/14/ Signalfarbe

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Am nächsten Morgen war Elsa früh auf den Beinen. Das tat sie mittlerweile jeden Tag, damit die Flure leer waren, während sie frühstücken ging. Sie betrieb sozusagen Selbstisolation, um niemandem mehr zu nahe zu kommen.

Ihre Gespräche mit Merlin und Arielle waren mittlerweile ein paar Tage her. Und obwohl sie nach der Unterhaltung mit dem Schulleiter ja eigentlich wieder offener mit anderen Menschen umgehen wollte, war die Angst davor jemanden zu verletzen doch sehr schnell zurückgekehrt. Als sie Arielle kennengelernt hatte, war ihr das rothaarige Mädchen sofort ans Herz gewachsen. Das lag wohl an ihrer optimistischen Ausstrahlung, die Elsa absolut fasziniert hatte. Irgendwie erinnerte Arielle sie an Anna, und das lag nicht an den roten Haaren. Aber eben das war das Problem – sie hatte zu schnell eine Bindung zu dem stummen Mädchen aufgebaut. Und sie hatte Angst davor, dass dies zu einem ähnlichen Vorfall führen würde, wie damals mit Anna... als sie Kinder waren, und Elsas Magie Anna beinahe getötet hatte.

Elsa lief den großen Flur entlang Richtung Kantine. Ihre Schritte hallten im einsamen Ton von den Wänden wider. Kaum jemand war um diese Uhrzeit schon auf den Beinen, so wie jeden Tag.

Als sie gedankenverloren durch die Glaswände des Flurs in den Hof blickte, entdeckte sie eine vereinzelte Person, die draußen auf der Parkbank lag. Verwundert verlangsamte sie ihre Schritte und starrte zu der Parkbank hin. Der Mann, der darauf lag, schien zu schlafen. Ganz offenbar hatte er die Nacht darauf verbracht.

Elsa verdrehte die Augen und lief aufrechten Schrittes weiter. Ihre Hände, die wie immer in den wunderschönen blassblauen Samthandschuhen steckten, umklammerten den Umhängegurt ihrer kleinen Handtasche. Diese Handtasche trug sie eigentlich nur immer mit sich herum, damit ihre Hände Halt fanden und nicht verkrampft neben ihrem Körper schwangen.

In einem Anflug von Wehmut wünschte Elsa, sie wäre zu Hause. Dort hatte sie sich immerhin ein wenig freier und unvorsichtiger bewegen können. Hier war sie noch gefangener als dort.

Elsa schloss für einen Moment die Augen. Nein. Das stimmte nicht. Hier hatte sie die Möglichkeit zu gehen, wann immer sie wollte. Zuhause hatte sie diese Wahl nicht gehabt. Sie war freier hier, denn sie begab sich freiwillig in diese beengende Situation. Und sie würde sie freiwillig wieder verlassen. Nur wann, war die Frage.

Als Elsa in der Kantine angelangt war, nahm sie sich ein Tablett und holte sich ihr Frühstück von der Essensausgabe. Da es noch sehr früh war, stand Frau Hawkins heute alleine hinter der Theke. Elsa hatte sie seit ihrer Anwesenheit schon öfter hier angetroffen. Sie schien eine sehr freundliche Frau zu sein, mit der sich viele andere gerne unterhielten. Elsa tat dies natürlich nur spärlich.

„Guten Morgen", begrüßte Sarah Hawkins Elsa mit einem Lächeln, während sie der blonden Frau ein gekochtes Ei und ein frisches Brötchen überreichte. Elsa erwiderte ihren Gruß mit einem schnellen Lächeln.

„Du bist in letzter Zeit aber früh hier", fuhr Frau Hawkins fort, als Elsa sich mit spitzen Fingern Marmelade auf den Teller tat.

„Ich hätte gerne einen Kaffee, bitte", erwiderte Elsa tonlos.

Frau Hawkins zog die Augenbrauen in die Höhe und holte mit einem kleinen Seufzen eine Kaffeetasse hervor.

„Du scheinst nicht so Lust auf Gespräche zu haben", fiel der Köchin auf. Unterdessen bereitete sie Elsa mit flinken Bewegungen ihren Kaffee. „Das ist sehr schade. Ich bin sicher, du könntest hier eine Menge Gleichgesinnte finden, wenn du es versuchen würdest."

„Da bin ich mir nicht so sicher", entgegnete Elsa dumpf. Sie nahm den Kaffee entgegen und wandte sich dann wortlos ab.

Gleichgesinnte. Ja, sicher. Auf der ganzen Welt gab es niemanden, der so war wie sie.

SEELENBRAND // eine disney fanfictionWhere stories live. Discover now