

„Mara?", fragte sie und kam auf uns zugeeilt.
„Mailin, was machst du hier?", wunderte sich Finja, anscheinend hatte sie an diesem Abend nicht mit Besuch gerechnet und dann kamen gleich so viele unangemeldete Gäste.

„Ich brauche deinen Rat, aber das ist jetzt nicht wichtig", Mailin blieb direkt vor mir stehen. Angst machte sich in mir breit. Wie sollte ich Mailin erklären, dass ihr jüngerer Bruder tot war? Mailin würde mich in Stücke reißen, wenn sie wüsste, dass er durch meine Hand starb.

„Wie geht es Sam? Er hat sich seit Wochen, wenn nicht sogar Monaten nicht mehr gemeldet."

Ich schluckte leer. Finja, der mein Unbehagen aufgefallen war, stellte sich schützend neben mich.

„Es gab einen Unfall", stotterte ich leise vor mich hin, „Sam ist tot."
Mit großen Augen starrte mich Mailin an. Es schien einige Sekunden zu dauern, bis sie diese harte Nachricht verarbeitet hatte. Dann breiteten sich Trauer und Schmerz in ihrer Mimik aus und sie fiel vor uns in die Knie.

„Mailin, es tut mir leid", ich setzte mich neben sie in den Schnee, „Auch ich habe Sam mehr als alles andere auf der Welt geliebt."

Mit Tränen verhangenen Augen hob Mailin ihren Blick und schaute mir direkt in die Augen. Sie schien nicht zu glauben, was ich gerade von mir gegeben hatte. Schließlich war ich diejenige gewesen, die sich so sehr vor der Hochzeit mit ihrem Bruder gesträubt hatte.

„Sam war ein toller Mensch", fügte ich hinzu und schloss sie in meine Arme.

In der nächsten halben Stunde versuchte ich ihr die Umstände von Sams Tod so schonend wie nur irgendwie möglich beizubringen. Natürlich erwähnte ich dabei nur, dass der König die Schuld an seinem Tod trug und wir nun versuchten, dem Ganzen ein Ende zu bereiten. Was ich dabei für eine Rolle gespielt hatte, verheimlichte ich ihr vorerst. Daraufhin mussten wir Mailin nicht zweimal fragen, ob sie sich uns anschließen wolle.

Mit Mailin im Schlepptau traten wir in das ohnehin schon überfüllte Wohnzimmer. Mailin blieb in der Tür stehen und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Dieser blieb an Helena hängen. Vielleicht hätte ich erwähnen sollen, dass die Prinzessin auch auf unserer Seite und vor allem gegen ihren eigenen Vater kämpfte. Dummerweise war mir entgangen, dass Mailin gar nichts von der guten Beziehung zwischen Helena und Sam wusste.

Bevor ich auch nur ein Wort hätte sagen können, geschweige denn Mailin zurück halten, stürzte sie sich bereits wutentbrannt auf Helena.

„Was hat diese Schlampe hier zu suchen!", schrie Mailin, als sie Helena zu Boden warf.

Die beiden wälzten sich rangelnd auf dem Boden. Cara fletschte die Zähne, verunsichert, ob sie eingreifen sollte oder nicht. Ich stand immer noch an der Tür und konnte nicht glauben, was sich vor meinen Augen abspielte. Nils war der erste, der aus seiner Schockstarre erwachte und eingriff. Er packte Mailin und zerrte sie ans andere Ende des Zimmers.

Mit blutigen Lippen rappelte sich Helena auf und starrte in Mailins wutentbranntes Gesicht.

„Du bist also Sams Schwester. Die Schwester, von der er immer geschwärmt hat", sagte sie trocken, als Cara sich an ihre Seite gesellte und Mailin warnend anknurrte.

„Entschuldigt, das war mein Fehler", ich stellte mich zwischen die beiden und klärte Mailin auf, dass auch Helena ihrem Bruder nach trauerte und keinesfalls mehr auf der Seite ihres Vaters stand. Nach all dem Schlamassel mussten wir uns nochmals zusammensetzen und den Einbruch in den Palast bis ins kleinste Detail planen. Dabei war uns Helena eine große Hilfe, da sie sich im Innern der Gebäude bestens auskannte. Nils und Kian hingegen tüftelten einen Plan aus, wie wir unbemerkt in den Palast gelangen konnten.

Es war lange nach Mitternacht, als wir uns endlich schlafen legten. Unser Plan war es, dass wir kurz vor dem Morgengrauen aufbrachen und uns im Schein der ersten Sonnenstrahlen Zugang zum Palast verschafften. Dies bedeutete für uns, dass wir mit wenigen Stunden Schlaf auskommen mussten und dies in einem Raum, in dem fünf Personen und sieben Hunde übernachteten.

Als ich mich schlafen legte, kam mir der Gedanke, dass unser Plan bereits jetzt zum Scheitern verurteilt war. Doch was hatten wir noch zu verlieren? Wenn sich etwas ändern sollte, dann mussten wir alles riskieren, nur so könnten wir etwas bewirken.

Eissplitter - Kalt wie SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt