Der Schulanfang

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Sie dreht sich um, hält nach Bekannten Ausschau. Wie erwartet haben fast alle aus ihrem Jahrgang den Abschluss geschrieben, weshalb sie nur sehr wenige Schüler ihrer Stufe erblicken kann.
Dafür sieht sie andere Gesichter von Menschen, die sie vermisst hat. Die Gesichter von denen, die im vergangenen Jahr unter Snape's Führung nicht nach Hogwarts konnten oder wollten. Aber auch das von Ginny einige Meter entfernt.
Immerhin ist sie geblieben und nun auch im selben Jahrgang wie Hermine. Ein Trost, wenn sie dabei an Harry und Ron denkt, die nicht hier sind. Immerhin ist ihre beste Freundin hier, wenn schon ihre Freunde ihren eigenen Weg ohne sie gehen.

Hermine seufzt, macht sich auf den Weg zu Ginny, die sich mit ihren Mitschülern unterhält, und stoppt abrupt. Ein Lächeln stiehlt sich auf ihr Gesicht und bevor sie etwas sagen kann, spürt sie auch schon die Schmerzen bei der Umarmung. Ihre Füße heben vom Boden ab und sie kann nicht anders, muss lachen.
„Hagrid, lass mich runter!"
„Freu mich dich zu sehn! Meine Mine brauch doch au mal ne dicke Umarmung."
„Jaja, klar. Aber lass mich trotzdem runter", sagt sie, auch wenn sie sich eigentlich nicht aus der Umarmung lösen möchte. Es tut nach all der Zeit einfach gut einen alten Freund in die Arme zu schließen und keine Fremden auf der Straße, die auf sie zustürmen.

„Türlich Mine."
Mit diesen Worten setzt er sie vergleichsweise sanft ab und kann es immer noch nicht lassen ihr über ihre braune Mähne zu streicheln. Hermine versucht dabei nicht an die Dinge zu denken, die er mit seinen Händen zuvor angefasst haben könnte und sich nun in ihren Haaren befinden.
„Wie sieht es mit den Neulingen aus?", fragt sie.
„Ach, du meinst de kleein Knirps?"
„Natürlich, wen sonst? Es werden ja nun auch viele in das zweite Schuljahr eingeschult, die letztes Jahr nicht kommen konnten. Wie macht ihr das überhaupt?", fragt sie mit dem Gedanken, wie der Unterricht nach dem schrecklichen Jahr aussehen könnte. Viele Schüler sind zuhause unterrichtet worden, hängen vermutlich hinterher. Zudem sind viele ältere Schüler gestorben, was nicht unbedingt zu einem normalen Alltag beiträgt.
Hermine wollte mit Professor McGonagall, der neuen Schulleiterin, darüber sprechen, doch diese sagte nur, sie solle sich überraschen lassen.
„Warts ab!"
„Weiß du etwas darüber?", nimmt sie ihn weiter ins Kreuzverhör.
„Mine, wo denkst du in? Türlich weiß ich dat."
„Aha... Und willst du mir davon nicht erzählen?" Sie legt den Kopf schief, setzt eine bittende Grimasse auf und schaut in seine Augen.
Dieser lacht jedoch und schüttelt den Kopf. „Ne, Mine. Du wirst es ja glich sehn. Ich muss mich nu um de kleeine Knips kümmern."
Mit diesen Worten klopft er Hermine nochmal auf die Schulter, die daraufhin in die Knie geht und eilt in die andere Richtung um die Neulinge aufzusammeln.

Hermine schüttelt gedanklich über ihn den Kopf und geht weiter zu Ginny. Doch als sie sieht, dass sie in einem Gespräch mit ihren alten Freundinnen vertieft ist, möchte sie sie nicht stören und bleibt entfernt von ihnen stehen.
Sie möchte Ginny mal alleine lassen, ihr eine Auszeit gönnen, bei ihren Freundinnen. Zwar ist Hermine auch Ginny's beste Freundin, aber die beiden haben sich in den vergangenen Wochen ziemlich oft gesehen und Hermine beschließt, dass auch sie das recht haben sollte sich mit anderen zu unterhalten.
Sie sieht sich weiter um, bemerkt die vielen Blicke, die auf ihr ruhen und macht sich alleine auf den Weg zum Schloss.

