/4/ Zaghaftes Kennenlernen

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Mit einem Seufzen strich Arielle sich eine ihrer widerspenstigen roten Strähnen hinter das Ohr und fuhr mit dem Finger über das Anzeigefensters des Handpads, um eine neue Seite in ihrem Tagebuch zu beginnen. Ein Handpad war ein kleiner Chip, der unter der Haut des Handgelenks eingesetzt war und der einen virtuellen Bildschirm in die Luft projizierte, wenn man darauf drückte. Vor ein paar Jahren hatte beinahe jeder so ein Handpad gehabt... bis dann viele in Geldnot geraten waren und es sich wieder entfernen lassen haben. Wenn Eventyr nicht eine so egoistische Regierung hätte, sähen die Dinge vielleicht anders aus.

Arielle pustete sich zornig ein Haar aus dem Gesicht. Der Grund, warum sie ihr Handpad noch besaß, war ein einfacher: Ihr Vater war wohlhabend, da er eine große Firma hatte – und er ordnete sich Scars Gesetzen unter. Arielle hatte das nie richtig verstanden. Aber sie war auch schon immer das schwarze Schaf der Familie gewesen – hatte den Kopf in den Wolken gehabt und von einer besseren Welt geträumt, während ihre älteren Schwestern sich brav den Umständen hingaben. Ihre ganze Familie war der Meinung, dass es besser war, die Situation zu akzeptieren. Dass Arielle das nie wirklich konnte, war wohl einer der Gründe, warum sie und ihr Vater sich nicht verstanden.

Auf jeden Fall besaß ihre Familie genug Geld, damit Arielle ihr Handpad behalten konnte. Und es war das letzte, was sie hergeben würde. Dieses Handpad war ihr wichtiger, als jeder dieser Menschen annehmen konnte. Sie würde all ihre Sammelstücke verkaufen und weggeben, um ihr Handpad behalten zu können. Auch wenn es ihr bei dem Gedanken das Herz brach.

Ja, Arielle war eine eifrige Sammlerin. Sie liebte es, und irgendwie war es schon immer ein Teil von ihr gewesen. Sie hatte das Gefühl, jedes Mal, wenn ein neues Stück zu ihrer Sammlung dazu kam, lernte sie ein wenig mehr über diese Welt kennen. So kaputt sie momentan auch war, Arielle sah dennoch stets das Gute in der Welt und der Menschheit. Sie war sich sicher, dass bald wieder Freude und Lachen in Eventyr herrschen würden.

Arielle überlegte kurz, dann begann sie zu schreiben. Sie schrieb nicht mit den Händen, oh nein – sie schrieb mit ihren Gedanken. Wenn man das Handpad lang genug besaß, beherrschte man irgendwann die Taktik seine Gedanken zu kontrollieren und in Worte umwandeln zu können. Arielle war mittlerweile eine Meisterin darin. Zufrieden beobachtete sie, wie der Bildschirm vor ihr sich langsam mit Worten füllte. Dank der Geheimfunktion konnte sie ihr Handpad so einstellen, dass der Inhalt des Bildschirms nur für sie und nicht für Fremde sichtbar war. So konnte sie völlig ungestört mitten in der Öffentlichkeit Tagebuch schreiben – oder denken, besser gesagt.

Arielle erstellte von jedem ihrer Lebenstage eine kleine Zusammenfassung. Sie wusste nicht wieso, es war ihr irgendwie einfach wichtig. Vielleicht hoffte sie einfach, dass ihr Leben in Zukunft etwas aufregender verlaufen würde. Denn hier in der Disney Akademie war es zwar schön und sicher, aber todlangweilig. Für Arielle zumindest. Sie konnte hier nicht ewig verharren.

Seufzend hielt sie in ihrem Schreibprozess inne und hob ihren Blick. Sie saß im Schulhof der Akademie auf einer kleinen Bank, umgeben von Pflanzen, Bäumen und einigen anderen Schülern der Akademie. Es war wirklich schön hier. So friedlich. Die Sonne schien warm auf Arielle hinunter. Bald würde sie untergehen. Der Himmel verfärbte sich schon langsam rötlich.

Arielle liebte es sich solche Naturphänomene anzusehen, wie einen einfachen Sonnenuntergang. Es erinnerte sie daran, dass das Leben weiter ging, dass Dinge sich veränderten und dass ihre Probleme nicht die Probleme der Welt waren. Sie hatte es im Gegensatz zu vielen anderen auf der Welt wahrscheinlich ziemlich gut getroffen.

Dennoch, sie war nicht zufrieden. Sie war zu ihrer eigenen Sicherheit in der Disney Akademie, aber nicht ihr Vater hatte sie hierher geschickt, sie war selbstständig gegangen. Sie hatte das Bedürfnis gehabt unter Menschen zu kommen, Neues zu entdecken und wieder normal zur Schule gehen zu können. Das war ja auch alles schön und gut, doch niemand konnte genau wissen, was für einen hohen Preis sie dafür zahlte.

SEELENBRAND // eine disney fanfictionWhere stories live. Discover now