Aufmunterung

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Sie sitzt dort einige Zeit, starrt auf ihre Kartoffeln und schiebt sie widerwillig beiseite. Auch Severus scheint der Appetit vergangen zu sein. Ebenso wie Minerva, die den Fragen ihrer Kollegen ausgesetzt ist. Hermine und Snape selbst hat noch niemand gewagt anzusprechen. Die grimmige und schlecht gelaunte Miene von ihm und ihr sprechen wohl Bände. Doch das ist Hermine vollkommen egal.
Eigentlich sollen ihre Lehrer und Mitschüler sehen, dass sie schlecht gelaunt ist. Damit sie verstehen, dass es nicht ihre freie Entscheidung ist, ihn zu heiraten. Schließlich rechnet sie mit vielen blöden Kommentare und Gerüchten, die jetzt schon die Runde machen.
„Kein Hunger?", fragt Snape schlecht gelaunt und ihm läuft dabei schwarzer Kaffee die Kehle runter.
„Nein, du?"
Severus schweigt nur und stellt dann seine Tasse wieder ab. Das ist Antwort genug. „Dann würde ich es vorziehen, wenn ich mich zurückziehe."
Hermine nickt, doch da legt sich ein Unterarm auf ihre Schulter und eine Hand auf die Schulter von Snape. Dieser will sich gerade umschauen, um den Übeltäter anzukeifen und erstarrt dann wieder, als er bemerkt wer es ist.
„Also ist es wahr was man sich erzählt?", fragt Nolan und wirkt dabei genauso neugierig wie McGonagall. Dafür erntet er von Snape ein weiteres Schnauben und das Wegstreichen seiner gesunden Hand von der Schulter.
„Was erzählt man sich denn?"
„Dass ihr euch dazu entschlossen habt zu heiraten."
„Das war kein Entschluss!", fährt Snape ihn weiter an. „Außerdem geht dich das nichts an." Auf Nolans Lippen breitet sich ein amüsiertes Lächeln über den Wutausbruch seines Kollegens aus.
„Da gibt es rein gar nichts zu lachen!"
„Ja, entschuldige Severus. Ich habe mir nur schon lange überlegt welche Frau es mit dir aushalten würde...", beginnt er amüsiert und lässt den Arm immer noch auf Hermine liegen, die ihn gerne, wie Snape, wegstreichen würde. Aber dann erinnert sie sich an seine Verletzung und daran, dass sie sie letztlich verursacht hat und lässt seine Hand liegen.
Bei Nolan's Worten erhebt sich Severus und wer bisher noch nicht zu ihnen geglotzt hat, tut es jetzt. „Das geht dich überhaupt nichts an.", zischt er und geht dabei bedrohlich auf seinen Kollegen zu. Dieser lässt sich nicht durch Severus' imposantes Auftreten einschüchtern und blickt ihm weiter in die Augen. „Ich weiß, Severus. Dennoch bin ich der Meinung, dass es dir guttun könnte."
„Du weißt gar nichts.", sagt ihr baldiger Ehemann kalt, beugt sich zu seinem derzeitigen Hassobjekt hinab und verschwindet dann mit wehendem Umhang aus der großen Halle. Hinter sich lassend eine verzweifelte Hermine, die nicht weiß, ob sie aufstehen und ihm folgen soll, oder einfach sitzen bleiben soll. Bei den vielen Blicken ihrer Schüler entschließt sie, erst einmal zu bleiben und zu warten, bis er sich beruhigt hat, um ihm dann zu folgen.
Nolan hingegen lächelt noch immer und nimmt schließlich neben Hermine auf Snapes Stuhl Platz und beäugt sie einige Zeit schweigend. „Mal sehen, ob Sie Severus erreichen können.", murmelt er dann und legt seine immer noch verbundene Hand vor sich.
Im Unterricht haben die Schüler sich schon gefragt was mit seiner Hand los ist, doch Hermine hat ihnen bisher keine Auskunft darüber erteilt, ebenso wenig wie er.
Hermine schweigt, zuckt lediglich mit den Schultern und widmet sich wieder ihrem Essen, das auf einmal so unfassbar interessant erscheint.
„Haben Sie mit ihm über das Armband gesprochen?", fragt er und Hermine sieht sich gezwungen ihre Aufmerksamkeit wieder ihm zuzuwenden und alle anderen auszublenden, was ihr nicht sonderlich gut gelingt. Am liebsten würde sie jetzt auch aufstehen und gehen. Gehen, laufen, rennen.
Weit weg von hier.
Für ein paar Sekunden, Minuten, Stunden.
Aber nicht jetzt. Nicht hier.