Die Tore des Schlosses sind geöffnet und als sie hineintritt, ist sie überrascht. Denn sie erwartet eine wahre Farbenpracht. Die Lehrer haben sich viel Mühe gegeben und versucht wieder eine schöne Umgebung für die Schüler zu schaffen. Dieses Jahr haben sie sich selbst übertroffen. Sonst wird sich bei der Gestaltung am Jahresanfang nicht so viel Mühe gegeben. Doch nun hängen überall Blumen an den Wänden und Fackeln sind befestigt wie im Kerker. Mit dem Unterschied, dass sie hier gemütlich und willkommen wirken.
Auf dem Boden liegen Blütenblätter, die sie und die anderen Schüler mit Freude mit den Füßen in der Gegend verteilen.
Von jedem Haus hängt ein Banner an der Wand vor der großen Halle, mehr nicht. Dieses mal scheinen die Häuser bei der Gestaltung nicht im Vordergrund gestanden zu haben. Ungewöhnlich für Hogwarts, wo doch sonst immer alles in den vier Farben gehalten ist.
Ansonsten sieht das Schloss, wenn man die heutige Gestaltung außer Acht lässt, aus wie immer. Hermine hat zwar beim Aufbau tatkräftig mitgewirkt, aber in der letzten Woche war es auch für sie tabu gewesen das Schloss zu betreten. Deshalb ist sie über das heile Schloss nicht überrascht. Nur darüber, was die Lehrer für ihre Schüler nach einer schweren Zeit zusätzlich gezaubert haben.
Sie kickt noch ein paar mal in die Blütenblätter beiseite und lässt sie davon wirbeln, ehe sie die große Halle betritt.
Dort erwarten sie noch mehr Farben, allerdings auch nicht die der Wappen von den Häusern. Auch hier sind auf dem Boden Blätter verteilt, aber nicht nur das. Auch Moos sprießt zwischen und auf den Platten im Boden hervor und gibt dem Speisesaal ein Naturfeeling. Es ist weich, als sie es betritt und sie muss instinktiv lächeln. Ja, es ist so, als würde man in einer Waldlichtung essen.

Apropos Essen. Auf den vier Haustischen stapeln sich Speisen und warten nur darauf gegessen zu werden. Allerdings sind die Haustische nun kleiner. Nicht, weil es nicht mehr genug Schüler gegeben hätte. Viel eher, da es nun auch noch waagerecht stehend vor den anderen Haustischen einen Weiteren gibt.
Er ist nicht in den typischen Farben der Häuser, da er keinem Haus zugehört. Es ist auch nicht der Lehrertisch, der direkt dahinter steht. Es ist einfach nur ein Holztisch. Ein Essensplatz für alle Schüler, unabhängig vom Haus. Zuerst fragt sie sich, was das soll, aber dann geht ihr ein Licht auf.
Natürlich!
Die Schüler haben immer nur mit den anderen aus ihrem Haus zu tun, nur selten gibt es gute Freundschaften zwischen den Häusern. Es ist meist ungesehen und nicht erwünscht, wenn beispielsweise ein Slytherin mit einem Gryffindor befreundet ist. Ein Grund dafür, dass hauptsächlich Slytherins zu Todessern wurden. Weil sie nur miteinander Kontakt haben und ähnliche Charaktereigenschaften besitzen.
Die Lehrer mussten wohl auch gemerkt haben, dass eine Ordnung nach den Häusern nicht sonderlich vorteilhaft ist. Es gibt immer Rivalitäten und Streitereien zwischen den Häusern.
Klar, die Lehrer wollen die Rivalitäten und Konkurrenzkämpfe zwischen den Häusern nach und nach auflösen! Schließlich hat man gesehen, wozu das führen kann.
Da kann ein einfacher Tisch, an dem Mitglieder von jedem Haus speisen können und sich mit anderen unterhalten schon helfen. Hermine versteht, dass sie nicht gleich alle Häuser auflösen möchten. Vermutlich einerseits wegen der Geschichte von Hogwarts und anderseits, weil sie sicher nicht wollen, dass es wieder nur ein Haus gibt und das auch zu Chaos führt.
Trotzdem haben sie deshalb vermutlich an den Farben der Häuser im großen Saal gespart um nicht die gesamte Zeit daran zu erinnern und es in den Hintergrund zu rücken.
So geben sie zumindest eine Richtung für die Schüler vor. Was diese dann daraus machen bleibt ihnen überlassen.

Hermine überlegt sich dorthin zu setzen, entscheidet es sich aber bei dem Anblick der leeren Bänke anders und setzt sich wie fast alle anderen auch an ihren eigenen Haustisch.
Vor ihr stehen Speisen, sie möchte danach greifen, etwas essen, da ihr Magen bereits zu Knurren begonnen hat. Statt sich etwas zu nehmen, wandert ihr Blick zum Lehrertisch. Dort sitzen nach wie vor alle Lehrer, die überlebt haben, und neue Lehrkräfte, die sie sicherlich noch kennen lernen wird. McGonagall, Flitwick... viele sind noch dort. Schön, dass sie ihre Stelle im letzten Jahr nicht gekündigt haben. Selbst Snape ist nach dem schrecklichen Jahr und vielen Anhörungen zurückgekehrt. Er wurde ebenfalls zum Kriegshelden erklärt und möchte anscheinend weiter unterrichten. Das Amt des Schulleiters hat er McGonagall zugesprochen. Warum weiß Hermine nicht. Natürlich, er war ein schrecklicher Schulleiter gewesen. Aber das lag sicher nur an seiner Rolle und an der Gesamtsituation...

