7| Bye Bye

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Supermarket Flowers ~ Ed Sheeran

Reyna

"Reyna? Es ist drei Uhr morgens? Ist etwas passiert?", fragte mich Hazel verschlafen am anderen Ende der Leitung.

"Ich hau ab.", sagte ich todernst.
Ich hörte das Racheln von Decken und konnte mir bildlich vorstellen, wie sie nun hellwach im Bett saß. Ich lächelte. "Aber... Die Schule? Was ist mit Cassian? Wo willst du hin? Was ist passiert? Bist du etwa schon unterwegs? Bist-"
"Komm runter!", unterbrach ich ihre aufgebrachte Stotterei.

Ich zog nervös an einem der Träger meines Rucksacks. "Ja ich bin schon unterwegs. Ich weiß nicht wo ich hin will. Am besten zu den südlichen Rudeln. Vielleicht an den Strand. Wer weiß, vielleicht verlassen ich auch den Kontinent?"

"Aber warum?", fragte sie verzweifelt.
"Cassian hat es zu weit getrieben. Ich halte es dort einfach nicht mehr aus. Er verbietet mir wieder in die Schule zu gehen."
Ich hörte wie sie scharf die Luft einzog. "Sehe ich dich wieder?"
Ich sah zu Boden, "Aufjedenfall! Aber vielleicht erst in 10 Jahren, wenn wir beide schon Kinder haben und du eine Weltbekannte Schriftstellerin bist." Sie lachte und mein Herz zog sich zusammen. Sie würde ihr Leben weiterleben. Ohne mich.

Das war's jetzt also. Der Abschied.
"Pass auf dich auf, Rey. Ich hab dich lieb."
Ich schluckte, "Ich dich auch, Hazel. Drück Alex, Carter und deine Mom von mir. Ich werde euch alle vermissen." Ich blinzelte in die kalte  Nachtluft. Götter warum tat das so weh? Ich würde sie alle Wiedersehen. Irgendwann.

"Noch kannst du umkehren. Er wird schon wieder zu Besinnung kommen. Vielleicht-"
"Nein.", unterbrach ich sie. Das war schwerer als gedacht. Eine Weile war Stille. Ich versuchte mich zu sammeln. Ich wollt nicht das sie meine Angst in meiner Stimme hörte. Ich hatte mich dazu entschlossen und ich würde es jetzt auch durchziehen. Vielleicht war es selbstsüchtig, doch das war der einzige Weg. Ich sah keine andere Möglichkeit mehr. "Ich verstehe. Ich bin immer für dich da, Rey. "
"Danke.", hauchte ich in den Hörer.

Ich wusste das Hazel es verstehen würde. Ich hatte oft mit ihr darüber geredet, das ich abhauen würde. Sie hatte bloß nie gedacht, das ich es wirklich durchziehen würde. Ich ehrlich gesagt auch nicht. Das tuten der toten Leitung klang viel zu laut in der stillen Nacht. Eine Weile starrte ich noch auf den Bildschirm. Dort  leuchtete mir unser Selfie entgegen. Ich strahlte breit in die Kamera während Hazel einen Arm um meine Schulter gelegt hatte. Das Foto hatten wir im letzten Sommer gemacht. Ich würde sie unheimlich vermissen. Sie hatte so viel für mich getan und ich ließ sie einfach zurück. Wie gerne würde ich einfach mit ihr zusammen weglaufen. Doch das war noch egoistischer. Sie hatte hier so viel: ihre Familie, die Schule, Alex, eine Zukunft auf die sie sich freuen konnte. Einen Herzschlag verharrte ich noch in dieser Posotion, bevor ich mich los riss und mein Handy in meiner Tasche verstaute.

Ich ließ meinen Blick über die Wälder gleiten, die nun dunkel vor mir lagen. Von hier oben hatte man einen atemberaubenden Ausblick. Ich würde die Wälder in meiner Wolfsform durch streifen und die Straßen meiden. So würde ich in eines der südlichen Rudel gelangen und von dort denn ersten Bus nehmen. Ich würde irgendwo ein Leben aufbauen. Dort wo mich niemand kennt. Keine Erwartung, keine Vergangenheit. Nur Freiheit.
Ich atmete tief durch.

