103| Schwester

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Start Again - OneRepublic

Lucy

Wie eine Irre, raste ich durch die Gänge des Alphahauses. Cassian war bereits zum Rudelhaus aufgebrochen, anscheinend hatte er eine wichtige Besprechung. Mein Herz hämmerte wie wild, als ich die Treppe hinunter rannte. Seit Gestern war unsere Verbindung besiegelt. Er hatte mich markiert.
Ich hätte es mir ehrlich gesagt schlimmer vorgestellt, doch alles was man noch sah, war ein blassrosa Abdruck.

Mit was ich nicht gerechnet hätte, war die Welle der Erinnerungen, die mich überschwemmt hatte. So bald seine Zähne meine Haut durch bissen hatten, schossen sie wie Lichtblitze durch meinen Kopf. Ich und Cassian haben die ganze Nacht darüber geredet. Ich konnte mich wieder an sie erinnern, ein paar Sachen waren noch Lückenhaft. Doch anscheindend hatte die Makierung den Großteil wieder zurück geholt.
Es war ein Geschenk der Götter!

Und nun war ich auf der Suche nach Reyna. Denn ich musste unbedingt mit ihr reden.

Denn eine Erinnerung hatte mir schlicht die Luft zum Atmen genommen. Ich sah sie wieder vor mir. In den Armen von Lucien.Die Augen weit aufgerissen. Auf ihren Lippen mein Name. Ich dachte sie wäre gestorben. Damals.

Ich rannte regelrecht in die Küche. Reyna stand am Kühlschrank, die Milch in der Hand, und drehte sich zu mir um. Ihre Haare waren noch verwuschelt und alles deutete darauf hin, dass sie gerade erst aufgestanden ist. "Morgen, Lucy.", begrüßte sie mich.

Ich blieb nicht stehen, sondern steuerte gerade Wegs auf sie zu.
Sie keuchte erschrocken auf, als ich meine Arme um sie schlang und sie eng an mich zog. "Lucy? Was-"
"Es tut mir so leid, Rey!", murmelte ich in ihre Haare. Ich hatte ja keine Ahnung. Sie hat überlebt.

"Es tut mir leid, dass ich nicht da war. Das du alles alleine durchmachen musstest. Es tut mir leid das ich mein Versprechen gebrochen habe."

Ich hatte ihr mein Wort gegeben. Ich würde nicht gehen. Und doch bin ich gegangen. In gewisser Weise.

Reyna drückte mich von sich fort, ihr Mund stand offen. Das Blau ihrer Augen wanderte suchend über mein Gesicht. "Du ... Du kannst dich erinnern?", flüsterte sie heißer.

Ich nickte und sie quietschte auf. Ruckartig legte sie ihre Arme um mich und umarmte mich, so wie ich sie nur wenige Augenblicke zu vor. "Du kannst dich erinnern!", keuchte sie und ihr Körper bebte.

Es war so schön sie wieder umarme zu können. "Nicht an alles. Aber ich kann mich wieder an das wichtigste Erinnern. An die Film Abende und wie wir beinahe die Küche abgefackelt hätten. Als wir shoppen waren. Und das Versprechen auf dem Dach. Es tut mir-"
"Das ist egal! Du hattest keine Wahl! Oh Götter Lucy! Du bist wieder da! Wirklich da!", sie löste sich ein Stück von mir und ihre Augen glänzten verräterisch.

Wir hatten so viel zusammen durchgemacht. Sie war die erste richtige Freundin die  ich jeh hatte. Wir haben zusammen gelacht, bis wir weinten. Wir haben rumgealbert und zusammen geweint. Sie ist meine Schwester! "Ich hab dich lieb, Rey."
Reyna drückte sich wieder an meine Brust und ich spürte wie Sie tief einatmete. "Ich dich auch, Lucy. "
Wir hatten uns wieder.

Doch dann erstarrte sie. Ruckartig wich sie von mir und starrte mich an. Sie legte den Kopf schief und hob die Hand. "Warte mal..."
Verwirrt sah ich auf sie herab. Was war denn jetzt? Sie schien zu schnuppern und dann...
"Oh meine Güte."

Verschiedene Ausdrücke huschten über ihr Gesicht. Von Verwirrung zur Erkenntins zu Freude zu ... Angewidertheit?
Sie verzog das Gesicht, als hätte sie in etwas saures gebissen.
"Er hat dich markiert, nicht wahr?"