Seine Rolle. Sie war wohl der Hauptgrund, weshalb er zum Lehrer wurde. Jetzt, wo er die Rolle los ist und kein Doppelagent mehr ist, könnte er auch aufhören. Aber offensichtlich möchte er es nicht. Sie versteht nicht warum, schließlich scheint er Kinder zu hassen und seine persönliche Aufgabe Harry zu schützen ist doch nun auch erfüllt. Also, was hält ihn noch hier?
Auch wenn sie sich wundert, freut sie sich über seine Anwesenheit. Sie hat ihm über die Jahre hinweg viel Unrecht angetan, ihn als Böse empfunden und ihn dennoch insgeheim irgendwie... gemocht. Es wird Zeit sich zu entschuldigen. Noch hatte sie dazu keine Chance, da der Aufbau von Hogwarts, die Interviews und Anhörungen viel Zeit gebraucht haben. Außerdem war er selbst vor Gericht und die Ferien über somit meist nicht da.


Als die große Halle sich schließlich füllt, erhebt sich die neue Schulleiterin. Sie tritt vor zum Rednerpult und wartet bis Ruhe eingekehrt ist. Erst dann beginnt sie zu sprechen. Dank eines Zaubers, mit dem ihre Stimme verstärkt wird, kann sie jeder hören.
„Herzlich willkommen, liebe Schüler. Nach dem letzten Jahr wird es diesmal sicherlich besser. Das was passiert ist, darf nicht vergessen werden. Es ist wichtig, dass wir an all die Opfer denken und wir unsere Vorurteile über Bord werfen.", bei diesen Worten bleibt ihr strenger Blick bei dem Tisch der Slytherins kleben.
„Da bedauerlicherweise viele Schüler im vergangenen Jahr nicht kommen durften, wollten und konnten, haben wir dieses Jahr ungewöhnlich viele neue Schüler. Begrüßt sie bitte gemeinsam mit mir."

Die schwere Tür zwischen den Haustischen öffnet sich erneut und nun kann man all die neuen oder alten Schüler sehen, die voller Vorfreunde auf der Stelle herumtanzen. Die Älteren haben wie die Jüngeren ein Lächeln auf dem Gesicht, freuen sich wieder hier zu sein. Klar, sie waren im schrecklichsten Jahr in der Geschichte von Hogwarts nicht da gewesen, ebenso wenig wie bei der Schlacht. Sie haben keine Menschen sterben sehen und mussten nicht töten.
Gut, wären sie gekommen, wären viele von ihnen ebenfalls gestorben und schon vor der Schlacht in Gefangenschaft geraten. Zumindest die Muggelstämmigen.

Hermine freut sich sie wieder zu sehen und hebt ab und zu die Hand um Bekannten zu winken. Sie werden von Hagrid begleitet und finden sich nach und nach in einer Reihe hintereinander ein. Die Älteren vorne, die Jüngeren hinten.
Viele der Älteren, die bereits einem Haus angehören, lösen sich von den anderen und gehen zu ihren alten Kollegen.
Somit bleiben fast nur noch Zweitklässler oder Erstklässler übrig. Es sind auch noch ein paar Schüler dort, die älter zu sein scheinen, aber noch keinem Haus angehören. Sie gehen vor den Erst- und Zweitklässlern zu dem Hut, der auf einem Stuhl und einem Podest steht.

