xXx Kapitel 15 xXx

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Ich schreckte mitten in der Nacht aus dem Schlaf auf. Ein Geräusch, das aus Sams Zimmer kam, hatte mich geweckt. Es klang wie ein dumpfer Schlag. Vorsichtig erhob ich mich vom Sofa. In der Dunkelheit ertastete ich mir den Weg zu seinem Zimmer. Da die Tür nur angelehnt war, konnte ich sie leise aufschieben. Ich lief am Lichtschalter vorbei, ohne ihn zu betätigen, schliesslich wollte ich Sam nicht unnötig wecken. Vielleicht war ja alles in Ordnung.

Bereits begannen sich meine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Ich betrachtete Sam, wie er im Bett lag und sich von einer Seite zur anderen wendete, als hätte er einen schrecklichen Albtraum. Er zuckte zusammen und verzog sein Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse. Schweiss glänzte auf seiner Stirn. Sein Anblick war nur schwer zu ertragen, weshalb ich dem Ganzen ein Ende bereiten wollte.

„Sam?", ich streckte meine Hand nach ihm aus, berührte ihn an der Schulter und versuchte ihn sanft wach zu rütteln.

In Sekundenschnelle griff er nach meinem Arm und zerrte mich auf die Matratze. Er richtete sich auf, stürzte sich auf mich und drückte mich gegen die Matratze.

„Sam, hör auf! Du tust mir weh", gab ich keuchend von mir. Die eine Hand hielt er um meinen Hals, so dass ich kaum noch Luft bekam. Mit einer solch überspitzten Reaktion hatte ich nicht gerechnet.

Sam erstarrte, sein Blick verharrte auf meinem Gesicht. Der Schein des Mondes, der durch das Fenster fiel war genug hell, damit ich seinen Gesichtsausdruck ausmachen konnte. Er hatte von wütend auf ängstlich gewechselt und dann schien er endlich zu sich zu kommen.

„Mara?", schnell liess er von mir ab und setzte sich neben mich auf die Matratze, „Ist alles in Ordnung?"

Ich nickte. Noch immer stand ich unter Schock, weshalb ich vorsichtig fragte, „Hattest du einen Albtraum?"

„Ja... Einen ziemlich schrecklichen", Sam legte sich zurück in die Kissen, „Tut mir leid, ich wusste nicht, dass du es bist."

Als Entschuldigung und um mich ein wenig zu beruhigen, legte er seinen Arm um mich. Ich spürte, wie sein Herz immer noch viel zu heftig schlug.

„Ist schon in Ordnung", versuchte ich ihn zu beruhigen. Es war nicht seine Schuld, er war in seinem Traum gefangen gewesen.

„Wir alle haben Albträume...", fügte ich hinzu und dachte an meine Kindheit zurück. Damals wurde ich fast täglich von schlimmen Albträumen heimgesucht. Von Erlebnissen, an die ich mich nicht mehr erinnern konnte, weil ich schlichtweg zu jung war. Da mein Inneres diese Erlebnisse trotzdem verarbeiten musste, kamen sie in Form von Albträumen zum Vorschein.

Als Sam sich wieder gefasst hatte, erhob ich mich von seinem Bett.

„Ich denke du kommst jetzt alleine zurecht?", fragte ich ihn, während ich Richtung Tür lief.
Er wirkte immer noch ziemlich blass im fahlen Licht des Mondes. Ob dies am Albtraum lag oder an der Tatsache, dass er mich angegriffen hatte, wusste ich nicht.

Sam nickte, woraufhin ich die Tür hinter mir zu zog und es mir wieder auf dem Sofa bequem machte.

Der nächste Tag brach an und mit ihm die Erkenntnis, dass Bastian immer noch nicht zurückgekehrt war. Vor gut einer Woche war er zu einer seiner Reisen aufgebrochen und hätte eigentlich gestern zurückkommen sollen. Ein unbehagliches Gefühl machte sich in mir breit. Normalerweise kam Bastian eher früher zurück als angekündigt. Meist rechnete er einen weiteren Tag ein, falls etwas nicht nach Plan verlaufen sollte.

