/60/ Das fehlende Portrait

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Sobald Arielle den Tunnel betreten hatte, spürte sie, wie eine unheimliche Kälte sie umgab. Nicht die Art von Kälte, die Elsa erzeugte, die klar und direkt war, sondern mehr ein unterbewusstes Gefühl, das sich langsam und schleichend in einen hinein fraß. Sie fühlte sofort, dass dieses Schloss mit Dunkelheit gefüllt war, und dass sie hier drin nichts Schönes auffinden würde.

Die anderen schienen das auch zu bemerken. Sie waren durch den schmalen Gang bloß in der Lage hintereinander zu laufen, und dennoch streckte Simba, der vor ihr lief, den Arm nach hinten zu ihr aus und sie fassten sich bei den Händen. Er wirkte ebenso eingenommen von der unheimlichen Kälte, die durch das Schloss waberte, wie Arielle. Und bei ihm war es sicherlich noch stärker. Das hier war schließlich sein Zuhause.

Elsa lief hinter Arielle und gab ihnen Rückendeckung, während Robin sich an ihrer Spitze durch den Tunnel wagte. Das Glück war mit ihnen. Sie waren relativ unproblematisch in das Schloss gelangt, dafür, dass dieses relativ stark bewacht war. Aber sie waren nun mal auch eine starke Gruppe. Ohne Simbas Wissen über den Palast und seine Geheimgänge, Elsas Eiskräfte, Robins Erfahrungen als Einbrecher und Dieb, und Arielles Beinprothesen hätten sie es nicht so leicht geschafft hier rein zu kommen. Und mittlerweile funktionierten sie als Team ziemlich gut.

Arielle umfasste Simbas Hand fest, während sie sich weiter vor wagten. Die Luft um sie herum war feucht und kühl, und sie wagte es nicht den Blick wo anders hin zu richten als nach vorne. Normalerweise liebte Arielle es geheimnisvolle Gebäude und Orte zu erkunden – sie war schon immer sehr neugierig gewesen – doch die Atmosphäre des Schlosses verdrängte ihre Abenteuerlust. Eigentlich empfand sie eher Unruhe. Das könnte aber auch damit zusammen hängen, was sie nun vorhatten. Für gewöhnlich, wenn sie einen fremden Ort erkundete, hatte sie nicht im Anschluss vor, sich ein Königreich zurück zu erkämpfen.

„Da vorne müsste gleich der Ausgang sein", brach Simba das unheimliche Schweigen, und Arielle hörte, dass seine Stimme leicht bebte. Nach wie vor waren ihre Hände fest verschlungen.

„Scar sollte sich mal einen anständigen Innenarchitekten suchen", versuchte Robin die Stimmung aufzulockern, doch Arielle war die einzige, die ein erzwungenes Lachen schaffte.

Irgendwann blieben Robin und Simba so plötzlich stehen, dass Arielle beinahe gegen Simbas Rücken gelaufen wäre. Hinter sich hörte sie, wie Elsa ein überraschtes „Uff" von sich gab. Durch die Dunkelheit des Tunnels war Arielle gar nicht aufgefallen, dass vor ihnen der Tunnel zu Ende war. Sie standen offenbar vor einer Wand, die ihnen den Weg versperrte.

Simba ließ Arielles Hand los und quetschte sich an Robin vorbei, um die Wand zu untersuchen. Mit verengten Augen beobachtete Arielle, wie Simba die Hände hob und das Gemäuer abtastete.

„Wie zum Teufel hast du diesen Gang als Kind überhaupt gefunden?", fragte Elsa hinter Arielle, als Simba die Hände über die Oberfläche der Wand gleiten ließ.

„Ich war sehr neugierig und abenteuerlustig", meinte Simba, ohne sich umzudrehen. „Und das Leben als Prinz war teilweise sehr langweilig. Es gab immer wieder Tage, in denen ich mich nur mit mir selbst beschäftigen musste. Also habe ich das Schloss erkundet. Ich hatte die naive Vorstellung, dass nichts in diesem Schloss mir gefährlich sein könnte. Ich habe mich geirrt."

Simba fand schließlich das, wonach er gesucht hatte. Es war erneut ein loser Stein neben der Wand, und wie zuvor erklang ein leises Klacken, als Simba diesen drückte. Arielle beobachtete nervös, wie Simba beide Hände flach an die Wand legte und sich mit aller Kraft dagegen lehnte.

Links an dem geheimen Tor bildete sich eine schmale Spalte. Gleißendes Licht fiel in den dunklen Tunnel. Arielle musste ihre Augen zusammen kneifen, da das plötzliche Licht in der dunklen Umgebung blendete. Ganz behutsam und so leise wie möglich drückte Simba die bewegliche Wand weiter auf.

SEELENBRAND // eine disney fanfictionWhere stories live. Discover now