„Wir sind nicht mehr dazu gekommen."
„Verstehe.", sagt er und grinst sie lächelnd an, sodass sie die Augen verdreht.
„Nicht das was Sie jetzt denken. Wir hatten Besuch vom Ministerium."
„Also haben Sie sich gegenseitig vom Brief nichts erzählt.", schließt er mit einem wissenden Blick und greift nach einem Baguette von Severus.
„Nein."
„Warum nicht?"
„Horchen Sie mich gerade aus?", stellt Hermine misstrauisch eine Gegenfrage. Sie will sich jetzt nicht mit Nolan unterhalten, will ihre Ruhe haben und raus aus dieser unangenehmen Situation.
Er schüttelt leicht den Kopf und Hermine atmet genervt aus. „Sie sind schlimmer als McGonagall.", flucht sie vor sich hin und da dreht Minerva neben ihr auch schon den Kopf zu ihr.
„Das habe ich jetzt überhört.", entgegnet Minerva ein wenig beleidigt und dennoch mit einem Schmunzeln.
Hermine verdreht die Augen, fasst einen Entschluss und erhebt sich wie Severus davor. Wortlos steht sie auf und verlässt die große Halle. Dabei begleiten sie nicht nur die Blicke von Minerva und Nolan, sonders einschließlich von ALLEN in der großen Halle. Auch der von Connor.

Als die Tür hinter ihr ins Schloss fällt, schließt sie kurz die Augen und ordnet ihre Gedanken. Mit einem Seufzer stoßt sie sich ab und macht sich auf den Weg zur Bibliothek. Sie braucht jetzt Ablenkung. Ablenkung, die ihr nur Bücher geben können.
Vorher kann sie nicht mit Severus reden und will es auch nicht.

Nachdem sie etliche Bücher aus den Regalen genommen hat, darin geblättert hat und schließlich nichts Interessantes erfahren hat, legt sie sie wieder zurück und stöhnt auf. Immer wieder kommen Mitschüler in die Bibliothek und stören ihre Ruhe. Bei Vielen hat sie zudem das Gefühl, dass sie es absichtlich machen und einfach nur die zukünftige Gattin von der gefürchteten Fledermaus betrachten wollen.
Hermine verdreht genervt die Augen, kann die Stille, ungewollte Anteilnahme der anderen nicht länger ertragen und erhebt sich seufzend.
Eigentlich möchte sie jetzt einfach nur ihre Ruhe, vielleicht höchstens mit Ginny darüber reden oder mit Severus... Obwohl der ist sicherlich genauso schlecht gelaunt wie sie und sie könnte es nicht ertragen, ihn um sich zu haben.
Mit hängendem Kopf und die Worte der anderen ignorierend geht sie die Flure entlang, achtet nicht auf die Fingerzeige der jüngeren Schüler auf sich und geht einfach immer weiter. Bis in den Gryffindorturm, nur, um dort ihre Zimmertür wutentbrannt zuzuschlagen.
Mit zitternden Knie rutscht sie daran herunter und vergräbt den Kopf in den Händen.
Was ist das nur ein verfluchter, schrecklicher, grauenhafter Tag?
Ein Tag, der ihr Leben verändert.
Für immer.
Ins Negative, vermutlich.

Sie weiß nicht wie lange sie dort nun sitzt. Die Tränen haben aufgehört. Die Gedanken um Snape und ihre Zukunft sind noch immer da. Es ist so, als würde sie eine Liste machen. Mit Dingen, die für die Ehe sprechen und mit Dingen, die dagegen sprechen.
Hermine ist so tief in Gedanken versunken, dass sie das Klopfen direkt hinter sich erst gar nicht bemerkt. Erst als sie selbst die Vibration von den heftigen Schlägen an ihrem Rücken spürt, realisiert sie es, erhebt sich missmutig und betrachtet die Tür. Erst möchte sie die Person die dahinter steht wegschicken, doch als sie die Worte in Verbindung mit der ihr bekannten, gedämpften Stimme hört, überlegt sie es sich anders.
„Hermine! Jetzt mach schon auf. Ich bin immer da für dich zum Reden, das weißt du doch, oder?"
Ja, das weiß Hermine. Auch wenn sie ihrer besten Freundin dafür sehr dankbar ist, kann sie es nicht immer gut heißen. Sie will allein sein.
Und sie will es zeitgleich nicht.
Als Ginny noch ein paar Mal klopft, reißt sie schwungvoll, wie Severus, die Tür auf und ihr fällt durch den Überraschungsmoment eine torkelnde Freundin entgegen.
Selbst erstaunt kann Hermine sie gerade noch aufrecht halten, bevor sie hinfällt.
