xXx Kapitel 7 xXx

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Am späteren Abend während Sam sich eine Dusche gönnte, ging ich in sein Zimmer und zog mich für die Nacht um. Im Schrank schien es jegliche Kleidung zu haben, die ich benötigte. So schnell es ging verliess ich sein Zimmer wieder und machte es mir auf dem Sofa bequem. Ich würde nicht in seinem Zimmer und noch weniger im selben Bett wie Sam schlafen. Das Sofa war eine gute Alternative, jedenfalls wirkte es auf den ersten Blick sehr bequem.

Als Sam fertig im Bad war und hinaus ins Wohnzimmer trat, war er überrascht, dass ich auf dem Sofa sass.

„Ich nehme an du möchtest lieber hier draussen schlafen?", folgerte er daraus.

Meine Antwort bestand aus einem Nicken. Sam musterte mich einen Augenblick, bis er sich kopfschüttelnd abwandte. So hatte er sich unsere Ehe wohl kaum vorgestellt. Dabei war es seine Schuld, keiner hatte ihn gezwungen mich zu heiraten...

Er verschwand in seinem Zimmer, nur um Sekunden später wieder hinaus zu kommen.

Er warf mir eine dunkelgraue Wolldecke zu, „Mach es dir gemütlich. Falls du etwas brauchst, lass es mich wissen oder hol es dir selbst. Gute Nacht."

Mit diesen Worten verschwand er endgültig in seinem Zimmer und ich musste mir eingestehen, dass er gar nicht so übel war wie ich erst dachte. Vielleicht mochte ich ihn sogar ein ganz kleines Bisschen.

Während ich auf dem Sofa lag, schaute ich aus dem grossen Fenster hinaus, welches sich nur wenige Meter direkt vor dem Sofa befand. Ich sah die Lichter der nahe gelegenen Hochhäuser leuchten. Es war ein wundervoller Anblick. Die warmen Lichter liessen mich die eisige Kälte, die draussen herrschte, vergessen. Hier drinnen war es angenehm warm, wahrscheinlich hätte ich die Decke gar nicht benötigt. In meiner alten Wohnung musste ich mich in zwei dicke Decken einkuscheln und fror nach wie vor. Beim Gedanken an das Schiff schaute ich aus dem Fenster und stellte fest, dass es irgendwo am Ende des Lichtermeeres liegen musste. Ich sehnte mich nach Kian meinem Bruder und nach Finja, die nach wie vor bei ihren Eltern in deren kleinen, schäbigen Wohnung lebte. Ich vermisste sie alle beide so sehr.

Als ich am nächsten Morgen erwachte, war Sam längst aus dem Haus. Es fiel mir schwer aufzustehen, denn in der vergangenen Nacht hatte ich überhaupt nicht geschlafen. Erst nach einer kühlen Dusche fühlte ich mich etwas besser.

Aus Langeweile backte ich Kekse, in der Hoffnung Finja würde mich heute tatsächlich besuchen kommen.

Es war zwei Uhr nachmittags, als es an der Tür klingelte. Ich stürmte voller Vorfreude zur Tür und schloss sie so schnell ich konnte auf. Finja stand mit einem breiten Grinsen im Gesicht vor mir, mit ihren alten, geflickten Klamotten und dem etwas zerzaust wirkenden Haar. Sie war noch immer genauso wie ich sie kannte.

Ich kam mir ziemlich dumm vor mit meinen nagelneuen Klamotten und hinter mir das moderne Appartement, das keine Wünsche offen liess.

Finja schien dies nicht zu interessieren. Zu gross war die Freude, mich wieder zu sehen. Sie fiel mir um den Hals und drückte mich fest an sich. Die paar Minuten, die sie mich am Vortag gesehen hatte, waren eindeutig zu kurz gewesen.

„Wie geht es dir?", wollte sie mit kritischem Blick wissen, während sie mich von Kopf bis Fuss musterte.

Ich fragte mich, ob sie ein paar blaue Flecken entdecken würde. Während meiner Flucht hatte ich bestimmt ein paar abbekommen, als ich auf dem Eis ausgerutscht war. Was würde sie denken? Dass es Sam war? Dass Sam mich schlug? Dieser Gedanke gefiel mir überhaupt nicht. Ich wollte nicht, dass ihm irgendeine Lüge unterstellt wurde. Schnell suchte ich meine Arme nach allfälligen Flecken ab und fand zum Glück keine.