Von ihrem angeekleten Ton verunsichert sah ich auf meine Hände. "Ja, ist das etwa schlimm?"
Reyna schnellte Ruckartig zu mir. "Nein! Nein! Nur ... manche Sachen will man sich einfach nicht vorstellen."
Sie schüttelte sich und tippte sich an ihre Schläfe. "Kopfkino, weißt Du?"

Ich musste kichern und sie schloss sich mir an. "Ich bin unheimlich glücklich. Wurde ja auch mal langsam Zeit!", sie setzte sich an den Tresen der Küche. "War das der Grund für das ganze -" sie suchte nach den richtigen Worten "erinnern?"
Ich nickte und setzte mich ihr gegenüber.

"Das heißt jetzt gibt's kein Zurück mehr, das weißt du oder?", sie begann ihr Müsli zu mampfen.
"Bei dir klingt das wie etwas schlimmes.", meinte ich und beobachte, wie sie sich die Backen vollstopfte. "Naja, wie du ja jetzt weißt... Sind wir alle nicht gerade -"
"Normal?", unterbrach ich sie.

Nein das waren wir ganz und gar nicht.
Wir.
Ich grinste bei den Gedanken. Ja ich gehörte auch zu diesem verrückten Haufen. Ich konnte mich vielleicht nicht immer daran erinnern, doch ich hab es hier immer gespürt.
Das Gefühl der Zugehörigkeit.
Das hier waren meine Leute.

"Ja normal sind wir ganz sicher nicht.", sagte Rey mit vollem Mund.

Da kam mir ein Gedanke, der mich unerwartet traf.
"Du Rey?"
Sie hörte auf zu kauen und sah zu mir auf. "Was ist eigentlich mit Elenor und Moira passiert?"

Das rothaarige Mädchen mit den süßen Simmersprossen, das mir bereits bei der ersten Begegnung ihre ganze Lebensgeschichte erzählt hatte. Und Elenor, die ältere Dame, die die besten Pasteten backte und immer die neusten Gerüchte auf Lager hatte. Auch sie hatten dieses Haus hier zu meinem Zuhause gemacht. Bis zur jener Nacht...

Ich sah Finn immer noch da liegen. Wie die Fliesen unter ihm sich langsam Rot färbten und sein Blick, der ins Leere gerichtet war. Ein grausiger Schauer zog sich über meine Haut. Dieses Bild kam leider auch wieder.

Reynas Blick wurde ausdruckslos und ich erkannte den Schmerz den sie versuchte zu verstecken. "Sie leben in einem Appartement ein wenig außerhalb. Ihnen geht es gut. Henry ...", sie brach ab und ich sah sie fragend an. "Wer ist Henry?"
Hatte ich ihn vergessen, oder war er mir wirklich unbekannt?

Rey wurde ein wenig bleich um die Nase. "Henry ist Moira Sohn."
Ich sah sie geschockt an. Ihr Was?
Moira hatte ein Kind? An sowas hätte ich mich doch auch wieder erinnert, oder nicht?

Gerade als ich fragen wollte, kam sie mir dazwischen. "Er wurde nach dem Angegriff geboren.", sie sah auf ihr Müsli herab, als wäre ihr aufeinmal der Appetit vergangen. "Zwei Monate nach Finns Tod, kam die Neuigkeit. In der nächsten Woche hat Elenor gekündigt um sich um die beiden zu kümmern, weil Moira ... sagen wir ihr Zustand war nicht gut."

Ich war bis auf die Knochen erschüttert. Sie alle waren durch die Hölle gegangen. Moira hat ihren Mate verloren und dann...
Zum Glück war Elenor für sie da. Doch das alles brach mir das Herz.

Traurig sah ich Reyna an. "Das heißt du warst dann ... ganz alleine in diesem Haus?"
Reyna hatte mir bereits erzählt, das sie und Cassian sich in den 2 Jahren von einander entfernt hatten und auch Elijah sich abgeschottet hatte. Doch wenn auch Elenor nicht hier gewesen ist ...

Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie allein sie sich gefühlt haben musste. Sie nickte traurig und ich Griff nach ihrer Hand. Eine Weile saßen wir nur in der Stille der Küche und genossen unsere Gesellschaft. Ich musste nichts sagen denn sie verstand es auch so.

Es würde wieder bergauf gehen. Es würde wieder gut werden.
Es hätte bereits begonnen.

Und wir wären nicht mehr allein. Denn ich hatte nicht nur Cassian wieder gefunden.

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