Ein neues Mädchen für das siebte Jahr setzt sich darauf und wird sogleich Ravenclaw zugeteilt. Ihr folgen weitere Neulinge und Hermine schaut aufmerksam zu, bis sie eine Hand auf ihrer Schulter liegen spürt. Überrascht sieht sie sich um und blickt in hellblaue Augen. Der Junge vor ihr ist groß, etwa so alt wie sie und hat blonde Locken. Er lächelt ihr zu und deutet mit dem Finger auf den Platz neben ihr.
„Hi.", sagt er in einer sanften und leisen Stimme.
„Hi.", erwidere ich.
„Kann ich mich neben dich setzen?"
Hermine überlegt kurz bevor sie nickt.
„Klasse. Weil irgendwie ist sonst kein Platz mehr frei außer neben dir und du hast so schön gelächelt, weshalb ich dich gefragt habe.", sagt er und schwingt dabei ein Bein über die Bank und nimmt neben ihr Platz. Sein Blick ist zwar auf Hermine gerichtet, gleitet aber immer wieder zu den Speisen vor ihm. Sie lächelt darüber.
Er erinnert sie an Ron.
Sie denkt über seine Worte nach. Ja, die Haustische sind wegen der Verkürzung tatsächlich deutlich voller als sonst. An dem neuen Tisch haben nun zwar auch noch andere Schüler Platz genommen, dennoch sitzt man Schulter an Schulter. Das tun alle, außer Hermine. Neben ihr ist auf beiden Seiten frei. Niemand scheint es zu wagen sich neben die Kriegsheldin vom goldenen Trio zu setzen. Niemand, außer dieser Junge.
„Es ist schön hier.", reißt er sie aus ihren Gedanken.
Hermine nickt. „Ja, das stimmt schon. Normalerweise ist es hier schön."
„Hmm... ja, ich habe davon gehört.", spricht er leise und versucht das Thema zu wechseln als er sieht, wie ihr Lächeln erstirbt. „Also ich komme eigentlich von Durmstrang."
„Und warum bist du hier?", fragt sie höflich.
„Meine Eltern sind umgezogen. Es ist mein erstes und letztes Jahr in Hogwarts, bin eben erst zugeteilt worden."
Hermine nickt erneut. Ja, sie hat ihn vorhin gesehen. Der Hut hat lange gebraucht, schließlich ist er doch zum Gryffindor geworden. Sein Name ist... Hmm... irgendwas mit M.
„Wie heißt du? Tut mir leid, ich war mit meinen Gedanken teilweise woanders.", fragt sie deshalb. Ihre Ausrede stimmt sogar. Andauernd schwelgt sie in Erinnerungen an den Tag, an dem sie selbst eingeschult wurde, wenn sie die Neulinge sieht.
„Oh, natürlich. Wie unhöflich von mir." Er streckt ihr seine Hand entgegen. Hermine zögert bevor sie sie ergreift. „Mein Name ist Maurice Connor. Ich komme ursprünglich aus Amerika, bin aber wegen dem Job meiner Eltern mehrmals umgezogen."
„Hermine Granger.", stellt sie sich knapp vor. Daraufhin werden seine Augen groß und er legt den Kopf schief.
„Du bist Hermine Granger?"
Hermine nickt, straft sich dafür, dass sie ihren Nachnamen genannt hat. Soll er doch weiter glauben, sie sei eine ganz normale Schülerin. Sie möchte keine Sonderbehandlung und sich normal mit ihm unterhalten und nicht über den Krieg sprechen, wie sie es andauernd tun muss.
„Möchtest du darüber reden?", kommt die Frage auch schon.
Sie schüttelt den Kopf. Er spricht es nicht aus, aber es ist klar wovon die Rede ist.
„In Ordnung.", sagt er nachdem sie nicht mit Worten antwortet.
In ihr breitet sich Erleichterung aus und sie ist dankbar für sein Verständnis. Damit ist er offiziell nicht wie Ron. Denn Ron hat kein Taktgefühl.

„Was arbeiten deine Eltern eigentlich?", wechselt sie das Thema.
„Ach, die sind Muggel.", er macht eine wegwerfende Handbewegung. „Mein Vater ist Diplomat, weshalb wir uns immer mal wieder woanders aufhalten müssen."
Hermine zieht die Augenbraue hoch und ihre Laune muntert sich wieder auf. Er ist also auch ein Muggelstämmiger.
„Und deine sind auch Muggel, nicht wahr? Was machen sie?", fährt er fort.
„Oh, sie sind Zahnärzte. ", sagt sie mit einem Lächeln im Gesicht, woraufhin er nur nickt.
„Also recht unspektakulär." Er lacht bei seinen Worten "Wie...", beginnt er, unterbricht sich dann aber selbst.
Die Schulleiterin erhebt sich in dem Moment und ergreift das Wort. Nach ihrer allgemeinen Ansprache, in der sie den Schülern den neuen Lehrplan erklärt, dürfen sie endlich beginnen zu essen.
Es schmeckt köstlich. Die vielen Früchte, das saftige und gesunde Essen erinnern an ein Picknick im Wald mit der Umgebung. Hermine lacht viel, während sie sich mit Maurice unterhält und sie bereits nach wenigen Stunden beim Fest eine Freundschaft schließen. Sie fühlt sich so wie damals, als sie mit Harry und Ron immer hier saß und gelacht hat. Weg sind für einen Moment die Bilder der Schlacht und deren Verluste.

Sevmine - Die Zeit danach ist auch nicht besser... oder doch?Where stories live. Discover now