Er würde nach mir suchen lassen. Ich musste mich also beeilen. Doch eine Sache musste ich nich erledigen, bevor ich dieses Leben hinter mir lassen konnte.

Mit steifen Schritten lief ich auf den Stein zu, den man in der Dunkelheit leicht übersah. Ich war zuvor nur einmal hier. Ich war damals so unheimlich wütend auf alles und jeden gewesen. Ich hatte geschrien und geweint. Seit dem hatte ich diesen Ort gemieden und nie wieder auch nur eine Träne vergossen.

Doch jetzt stand ich hier, während mir die Kälte langsam durch die Kleidung sickerte. Mit zitterten Händen, ließ ich mich auf die kalte Erde sinken. Ich hatte ihn angebrüllt. Warum er ihr denn ein Grab gab! Sie war ja nicht mal hier! Doch jetzt verstand ich. Es tat gut etwas zu sehen wo ihr Name drauf stand. Das etwas von ihr noch da war. Auch wenn es nur in Stein gemeißelt war.

Eine schwere Stille legte sich um mein Herz, als ich auf ihren Namen starrte. Ich weiß noch, wo ich sie zum ersten mal gesehen habe. Sie war abgemagert und bewusstlos gewesen. Cassian und Elijah waren damals auf diesem Ball gewesen, auf den ich sie eigenlich begleiten wollte. Doch ich musste im Waldhaus bleiben, während sie wieder die Zeit ihres Lebens hatten. Er war der Meinung das es in Luciens Rudel zu gefährlich für mich wäre. Ich hätte niemals erwartet, das er mit seiner Mate in den Armen zurück kommt. Er hatte dieses Leuchten in den Augen, als er sie behutsam auf die Couch gelegt hatte. Doch auch diese Wut. Er war so sauer auf die Menschen, die sie so behandelt haben. Dabei wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts.
Es war alles so viel schlimmer gewesen und selbst heute wusste ich nicht das ganze Ausmaß ihrer Vergangenheit.

Und dann stand sie da. Sie hatte solche Panik. Vor uns.
Ich hatte ihren Schmerz gesehen, als sie ich in ihre Augen sah und ihren Namen hörte. Ich konnte ihn sehen, doch nicht verstehen. Ich wünsche ich hätte es getan. Vielleicht hätte ich die folgenden Ereignisse dann aufhalten können.

Ich hatte Cassian nie so ... völlig verzweifelt gesehen. Er kannte sie gar nicht und dennoch konnte ich seine Angst um sie förmlich spüren. Seit dem hat er geschworen, sie zu beschützen. Doch er konnte es nicht. Niemand konnte das.

"Es tut mir leid, Lucy. Du wärst wahrscheinlich enttäuscht von mir, wenn du mich jetzt sehen könntest.

Wenn du jetzt hier wärst würdest du für mich Partei ergreifen. Ich bin mir sicher, das du nich verstehen würdest. Das hast du immer." Ich hielt inne.

"Weißt du, eine Zeit lang war ich sauer auf dich. Weil du einfach so gestorben bist. Zuerst warst du für mich da und dann hast du mich allein gelassen. So wie jeder. Selbst Eljiah. Doch er versucht wenigstens mich zu verstehen, während Cassian...
Ich werde Elijah vermissen und ich hoffe er kann meine Entscheidng nachvollziehen. Und ich hoffe auch das Cassian mich gehen lassen kann. Denn dich konnte er nicht gehen lassen.", der Wind raschelte durch die Blätter.

"Ich habe ihm einen Brief geschrieben, doch ich weiß das er mich suchen wird. Das ist auch der Grund warum ich jetzt gehen muss. Es tut mir leid Lucy. Das ich dich nicht retten konnte. Das du für mich sterben musstest. Das du für uns sterben musstest. Ich hoffe...", meine Stimme brach.

Ich senkte den Blick.
"Ich hoffe das wir uns irgendwann mal wieder sehen."
Ich rappelte mich auf und klopfte mir die Erde von der Jeans. Ich schenkte ihr ein letztes Lächeln.

"Wie sehen uns im nächsten Leben."

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Die nächsten Kapitel sind jetzt oft In Rey's Sicht.

Shattered Where stories live. Discover now