Ginny fängt sich wieder, windet sich aber nicht aus Hermines Armen. Stattdessen hält sie sie. Genauso wie Hermine es vor wenigen Tagen in der Toilette getan hat.
Sie ist dankbar für den Halt, lässt sich gehen, ihren Tränen freien Lauf und vergräbt ihren Kopf in den roten Haaren.
„Psst, alles wird gut.", sagt Ginny und erinnert sie dabei noch viel mehr an sie selbst.
Nach einiger Zeit löst sie sich wieder, schnieft einmal, nimmt das rote Taschentuch Ginnys dankend an und schnäuzt ihre Nase.
„Danke.", presst sie zwischen den Zähnen hervor und nickt ihr dankbar zu. Welches Erscheinungsbild sie gerade abgeben muss, interessiert sie nicht. Ebenso wenig wie ihre Freundin, die wegen des ‚Danke' von Hermine nur den Kopf über sie schüttelt.
„Ich doch klar. Du brauchtest mal Ruhe und musst getröstet werden. So wie du immer für mich da bist, bin ich es auch für dich."
Hermine nickt nur wieder und entfernt sich ein Stück von ihr. Müde lässt sie sich in den Sessel hinter sich fallen und schließt die Augen bei dem wohligen Gefühl der Entspannung. Ihrem Gesäß tut es gut nun wieder auf etwas Weichem sitzen zu können und nicht auf dem harten, kalten Boden in einem unangenehmen Winkel.
„Also, erzähl: Was ist passiert?"
Erst möchte Hermine den Kopf schütteln, sie von sich jagen und ihre Gefühle weiter in sich hineinfressen. Doch sie muss einsehen, dass es ihr damit vermutlich nicht besser geht und so nickt sie einfach nur kurz und beginnt dann immer noch weinerlich zu sprechen: „Ich werde dir alles erklären. Aber du unterbrichst mich nicht, verstanden?"
Ginny nickt ebenfalls zur Bestätigung und so fährt Hermine fort: „Also ich wollte dir ja nicht von meinem Brief erzählen, weil Snape darin stand. Ich dachte, er hätte mich nicht und so habe ich es ihm nicht gesagt. Irgendwie hatte ich Angst verstoßen zu werden. Ich meine, was wäre, hätte er mich nicht gehabt? Nie wieder könnte ich ihm in die Augen sehen.
Dabei ist er in letzter Zeit oft in meiner Nähe gewesen. Schon bevor wir überhaupt etwas vom Gesetz erfahren haben. Außerdem war er immer gegen Connor, was ich mittlerweile auch verstehen kann.
Obwohl es Se... Snape nichts angeht."
An dem Zeitpunkt, als Hermine fast den Vornamen gesagt hätte, sieht Ginny sie aus großen Augen an und ihre Neugier ist noch mehr geweckt.
„Irgendwie ist mir das nicht aufgefallen und ihm sind meine verstohlenen Blicke ebenfalls entgangen. Oder er hat sie anderes einsortiert, ... wie auch immer.
Auf jeden Fall hat sich wohl niemand getraut..."
„Feigling!", entfährt es Ginny und beim Blick von der Erzählerin verstummt sie augenblicklich wieder. Erst will Hermine etwas dagegen sagen, doch sie hält inne. Ja, Severus ist ein Feigling. Auch wenn sie ihn verstehen kann, da er zusätzlich die Lehrerrolle hat. Aber sie ist auch nicht viel besser als er. Ginny hat trotzdem recht.
Auch als er heute beim Abendessen einfach so aufgestanden und verschwunden ist...
das war feige.
Sie kann es ihm nicht verübeln, weil sie ihn versteht. Anderseits hätte sie etwas Anderes von ihm erwartet. Er, der große Severus Snape, der Ex-Todesser und Spion zwischen gefährlichen Fronten, fürchtet sich vor einfachen Briefen und deren Inhalt.
Sie kann nur den Kopf schütteln, bevor sie weiterredet und ihre Gedanken immer noch darum kreisen.
„Wir haben uns also nicht gemeldet und wollten uns eigentlich heute Mittag treffen wegen des Armbands, von dem ich dir erzählt habe. Da kamen plötzlich Ministeriums-Angestellte und sagten, wir hätten eine Übereinstimmung. Um keine Konsequenzen und Probleme zu bekommen, haben wir geschauspielert und um Verschonung... gebeten. Mit der Ausrede, wir hätten den Termin vergessen und wären wegen der Nachfolgen des Krieges so durch den Wind, dass wir das übersehen hätten."