Ich ging zu den Hunden, wie ich es jeden Morgen tat. Nach dem Füttern liess ich sie hinaus in die Aussenanlage und putzte ihre Zwinger, während Tikaani nicht von meiner Seite wich. Sie schien gerne in meiner Nähe zu sein und beobachtete mich dabei, wie ich den Zwinger mit einem Wasserschlauch abspritzte.

Als ich abends nach Hause kam, war Sam zu meiner Verblüffung bereits zu Hause. Er hatte das Abendessen vorbereitet. Noch bevor ich mich an den Tisch setzte, musste ich etwas loswerden, das mich bereits den ganzen Tag bedrückt hatte.

„Bastian ist auch heute nicht zurückgekommen."

Sam schaute mich mit traurigem Blick an. Seiner Miene nach zu urteilen, wollte er mir etwas Tröstliches sagen, doch ihm fielen nicht die richtigen Worte ein. Was hätte es auch sagen sollen? Morgen wird er bestimmt zurückkommen?

Wir beide wussten, wie gefährlich es draussen in der Natur sein konnte. Vor allem jetzt, da die Temperaturen soweit gesunken waren wie seit Jahren nicht mehr. Nicht nur hungrige, wilde Tiere lauerten da draussen auf dich, selbst die Natur bekämpfte dich mit all ihren Mitteln und Wegen, die ihr zur Verfügung standen. Es wäre naiv gewesen, zu glauben Bastian käme morgen zurück.

Die Woche neigte sich dem Ende zu. Wie vermutet war Bastian nicht aufgetaucht. Ich war gerade dabei die Hunde zu füttern, als ich unerwarteten Besuch bekam.

Ein hoher Sicherheitswachmann stand vor der Tür und neben ihm sein treuer Gefährte. Es war der am grimmigsten dreinblickende belgische Schäferhund, den ich je gesehen hatte. Der Hund machte den Eindruck, als wollte er mich auf der Stelle zerfleischen, wenn er von der Leine gelassen würde. Sein Herrchen strahlte genau denselben Ausdruck aus.

Skeptisch schaute sich der Wachmann um.

„Du bist die einzige, die im Moment in dieser Abteilung arbeitet?", fragte er mich schliesslich. Seine Stimme klang wie ein böses Knurren. Die grossen Augen des Hundes hatten mich fixiert und folgten jeder meiner Bewegungen.

Ich nickte als Antwort. Noch war ich zu überrascht von seinem Besuch, um auch nur ein Wort zu sagen.

„Wir brauchen dringend einen neuen Schlittenführer", stellte der Wachmann eher zu sich selbst als zu mir fest.

„Sind Sie wegen Bastians Tod hier?", fragte ich, als ich endlich meine Stimme wieder gefunden hatte.

Ein kurzes Grinsen huschte über das Gesicht des Wachmannes, „Tod ist man erst, wenn die Leiche gefunden wurde."

Entsetzt starrte ich ihn an.

„Wir brauchen einen neuen Schlittenführer, der nach Bastian sucht. Wir kennen seine Strecke, falls er verunglückt ist, sollte er gefunden werden."

Ich hatte den seltsamen Eindruck, dass es dem Wachmann weniger um Bastian ging, sondern eher darum festzustellen, ob er wirklich tot war. Der Gedanke, er könnte einfach geflohen sein, da es ihm hier nicht mehr gefiel, schien dem Wachmann ein Dorn im Auge zu sein. Würde dies zutreffen, würde er sich wahrscheinlich höchst persönlich auf den Weg machen und dafür sorgen, dass Bastian in Zukunft wirklich tot war.

Bei diesem Gedanken flammte in mir wieder ein wenig Hoffnung auf. Bastian könnte noch am Leben sein. Zwar konnte ich mir nicht vorstellen, dass jemand freiwillig die Stadt verliess und irgendwo in einem kleinen Kaff draussen in der Eiswüste lebte, aber der Gedanke daran war weitaus besser, als zu glauben er sei tot.

Eissplitter - Kalt wie SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt