Zeremonie

1.4K 64 13
                                    

Mit einem mulmigen Gefühl verstärkt sie den Druck und schiebt die Tür auf. Was sie dahinter erwartet, lässt sie staunen.
Für einen Moment kann sie sich nicht rühren, ist überwältigt von dem Anblick. Sie blinzelt ein paar mal um wieder zurück in die Realität zu gelangen. Vor ihr am Boden... nein IM Boden befindet sich Moos. Es ist wie vor ein paar Tagen, am Schuljahresbeginn. Mit ein Lächeln im Gesicht tritt sie darauf und atmet genüsslich auf. Es fühlt sich wunderbar an darauf zu gehen, besonders in ihren Schuhen. Auch, wenn es wegen der Unebenheit gefährlicher ist und sie aufpassen muss, ist der Anblick des Waldbodens wunderbar. Nicht nur die Schönheit davon, sondern eher, dass Severus daran gedacht hat und es für sie gemacht hat.
Hermine schaut sich weiter um, lässt ihren Blick schweifen. Der Saal ist nicht klein, aber auch nicht übergroß. Etwa halb so groß wie die Halle und mindestens so schön wie dort. Die Wände sind in einem hellen Weiß gehalten und reflektieren das Licht. In der Mitte des Raums bildet sich ein Mittelgang aus ihren Freunden. Alle sind gekommen. Die Weasleys, Harry, Minerva, Nolan... Harry und Ginny haben ihre Verlobten mitgebracht, stehen aber trotzdem zusammen und ihre Verlobten ebenfalls als Paar. Rons Hand hält die seiner Zukünftigen und grinst Hermine aufmunternd an. Das Goldmädchen ist berührt und spürt Tränen in ihren Augen, die sich ihren Weg hinab bahnen wollen.
Der Weg führt zu einem kleinen Podest, auf dem ein steinerner Altar steht. Sie weiß nicht genau, was es darstellen soll, aber es erinnert an einen Brunnen. Mehrere, längliche Steinblöcke schießen aus dem Boden hervor und geben dem Ganzen noch mehr das Naturfeeling.
Sie holt tief Luft, atmet die Frische ein und verdrängt alle negativen Gedanken. Es wird funktionieren, da ist sie sich sicher. Kein Maurice und kein Malfoy Senior hier, dann kann es erträglich und vielleicht auch ganz schön werden.
Jetzt muss sie sich nur noch auf Severus konzentrieren. Apropos Severus. Gerade als Hermine sich fragt, wo dieser bliebt, öffnet sich eine Nebentür und zieht somit die Aufmerksamkeit auf sich. Das Gemurmel wie hübsch Hermine doch aussehe, verstummt und alle Augenpaare richten sich auf Professor Snape, der plötzlich ganz anders aussieht. Sie kommt aus dem Staunen gar nicht heraus, lässt ihren Blick auf ihm hoch und runter wandern.
Ob sie glauben kann, was sie sieht, weiß sie selbst nicht. Severus Snape, DER Severus Snape trägt tatsächlich ein Anzug. Er ist natürlich ganz in schwarz gehalten, ebenso wie das Hemd darunter. Dennoch sieht er irgendwie... edel aus. Endlich so, als würde es ihn auch einmal in seinem Leben interessieren, wie er ausschaut. Und er sieht verdammt gut aus.
Ob das am maßgeschneiderten Anzug oder an seinen frischen Haare liegt, die gekämmt aussehen, ist dabei unwichtig. Es ist insgesamt ein seltsames Auftreten.
Eben weil es so ungewohnt ist. Irgendwie passt es nicht zu ihm. Nicht dazu, wie man ihn kennt. Es ist, als wäre der Mann dort ein anderer Mensch. Ein Severus Snape, dessen Leben eine andere Wendung genommen hätte. So sieht er aus. Als wäre das das Ergebnis, welches entstanden wäre, wenn sein Leben positiv für ihn verlaufen wäre.
Unglaublich. Es ist so untypisch für ihn und dennoch passend. Man kann es nicht in Worte fassen...
Hermine würde auch nicht einmal ein Wort herausbekommen. Sie, wie viele andere auch, starren ihn einfach nur mit offenen Mündern an. Würde er jetzt auch noch lächeln, hätte sie Zweifel, ob das wirklich Severus Snape ist und nicht irgendeine schlechte Nachmache von einem Schauspieler.
Doch das tut er nicht. Seine Augen funkeln zwar unnatürlich und befreiend, aber seine restliche Mimik sagt etwas anderes. Er wirkt genervt und gelangweilt, aber Hermine glaubt, dass er das gar nicht ist.
Ganz im Gegenteil, sein Blick gilt nur ihr und er schreitet auf sie zu, hält vor ihr an. Er reicht ihr seine Hand, die Hermine zögerlich ergreift und schüttelt. Severus deutet einen leichten Knicks an und währenddessen erscheint hinter ihm ein Typ vom Ministerium, der die Ehe schließen wird.
Er stellt sich hinter die beiden, blickt gelangweilt drein und desinteressiert auf die kleine Versammlung.
Severus und Hermine jedoch ignorieren ihn, da er nur da ist um das magische Band zwischen ihnen zu legen. Plötzlich bricht Severus den Blickkontakt zu ihr ab und schaut auf den Boden. Kurz entschlossen kniet er nieder und blickt wieder zu ihr auf. Wie in Zeitlupe verschwindet seine Hand in einer seiner Hosentaschen und er zieht eine schwarze Schatulle hervor und dreht sie in seiner Hand. Dann schließt er seine Finger um sie und öffnet es schließlich. Hermine ist den Freudentränen nahe, kann kaum glauben, dass das hier wirklich passiert.
„Hermine... Soweit ich mich entsinnen kann, gab es nie einen Heiratsantrag. Generell gab es nichts Romantisches, aber ich verspreche dir, dass ich dich ehren und achten werde. Aus diesem Grund möchte ich dich nun etwas fragen, da du zumindest dieses Privileg erhalten solltest: Hermine Jean Granger, möchtet du meine Frau werden?", fragt er und seine Stimme klingt dabei sanft und leise. Die Worte kann man kaum verstehen, sind nur für Hermine bestimmt. Während er das sagt, fängt es plötzlich an Blütenblätter zu regnen und taucht alles in einen rosanen Schleicher.
Hermine kann nicht anders, vergießt trotz der erzwungenen Situation Tränen, die ihre Schminke verwischen. Sie kann nicht anders, sie schluchzt, wagt es aber nicht die Augen zu schließen. Severus bemerkt das, wirkt unsicher, obwohl diese unausgesprochene Sorge von ihm unbegründet ist. Hermine fühlt sich erfüllt und einfach... glücklich. Etwas, das sie seit Langem nicht mehr verspürt hat. Sie fühlt sich vollkommen, weiß, dass sie diesen Tag niemals vergessen wird. Obwohl sie es sich immer anders vorgestellt hat und unter anderem Umständen hier sein möchte, ist es für sie im Moment in Ordnung. Sie weiß nicht wieso, aber das Gesetz des Ministeriums kommt ihr nicht mehr so schlimm vor. Severus als Mann zu nehmen ebenfalls nicht. Im Gegenteil: Es ist, als hätten sie sich ganz ohne Gesetz kennengelernt und lieben gelernt. Das, obwohl Hermine Severus nicht liebt und er ebenso wenig. Oder doch?
Sie weiß es nicht.
Außerdem ist das wohl der falsche Augenblick um sich darüber Gedanken zu machen.
Oder ist es vielleicht genau der Richtige?
Ja, es ist der Richtige. Immerhin wird ihr hier gerade ein Heiratsantrag gemacht. Dieser ist anders als gewöhnlich, generell ist diese Zeremonie ziemlich seltsam und so vermutlich nicht vom Ministerium vorgesehen.
Sie weiß zwar, dass sie letztlich keine andere Wahl hat, aber das Nicken und die folgenden Worte meint sie dennoch vollkommen ernst. Sie macht sich darüber keine Gedanken mehr, ist voll benebelt. Das was zählt, ist dieser Moment. Dieser Mann vor ihr, der sie gerade so sehr berührt.
„J-Ja. Ja, ich will.", schluchzt sie unter Tränen und zusammengebissenen Zähnen. Ihr ist es peinlich keine feste Stimme zu haben und brüchig zu klingen. Sie wird leicht rot, was aber verschwindet als Severus ihr eins seiner seltenen Lächeln schenkt.
Das ist der Zeitpunkt, in dem Hermine es nicht mehr aushält. Hals über Kopf wirft sie sich in seine Arme. Überrascht über das auf ihn zurasende Haarbüschel muss er sich mit den Händen auf dem Boden abstützen um das Gleichgewicht zu halten. Die Schatulle rutscht ihm aus der Hand, was ihm nun jedoch vollkommen egal ist.
Er erwidert einfach die Umarmung und genießt es ebenso wie Hermine.
Severus nimmt seinen ganzen Mut zusammen und flüstert etwas in ihr Ohr, was sie schmunzeln lässt.
„Das Kleid sieht sehr gut zu dir aus."
„Das kann ich nur zurückgeben."
„Was? Das Kleid steht mir gut?", fragt er gespielt entsetzt und lacht anschließend in ihre Mähne.
„Nein, Sev, ich meine den Anzug. Das solltest du öfters tragen."