Ginny kann sich ein Lachen nicht verkneifen. „DU und Schauspielerei...? Das kannst du jemand anderem erzählen. Und das haben die euch echt geglaubt?"
Empört über das mangelnde Vertrauen von Ginny boxt sie sie spielerisch in die Seite, was diese nur mit einem „Au!" quittiert.
„Ja das haben sie. Außerdem kann Snape sehr gut lügen."
„Kein Wunder... Sein Leben bestand ja auch aus einer einzigen, großen Lüge."
„Dann kam auch schon McGonagall, hat sich darüber aufgeregt und danach hat er mir seine Räume gezeigt, in die ich bald ziehen muss."
„Echt? Dann bist du sicherlich eine der ersten Schüler, die seine Privaträume sehen.", ruft Ginny begeistert aus. „Erzähl, wie sieht es dort aus?"
„Er hat... Geschmack."
Ungläubig schaut Ginny sie an.
„Ja, hätte ich auch nicht gedacht. Es sieht dort seltsam aus, aber auch wohnlich. Es passt auf jeden Fall zu Snape, auch wenn er sich um sein Zuhause mehr Gedanken macht als um sein Aussehen.", Hermine holt tief Luft, setzt zu einer weiteren Erklärung an und hält dann wieder inne und denkt nochmal über ihre eigenen Worte nach. Ja, Snape macht sich keine großen Sorgen um sein Aussehen.
Jeden Tag trägt er dasselbe, seine Haare sind ungepflegt und dennoch... so schlecht findet Hermine sein Äußeres gar nicht.
Kann auch sein, dass sie sich in ihren eigenen Gedanken selbst belügt, aber sie verabscheut Snape nicht. Zumindest nicht äußerlich, aber selbst innerlich kaum bis nie.
Sie schüttelt erneut den Kopf über sich selbst und verwirft den Gedanken. Zumindest versucht sie das. Denn immer wieder taucht sein Gesicht vor ihrem inneren Auge auf und lenkt sie ab.
„Ich bin dann... Also. Wir haben uns dann zum Abendessen getroffen und da hat er mich vor Malfoy beschützt und wir sind danach zusammen zur großen Halle gegangen."
„Warte, Malfoy hat dich angegriffen? Was hat er getan?"
„Ach, er wollte mich nur aus den Kerkern jagen und mich schocken."
„Und dann hat Snape dich beschützt?", fragt Ginny begeistert und Hermine kann über ihre Neugier nur ebenfalls leicht lächeln.
„Wenn du es denn so nennen möchtest. Du hättest die Blicke sehen sollen. Köstlich!"
„Haha, das kann ich mir vorstellen. Ich hoffe du gibst mir irgendwann mal die Erinnerung davon. Naja, und was ist dann passiert?"
„Den Rest kennst du. Wir haben uns danach nicht mehr gesehen."
„Warum nicht?"
„Weil ich mich nicht getraut habe.", flüstert Hermine leise und hofft, dass Ginny sie überhört hat.
Als diese verwundert zu ihr schaut, wird sie rot.
„Hermine Jean Granger. DU willst mir doch nicht etwa sagen, dass diejenige, die über Jahre hinweg gegen Voldemort gekämpft hat, jetzt Angst vor einem Gespräch hat?" Sie stemmt die Hände an die Hüfte und erinnert in diesem Moment überraschend viel an ihre Mutter Molly Weasley.
Mit einem entschuldigenden Lächeln antwortet Hermine ihr, doch sie lässt das Thema noch immer nicht beruhen.
„Hermine, du geht jetzt zur alten Fledermaus und bittest um ein Gespräch. Ihr hattet ja nicht einmal Streit, wie es scheint. Oder doch?
„Nein, die Situation in der großen Halle war wohl einfach zu viel für ihn."
„Siehst du, du hast damit nichts zu tun."
„Doch Ginny, das habe ich.", Hermine atmet tief durch ehe sie die schmerzenden Worte über ihre wund gekauten Lippen bringt. „Er schämt sich für mich."
Ginny schnappt ungläubig bei diesen Worten nach Luft. „Wenn er das wirklich tut, dann erkläre ich ihn offiziell für dumm. Du bist die beste Frau, die er jemals bekommen könnte. Intelligent, hübsch, reif, mutig, selbstbewusst und Vieles mehr. Außerdem bist du eine Kriegsheldin!"
„Das ist er auch.", nuschelt Hermine, als sie vor die Tür gedrängt wird, von Ginny am Arm festgehalten wird und durch das halbe Schloss zum Kerker geschleppt wird.

Sevmine - Die Zeit danach ist auch nicht besser... oder doch?Where stories live. Discover now