„Mir geht es...", ich brach mitten im Satz ab. Wie ging es mir eigentlich?

„Gut?", beendete ich meinen Satz verunsichert.

Finja schaute mich stirnrunzelnd an, während ich sie in die Wohnung bat.

„Ich denke es könnte mir weitaus schlechter gehen", fügte ich schliesslich hinzu, während ich sie den Flur entlang ins Wohnzimmer führte.

„Ich muss mich noch ein wenig an mein neues Leben gewöhnen. Es ist so ungewohnt... Ich meine all dieser Luxus... Und mit einem Mann zusammen zu wohnen, der nicht mein Bruder ist und den ich nicht liebe", ich setzte mich aufs Sofa, Finja machte es mir gleich. Ich hielt ihr den Teller mit Keksen hin, den ich vorhin hergerichtet hatte. Finja nahm einen Keks und biss genüsslich hinein.

„Wie ist Sam? Ist es sehr schlimm bei ihm zu wohnen? Zwingt er dich zu Dingen, die du nicht willst?", Finja hielt den restlichen Keks in der Hand und starrte mich mit grossen Augen an. Ihr hellbraunes Haar fiel bis zu ihren Schultern. Der Sorgenfalte auf ihrer Stirn nach zu urteilen, machte sie den Eindruck, als hätte sie sich in den letzten Stunden viele Sorgen gemacht.

„Er ist eigentlich ganz in Ordnung", musste ich mir eingestehen, „Ich kann tun und lassen was ich will, solange ich die Wohnung nicht verlasse. Bisher hat er mich zu nichts gezwungen, ausser natürlich zur Heirat. Wäre diese Tatsache nicht, könnten wir vielleicht sogar Freunde werden."

Finjas Miene entspannte sich, sie biss erneut vom Keks ab. Überwältigt schaute sie aus dem Fenster. Die Aussicht schien sie zu beeindrucken.

„Hier scheint es sich gut zu leben", stellte sie fest und lächelte entspannt.

Ich nickte, „Trotzdem vermisse ich mein früheres Leben, vor allem dich und Kian."

„Naja, ich denke du bist hier weitaus besser aufgehoben als alleine in deiner alten Wohnung", Finja wirkte nachdenklich, erneut starrte sie aus dem Fenster, „Ich freue mich, endlich mit meiner Ausbildung anfangen zu können und möglichst bald auf eigenen Füssen zu stehen. Meine Eltern können es kaum erwarten, dass ich endlich einen Freund habe den ich heirate. Dummerweise gibt es bisher keinen, der auch nur ansatzweise in Frage käme. Ich habe Angst, dass sie eines Tages mit irgendeinem Typen angetanzt kommen und von mir verlangen, ihn zu heiraten."

Ich starrte sie entsetzt an, der Gedanke war grauenhaft, „Das wird ganz bestimmt nicht geschehen. Du findest jemanden und falls nicht kommst du zu mir. Dann verschwinden wir zusammen von hier."

Finja schenkte mir ein bedrücktes Lächeln, „Du weisst, dass das nicht möglich ist. Wir würden keine hundert Meter weit kommen, bis sie uns aufgabeln würden und dann fingen unsere Probleme erst richtig an."

Finja tat mir leid, mit einem Schlag wurde mir wieder bewusst, dass das Leben da draussen alles andere als einfach war. Bisher waren wir minderjährig gewesen und noch zur Schule gegangen. Geschützt vor all dem Skrupel. Doch jetzt konnte man mit uns machen, was man wollte. Finja hätte keine Wahl wenn ihre Eltern sich dazu entschliessen würden, dass sie heiraten müsste. Ich hatte leider keine Eltern mehr, die sich gegen diese Heirat hätten wehren können und mein Bruder wusste mit grosser Sicherheit immer noch nichts davon.

Ich versicherte Finja, dass sie jederzeit zu mir kommen könnte, wenn sie Hilfe benötigte. Zudem machte ich ihr klar, dass sie hier immer willkommen war. Wir verabschiedeten uns voneinander und kaum war sie weg, verspürte ich tief in meinem Innern bereits wieder diese erdrückende Leere. Ich vermisste Finja, obwohl sie erst wenige Minuten weg war.

Eissplitter - Kalt wie SchneeWhere stories live. Discover now