„Vielleicht denke ich mal darüber nach, wenn du mich nicht weiter ‚Sev' nennst.", sagt er und spricht seinen Kosenamen wie eine Beleidigung aus, was Hermine leicht lachen lässt.
Severus löst sich von ihr, nimmt die Ringe in seine Hände und lenkt somit Hermines Aufmerksamkeit auf sich.
Er nimmt einen davon und bedeutet seiner Hermine, ihm die Hand entgegenzustrecken. Sie tut es und er streift ihr den Ring über. Erst da betrachtet sie den eigentlichen Ring und muss beim Betrachten schmunzeln. Es ist ein silbener, der einen grünen Smaragd beinhaltet und mehrere Einkehrungen im funkelnden Metall hat. Die Umrisse einer Schlange sind zu erkennen und die Initialen ‚SS'.
„Man sieht sofort, dass ich zur Oberschlange gehöre.", rutscht es ihr raus und Severus hebt nur eine Augenbraue.
„Das will ich doch hoffen!", sagt er trocken, als wäre es das normalste der Welt. „Aber über das Wort ‚Oberschlange' müssen wir uns nochmal unterhalten.", sagt er und schmunzelt dabei selbst.
Hermine läuft rot an, wundert sich schon gar nicht mehr über seine Art und ehrlich gesagt gefällt sie ihm. Ja, Severus Snape gefällt ihr.
Das sie das einmal denken würde, hätte sie niemals geglaubt.

Aus ihren Gedanken gerissen durch ein abwartendes Räuspern ihres Fast-Mannes, nimmt sie nun auch den anderen Ring aus der Schachtel und hält ihn vor sich ins Licht. Es ist exakt der Gleiche... oder warte...
Statt der Initiale ‚SS' steht dort ‚HS'.
Hermine überlegt erst, was das zu bedeuten hat, ehe sie versteht. ‚HS' steht für Hermine Snape. Ihr von nun an neuer Name...
Kommentarlos steckt sie ihm den Ring um den ausgestreckten Ringfinger. Ihre Finger kribbeln als sie seine Hand berührt, wagt es jedoch nicht, sie zurückzuschieben. Stattdessen schiebt sie das bedeutungsvolle Schmuckstück vollständig auf seinen Finger und lässt dann von ihm ab. Er betrachtet seinen Ring ebenfalls, nickt zufrieden und wendet sich dann ihr zu.
Ein paar Minuten bleiben sie so stehen, ehe sie durch Applaus aus ihrer Beneblung gerissen werden. Erst jetzt nehmen sie wieder die, um sich herum versammelten, Gäste wahr, die sie seit des Betretens von Severus ausgeblendet haben. Es ist ihnen peinlich, so darin vertieft gewesen zu sein und sie vollständig zu vergessen.
Ein Räuspern zieht ihre Aufmerksamkeit auf den Angestellten neben sich und sie schauen ihn abwartend an.
„Da sie diese Zeremonie praktisch ohne mein Zutun vollbracht haben, erkläre ich sie nun hiermit zu Mann und Frau. Ihre Zustimmung haben Sie ja bereits gegeben.", er schnalzt mit der Zunge, ehe er seinen Zauberstab zückt und ein paar Worte vor sich hin murmelt. Währenddessen legt er die Hände der beiden zusammen und macht eine Zauberstabbewegung. „Hiermit sind sie aufgrund der magischen Ehe für immer miteinander verbunden." Die nun auftauchenden Fäden um ihre Hände, die sich miteinander verbinden, zwicken ihn ihre Haut, ehe sie verschwinden und nichts mehr zu sehen ist.
„Sie dürfen die Braut nun küssen, Sir.", sagt er und löst mit diesem letzten Satz Unbehagen in Hermine aus. Selbst Severus sieht sie an, wartet auf eine Art Bestätigung.
Mit einem letzten Blick zu ihren Freunden, nickt sie schließlich und versucht sich auf das Bevorstehende vorzubereiten. Der beruhigende Blick von Severus, der aussagt, dass alles gut werden wird, beruhigt sie selbst und sie entspannt wieder ihre Gliedmaßen. Vielleicht wird der Kuss ja gar nicht so schlimm. Sie muss einfach nur die Tatsache ausblenden, dass er ihr Lehrer ist...
Okay, jetzt daran zu denken macht es nicht gerade besser.

Sie nickt ihm nochmal entschlossen zu, ehe sie die Augen schließt und schon auf die kalten, rauen Lippen wartet.
Nach einer gefühlten Ewigkeit spürt sie einen Luftzug, der ihr eine Gänsehaut beschert und sie sich leicht schütteln lässt. Sie spürt die Anwesenheit und Nähe der Person vor sich und wie in Zeitlupe bewegen sich Lippen auf sie zu. Sie sind so zart und... weich. Severus küsst sie ganz vorsichtig, so, als wäre sie zerbrechlich. Es ist angenehm und wunderbar zugleich. Niemals hätte sie gedacht, dass es sich so anfühlen würde. Sie hatte zwar mal einen Kuss mit Viktor und auch mit Ron, aber die waren komplett anders.
Severus' Lippen sind unerwartet warm und plötzlich irgendwie so... voll und voluminös.
In ihr breitet sich ein unvorstellbar schönes Gefühl aus und ihrem Mann muss es wohl genauso gehen. Denn schon nach wenigen Sekunden legt er seine Hände in ihren Nacken und zieht sie zu sich heran. Er küsst sie nicht verlangend, sondern vorsichtig, keusch und ohne Zunge.
Als sie sich wegen dem Applaus der Gäste besinnen und sich voneinander lösen spüren beide eine Freunde in sich und sie strahlen sich an. Hermine durch ihre gesamte Mimik und Severus durch seine Augen, die mehr als Worte sagen.
„Wusstest du, dass es mein erster Kuss war?", flüstert er nun, sodass selbst Hermine Probleme hat ihn zu verstehen. Die Worte sickern in sie und sie schaut ihn ungläubig an. „Was?", entfährt es ihr. Sie kann es kaum glauben. Severus Snape, 39 Jahre alt, hatte noch nie einen Kuss?
Unvorstellbar.
Der Arme.
Ihre Mitschüler würden jetzt sagen: Klar, was hast du auch erwartet. Wer will den schon küssen?
Trotzdem wundert es sie. Lily war die einzige, mit der er es hätte haben können. Aber selbst sie verwehrte es ihm?
Warum?
„Es war auch mein Erster. Mein erster Richtiger.", flüstert sie leise und fängt sich damit einen fragenden Blick von Severus ein. Sie schüttelt nur den Kopf, will und kann zu keiner Erklärung ansetzten. Denn sie kann es sich selbst nicht erklären. Vielleicht liegt es daran, dass sie es wirklich gewollt hat. Bei Viktor und Ron hatte es sich irgendwie so entwickelt, sie wollte es ausprobieren. Aber hier...
Sie kann es sich doch auch nicht erklären!
Was ist nur los mit ihr?

Severus öffnet seine wunderbaren Lippen um etwas zu erwidern, als er urplötzlich unterbrochen wird. Die schwere Doppeltür wird aufgerissen und ein wütender Lucius Malfoy erscheint mit einem Auftritt, der Snape's alle Ehre gemacht hätte. Sein Umhang mit dem Fell darum schwingt sich um seine Schultern, sein Gesicht ist wutverzerrt und sein Stock in der Hand wirbelt herum. Wutschnaubend geht er den Mittelgang, der sich auftut, entlang auf Severus und Hermine zu. Ein paar Meter vor Severus bleibt er stehen und er schaut zu Hermine. Diese befindet sich in den Armen von ihrem Ehemann und zittert. Snape bemerkt das und stellt sich schützend vor sie um ihr Deckung zu geben.
Hermine kauert sich hinter Severus' Rücken zusammen, hat nur noch den wütenden Ausdruck Malfoys vor den Augen und atmet unregelmäßig. Sie fürchtet eine Panikattacke erleiden zu müssen, doch Severus legt ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter.
Mit der anderen greift er in seine innere Anzugtasche und holt seinen, zur Garderobe passend, schwarzen Zauberstab hervor. Er hält ihn gesenkt, ist aber jederzeit bereit zu reagieren.
„DU!", zischt Lucius bedrohlich und geht noch einen großen Schritt auf Severus zu.
„Du!", fährt er fort: „Hast mir MEINE Ehefrau gestohlen. Glaub mir Severus, das wird Folgen haben!"
Luicus hebt arrogant sein Kinn und seine Augen leuchten gefährlich. Sie sind nicht nur auf Severus gerichtet, sondern auch auf Hermine hinter diesem. Gut, dass diese das nicht sieht, es wäre zu viel für sie. Sie zittert ja jetzt schon und muss bei den Worten von ihrem schlimmsten Albtraum schwer schlucken.
„Du bist zu spät, Lucius. Sie ist MEIN und ich werde sie beschützen. Verschwinde also.", zischt Severus bedrohlich und breitet beschützend seine Arme aus. „Was willst du nun tun? Gib auf.", sagt er und provoziert damit seinen alten Freund.
„Was ich tun werde? Das hier!", entgegnet Lucius und zieht seinen Zauberstab.




Sevmine - Die Zeit danach ist auch nicht besser... oder doch?Where stories live. Discover now